Vom Bilbao-Effekt bis zur Smart City

Impulse für die Stadtentwicklung

John Hill
6. September 2017
Bilbao, Spanien, 2010: Guggenheim-Museum (Gehry Partners LLP); Puppy (Jeff Koons) (Bild: Michele Nastasi)

Im Buch The Icon Project: Architecture, Cities, and Capitalist Globalization richtet Leslie Sklair sein Augenmerk «auf die Art, in der kapitalistische Globalisierung umgesetzt wird und überall auf der Welt, insbesondere in sich globalisierenden Städten, vertreten ist», so die Oxford University Press. Außerdem «vollzieht er nach, wie die ikonischen Gebäude unserer Zeit – aufwändige Einkaufszentren, spektakuläre Museen und riesige städtebauliche Megaprojekte – das triumphale Kult-Projekt des zeitgenössischen globalen Kapitalismus begründen, das das zunehmende Ungleichheit und Hyperkonsumismus noch fördert». 
In Starchitecture: Scenes, Actors, and Spectacles in Contemporary Cities hingegen untersucht Davide Ponzini «Projekte von Star-Architekten in Städten wie Paris, New York, Abu Dhabi, Bilbao und den architektonischen Mikrokosmos des Vitra-Campus in Weil am Rhein», so die Monacelli Press. Davide arbeitete mit dem Fotografen Michele Nastasi (einige seiner Fotos sind hier abgebildet) zusammen, um «einen wachsenden globalen Zustand zu erklären und zu kritisieren indem er aufzeigt, wie Star-Architektur in Städten auf der ganzen Welt eingesetzt wurde und wird.»
​Unsere Interviews mit den Autoren sind nachfolgend in zwei Abschnitte unterteilt: drei allgemeine Fragen an beide Autoren, um ihre Kritiken zu vergleichen und einander gegenüberzustellen, sowie daran anschließend drei buchspezifischen Fragen an jeden Autor.

Titel von «The Icon Project» von Leslie Sklair sowie «Starchitecture» von Davide Ponzini und Michele Nastasi

Was ist das Hauptargument Ihres Buches und wie bezieht es sich auf die Auswirkungen des «Bilbao-Effekts» und der «Ikonizität» auf aktuelle architektonische Aktivitäten?

Leslie Sklair: The Icon Project argumentiert, dass der fast ausschließliche Fokus der Medien auf ikonische Architektur und Star-Architekten zu einer irreführenden Darstellung der Branche als Ganzes führt, und dass wir die Vorstellungen von Ikonizität und ikonenhaften Gebäuden ernster nehmen sollten. Ich lege dar, dass diese Ideen nicht einfach nur Erfindungen der Medien sind, sondern dass die großen Architekturbüros und viele bedeutende und berühmte Architekten, Architekturhistoriker und Kritiker dazu beigetragen haben, diese Ideen zu verbreiten.

Der Gedanke hinter The Icon Project ist, dass ikonische Architektur im städtischen, nationalen und globalen Maßstab Teil einer ideologischen und kulturellen Strategie ist, die die kapitalistische Globalisierung mit dem verbindet, was ich als «Kultur-Ideologie des Konsumismus» bezeichnet habe. Ich definiere Ikonizität in der Architektur im Sinne von Ruhm und symbolischer/ästhetischer Bedeutung, die auf lokaler/urbaner, nationaler und globaler Ebene wirkt. Dabei benenne ich drei Kategorien von Kult-Architekten anhand unterschiedlicher empirischer Maßnahmen, die sich auf ihre Darstellung in den Medien konzentrieren. Erstens die vier echten Star-Architekten des frühen 21. Jahrhunderts (Gehry, Foster, Hadid und Koolhaas); zweitens eine Gruppe von etwa 30 herausragenden Architekten (von denen einige wahrscheinlich eines Tages wahre Star-Architekten werden). Diese beiden Gruppen werden als Künstler angesehen, deren Entwürfe nach ihrer Realisierung wie echte Kunstwerke und einzigartige architektonische Ikonen behandelt werden. Die dritte Gruppe besteht aus den Personen, die das gebaut haben, was ich als typische Ikonen bezeichne: Gebäude, die einige der Elemente reproduzieren, die für das untrainierte Auge gerade noch als vergleichbar mit einzigartigen Ikonen erkennbar sind. Star-Architekten, und in gewissem Maße die berühmtesten Signature-Architekten nähren die Vorstellung, dass Designer von typischen Ikonen kopieren würden. Der Bilbao-Effekt wird herangezogen als maßgeblicher Einflussfaktor für die Überzeugung urbaner Wachstumskoalitionen, der zufolge es notwendig ist, ein spektakuläres Gebäude in der Stadt vorweisen zu können. Dieses soll dann in der Regel von einem berühmten Architekten entworfen worden sein, um Megaprojekte in Städten überall auf der Welt zu verankern (so wie Einkaufszentren schon immer um große bekannten Geschäfte bzw. Marken bemüht haben). Kleinere und/oder weniger gut ausgestattete Städte geben sich mit typischen Ikonen zufrieden.

Davide Ponzini:  Starchitecture ist eine kritische Würdigung der Art, wie Star-Architektur in öffentlichen Debatten interpretiert, dargestellt und diskutiert wurde. Eine der Möglichkeiten, wie die Debatte dieses komplexe Thema vereinfacht hat, ist der bekannte «Bilbao-Effekt». Die Erwartung, dass Designer in der Lage zu sind, das Schicksal einer Stadt zu wenden, ist offensichtlich übertrieben. In einer öffentlichen Veranstaltung für das Martha Museum in Herford erklärte Gehry, der das Gebäude entworfen hatte: «Seit Bilbao kommen Personen in meinem Büro, um mich damit zu beauftragen, den Bilbao-Effekt herbeizuführen.»
Ich schlage vor, Projekte, die damit verbundenen Entscheidungsprozesse und die urbanen Auswirkungen zu betrachten, statt sich auf den Stil oder die Persönlichkeit des Architekten zu konzentrieren. Aus diesem Blickwinkel wird offensichtlich, dass – abgesehen vom Guggenheim-Museum – eine Reihe von Infrastrukturinvestitionen und wirtschaftsentwicklungspolitischen Maßnahmen zur positiven Entwicklung in Bilbao beigetragen haben. Die Ikone des Museums verkörperte dieses Momentum, aber es hat den städtischen Wandel ganz sicher nicht ausgelöst. 

Weil am Rhein, Germany, 2010: Blick auf den Vitra Campus in Richtung Basel (Bild: Michele Nastasi)

Was sind die Vor- und Nachteile des Star-Architekten und was ist ihre/seine Rolle im Bau und Branding von Städten?

Ponzini: Meiner Meinung nach gibt es keine allgemeingültigen Regeln. Ich beschränkte mich darauf, über die Dutzende von Projekten nachzudenken, die ich in Städten wie Paris, Abu Dhabi und New York analysiert habe, und ich konnte feststellen, dass Architekten je nach Kontext und spezifischen Prozessen unterschiedliche Rollen spielen. Ein und dasselbe Architekturbüro kann einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Landschaft einer Stadt leisten, dann aber fragwürdige Projekte in anderen Städten entwerfen (z.B. in punkto öffentlicher Raum, Gleichberechtigung, …). Warum also nicht Architekten nach mehr und besseren Beiträgen fragen? Ich schließe das Buch mit der Empfehlung, dass die Entscheidungsträger in Stadtpolitik und Planung ihre Verantwortung wahrnehmen und sich stärker auf die Beziehung zwischen den neuen Entwicklungen und der Stadtlandschaft konzentrieren sollten, anstatt sich auf die Marke oder die Ikone zu verlassen.

Sklair: Die Vorteile der Idee des Star-Architekt liegen darin, dass – indem weltweit als Ikonen angesehene Architekten genauso behandelt werden wie Prominente in anderen Kulturbereichen (ich habe ebenfalls Ikonizität in Sport, Mode, Popkultur und Kunst im Allgemeinen erforscht) – die Architektur leichter als Teil der allgemeinen Kultur dargestellt wird und somit ihren Makel als esoterische Kunst von geringem öffentlichen Interesse zu verlieren beginnt. Die Nachteile hingegen liegen darin, dass ein derartiges Rebranding der Architektur zu einer Untergrabung ihres hohen Kunststatus führen kann. Als Folge davon wird, wie ich in diesem Buch dokumentiere, die Bezeichnung eines Gebäudes als ikonisch und eines Architekten als Star-Architekt von einigen Personen als negative Beurteilung verstanden, von anderen hingegen als positive Würdigung. Es ist wichtig zu verstehen, dass meine Analyse dieser Begriffe soziologischer Art ist und nicht als Beurteilung der architektonischen Qualität verstanden werden soll. Wie ich beispielsweise im Buch zeige, sind es oft die weniger berühmten Gebäude von Star-Architekten, die andere Architekten, Historiker und Kritiker am meisten schätzen (gute Beispiele hierfür sind Fosters Willis Faber Offices in Ipswich, das Gehry House in Santa Monica, die Kunsthal in Rotterdam von Koolhaas, und Zaha Hadids Entwurf für den Peak Club in Hong Kong). Auf die Frage nach der Rolle des Star-Architekten im Bau und Branding von Städten gilt, was ich bereits sagte, nämlich dass der Bilbao-Effekt von großer Wichtigkeit gewesen ist; der Glanz der Star-Architektur and selbst der erfolgreichsten typischen Ikonen färbt auf die Städte ab, die sich diese Art von Architektur leisten können. Ein hier weniger beachteter Aspekt, den ich hervorhebe, ist die Entstehung einer, wie ich es nenne Celebrity-Infrastruktur, die weltweit kopiert wird.

Paris, 2015: Philharmonie de Paris (Ateliers Jean Nouvel); Cité de la Musique (Christian de Portzamparc) (Bild: Michele Nastasi)

Wie sehen Sie die Zukunft der Architekturikonen? Sind diese eher ein dauerhafter Bestandteil der Architektur in Städten oder werden andere Szenarien in den Vordergrund rücken?

Sklair: Der «Tod der Ikone» wird in den Fach- und sogar in den Massenmedien regelmäßig proklamiert. Ich nenne Beispiele für die «Anti-Ikonen»-Strömung in der architektonischen Kultur (selbst Rem Koolhaas hat sich angeschlossen; es ist jedoch schwer zu sagen, wie ernst er es meint). Ich bin der Ansicht, dass der Drang zum Bau ikonischer Gebäude trotz des Antagonismus innerhalb der Branche anhalten wird, solange der konsumorientierte Kapitalismus andauert.

Ponzini: Im Buch analysiere ich fünf Argumente für das Ende der Star-Architektur. Ästhetisch eindrucksvolle Eingriffe waren schon lange vor der Postmoderne Teil der gebauten Umwelt und werden sicherlich viele Epochen überdauern. Trotz der vielfältigen Formen dieses architektonischen Trends müssen wir uns den Auswirkungen auf die modernen Städte stellen.
Ich versuche, die Kraft der «Erzählung der Star-Architektur» aufzuzeigen (Bilbao-Effekt, der Architekt als Künstler, moderne Städte als Ansammlung von Markenarchitekturen, …). Ich glaube, es gibt derzeit auch andere starke Erzählungen, welche die öffentliche Debatte über Städte beherrschen: denken Sie nur an die Smart City, derzeit die Öko-Stadt und vor wenigen Jahren die kreative Stadt. Sie funktionieren in der gleichen Weise wie der Bilbao-Effekt und werden ihn in der Praxis vielleicht sogar ersetzen. Allerdings kann man nicht voraussetzen, dass diese Erzählungen zu einer besseren Stadtentwicklung führen werden – man muss die realisierten derart betitelten und derart vermarkteten Öko- oder Smart-City-Projekte betrachten und über ihre städtebaulichen Auswirkungen nachdenken.

Singapur, 2013: Blick vom Skypark, Marina Bay Sands (Safdie Architects). (Bild: Michele Nastasi)

Fokus: The Icon Project

  The Icon Project:
Architecture, Cities, and Capitalist Globalization

Leslie Sklair (Hg.)
2017. Oxford University Press
352 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Englisch

Hardcover
ISBN 978-0-19046-418-9

 

Leslie Sklair ist emeritierter Professor für Soziologie an der London School of Economics. Er arbeitete zwei Jahre in einer Baumwollfabrik außerhalb von Glasgow, bevor er Soziologie und Philosophie studierte. Beide Erfahrungen förderten sein lebenslanges Interesse an der Frage, wie die kapitalistische Gesellschaft in unterschiedlicher Weise für verschiedene Gruppen von Menschen funktioniert. Insbesondere sein andauerndes Interesse an Architektur und Städten hat seinen Blick geschärft für die Kraft der gebauten Umwelt unser Leben zu prägen.
 

Die meisten Ihrer Interviews fanden im Jahr 2004 statt; haben Sie in den dazwischenliegenden Jahren bis heute signifikanten Veränderungen in Bezug auf Ihr Thema festgestellt?

Sklair: Als ich 2004 anfing, ikonenhafte Architektur zu hinterfragen, wurde der Begriff von vielen Personen in und um die Architekturbranche mit Argwohn betrachtet. Auch heute betrachten ihn viele noch immer misstrauisch, aber die meisten Personen sind eher bereit, den Begriff zu verwenden, entweder im positiven oder im negativen Sinne. Im Hinblick auf die Rolle ikonischer Architektur in Städten und die Hierarchie der Weltstädte hat sich der Bedarf an neuen Ikonen verstärkt, und das sogar in den erfolgreichsten Weltstädten (darunter sind z.B. The Shard in London, Foundation Louis Vuitton in Paris, Gehry New York, der Shanghai Tower) und in aufstrebenden, sich globalisierenden Städten (siehe hierzu die Abbildungen zu «typische ikonenhafte Gebäude» in Kapitel 3).

In Ihrem Buch legen Sie Ihr Hauptaugenmerk auf die Rolle ikonischer Architektur für die kapitalistische Globalisierung. Spielen Architekten in diesem Prozess eine aktive Rolle oder geben sie ihren Kunden und den jeweiligen Städten nur eine Form?

Sklair: Das ist eine knifflige Frage. Viele Architekten spielen tatsächlich eine aktive Rolle, manche tun dies gern, andere ungern. Mehr als die meisten kreativen Künstler sind Architekten auf externe Finanzierung angewiesen, um ihre künstlerischen Unternehmungen zu verwirklichen. Folglich habe sie keine große Wahl, wenn sie große, teure Gebäude bauen wollen. In der Branche wird dies sehr kontrovers diskutiert, weniger jedoch in der Industrie (siehe hierzu der Abschnitt zur Kritikalitätsdebatte in Kapitel 6). Wie ich im Buch durchgängig wiederhole, beurteile ich nicht, sondern versuche zu analysieren: Also ja, in vielen Fällen spielen Architekten eine aktive Rolle im Geschäft der kapitalistischen Globalisierung und bei der Verbreitung der Kultur-Ideologie des Konsumismus.

Können Sie irgendetwas ausmachen, was Architekten (die dazu bereit sind) tun könnten, um dem zu widerstehen, was Sie als «Kultur-Ideologie des Konsumismus» bezeichnen?

Sklair: Nicht viel, angesichts des aktuellen globalen Klimas, in dem die Kultur-Ideologie des Konsumismus weltweit mit katastrophalen ökologischen Folgen uneingeschränkt zu herrschen scheint. Zahlreiche Architekten sind auf der Bühne grünen, nachhaltigen Bauens tätig, hier setzt allerdings der Jevons-Effekt ein. Während jedes Hochhaus «grüner und nachhaltiger» wird je mehr gebaut werden, und die CO2-Bilanz pro Einheit sinkt, erhöht sich die CO2-Gesamtbilanz kontinuierlich. Das Shanghai des 21. Jahrhunderts ist ein hervorragendes Beispiel hierfür und in Paris – bislang eine Stadt, die nicht von Hochhäusern beherrscht wurde – sind nun weitere Hochhäuser geplant, um die Banker der Londoner City nach Paris zu locken, sobald der Brexit umsetzt wird. Wie ich allerdings am Ende des Buches ausführe, werden Architekten und Stadtplaner sich sicherlich dafür einsetzen, unsere gebaute Umwelt auf dem Weg zu einer besseren, nachhaltigeren Zukunft zu verbessern: …Alle Arten von Architektur, einschließlich neu gestalteter Kult-Gebäude, würden einen Platz in der neuen globalen Gesellschaft finden.» Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass es in und um die Architektur ein wachsendes Bewusstsein zu geben scheint, dass wir uns nun im Zeitalter des Anthropozäns befinden (menschliches Verhalten als bestimmende Kraft für das Erdsystem) und die daraus resultierenden Konsequenzen für Architektur und Bauen im Allgemeinen herausarbeiten.

Dubai, 2012: Blick von Al Satwa (Bild: Michele Nastasi)

Fokus: Starchitecture

  Starchitecture: 
Scenes, Actors, and Spectacles in Contemporary Cities

Davide Ponzini (Hg.), Michele Nastasi (Bilder)
2016. The Monacelli Press
216 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Englisch

Hardcover
ISBN 978-8-84221-989-7

 

Davide Ponzini ist außerordentlicher Professor für Stadtplanung am Politecnico di Milano und derzeit Gastprofessor an der TU München. Seine Forschungsarbeiten wurden umfänglich veröffentlicht, darunter auch Starchitecture zusammen mit dem Architekturfotografen Michele Nastasi.
​Michele Nastasi ist Fotograf und Herausgeber der Zeitschrift Lotus International. Seine Fotografien wurden in zahlreichen Zeitschriften und Büchern veröffentlicht und in Einzel- und Gruppenausstellungen in Italien und den USA ausgestellt.

Warum haben Sie die drei Weltstädte (Abu Dhabi, New York, Paris) ausgewählt und wie vergleichbar sind diese hinsichtlich Star-Architektur und Spektakel?

Ponzini: Ich habe Städte mit sehr unterschiedlichen Planungssystemen und Entscheidungsprozessen ausgewählt. Abu Dhabi ist ein Scheichtum, Paris ist eine demokratische Stadt mit einer starken technischen und politischen Elite, New York ein gemäßigt pluralistisches System. Das Verhältnis zwischen Markenprojekten und Stadtplanung war entscheidend, um die Grundprinzipien und Wirkungen der Star-Architektur aufzuzeigen, die ich mit dem Fotografen und Co-Autor Michele Nastasi untersucht habe.

Hat sich zu diesem Thema viel verändert seit der Veröffentlichung der ersten Ausgabe von «Starchitecture» im Jahr 2011?

Ponzini: Die unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben zu mehreren Veränderungen in der Geographie solcher Projekte geführt. Einige Teile Europas und des Westens erlebten eine Verlangsamung, während einige Städte im Nahen Osten und in Asien weitergewachsen sind, auch unter Einsatz von Marken- und spektakulärer Architektur. Derzeit untersuche ich diese Trends mit den Kollegen der Forschungsgruppe «Transnationale Architektur und Urbanismus» am Institut für Architektur und Urbanistik an der Politecnico di Milano.

Welche Rolle spielen Michele Nastasis Fotografien hinsichtlich der Hauptargumente und der Entstehung des Buches?

Ponzini: Natürlich sehe ich, dass Micheles künstlerische Arbeit das Buch verschönert hat (zumindest für mich und ihn!) und den Leser informiert. Allerdings wird Fotografie in diesem Buch nicht nur für rein ästhetischen Zwecke oder die didaktische Dokumentation der mehr als dreißig Projekte und Orte, die in der Forschungsarbeit betrachteten wurden, eingesetzt. Fotografie diente als Werkzeug – sowohl für Michele wie auch für mich — für die kritische Untersuchung und Interpretation der Auswirkungen von Markenprojekten, insbesondere städtische Umfelder. In diesem Sinne war Stadtfotografie ein integraler und wesentlicher Bestandteil der in unserer Untersuchung angewendeten Methoden. Die Aufnahmen und die Bearbeitung erforderte viele Diskussionen zwischen uns beiden und viele schwierige Entscheidungen, aber wir denken, dass in diesem Buch letztlich eine Reihe von Bildern destilliert haben, die eine gut dokumentierte Kritik der zeitgenössischen urbanen Verhältnisse bietet; sie porträtieren bedeutsame Ähnlichkeiten zwischen fernen urbanen Orten und Umfeldern und betonen gleichzeitig in expliziter und spezifischer Weise problematische Fragen der Architektur- und Stadtgestaltung in Bezug auf konkrete Auswirkungen in Städten von heute und morgen. Michele und ich arbeiten mittlerweile mit einer ähnlichen Mischung aus Urbanistik und Fotografie an weiteren Forschungs- und Ausstellungsprojekten.