Holz, Kalkstein, Licht

Carsten Sauerbrei
21. November 2017
Der vordere Teil der Kapelle wurde mit Stühlen, Bänken, Ambo und Altar ausgestattet. (Bild: Benjamin Zweig, Bieling Architekten)

Es ist schon etwas paradox, dass der Nachwuchsmangel bei katholischen Priestern einen Kirchenneubau zur Folge hat. Genau das ist aber der Fall bei Erweiterung, Umbau und Sanierung des Erzbischöflichen Priesterseminars und Theologenkonvikts in Paderborn durch das Hamburger Büro Bieling Architekten. Unter anderem durch die Reduzierung der Zimmer für Priesterkandidaten und den Abbruch nicht mehr benötigter Bauteile entstand der nötige Platz, um zwischen Konvikt und Seminar ein neues, die Gebäudeteile verbindendes Foyer und eine Kapelle zu errichten. Beide wurden Ende Juni als erste Abschnitte der noch bis 2018 laufenden Baumaßnahme eingeweiht.

Der mittlere, gebeilte Bereich des Kalksteinfußbodens durchzieht die Kapelle wie ein Teppich. (Bild: Benjamin Zweig, Bieling Architekten)

Vom flach gedeckten, neuen Foyer aus erscheint der niedrige Eingang zur Kapelle zunächst recht schlicht und zurückhaltend. Allerdings stimmen das Weihwasserbecken – ein scharfkantiger Kalksteinquader mit darüber befindlichem Oberlicht – die hellen Holztüren und eine Kerze schon auf Atmosphäre und Materialität des Innenraums ein. Eine Verbindung zwischen Außen und Innen stellen die Hamburger Architekten über den Fußboden her, der aus in den Randbereichen geschliffenen und in der Mitte gebeiltem Dietfurter Kalkstein besteht.

Der hintere Kapellenbereich dient dem stillen Gebet und der Marienverehrung. (Bild: Benjamin Zweig, Bieling Architekten)

Der mittlere Fußbodenbereich durchzieht die Kapelle wie ein Teppich und wächst im hinteren Teil aus der Fläche in die Höhe. Damit teilt er den Innenraum in einen größeren Bereich für die Messe und einen kleineren für das stille Gebet bzw. die Marienverehrung. Der Steinteppich symbolisiert laut der hier herunterladbaren Broschüre des Paderborner Priesterseminar "eine sich (...) entfaltende Thora-Rolle und damit den Weg der göttlichen Offenbarung in Raum und Zeit." Diese Bedeutung erschließt sich schwerlich auf den ersten Blick. Der Sinn der die oberen zwei Drittel der Wände und die gesamte Decke bekleidenden Holzlamellen ist dagegen leichter erkennbar.

Im Wandelement befinden sich die Beichträume, darüber erstrecken sich die lichtdurchfluteten Holzlamellen. (Bild: Benjamin Zweig, Bieling Architekten)

Die rautenförmig strukturierten Lamellen, die mit etwas Abstand zu Wänden und Verglasung angebracht wurden, vermitteln durch ihre Materialität Geborgenheit, ergänzen die Formensprache in der Kapelle um ein abstraktes Ornament und geben dem Raum einen einheitlichen Abschluss. Gleichzeitig filtern die Eschenstäbe den Lichteinfall wie ein Blätterdach und erzeugen damit den Eindruck schwebender Leichtigkeit. Beides zusammen verleiht dem Raum eine sakrale Atmosphäre, die ohne aufdringliche Effekte auskommt. Ob solch gelungen zeitgenössisch gestaltete Kirchenräume den Mitgliederschwund in der Katholischen Kirche aufhalten können, ist nicht sicher. Für das Erleben von Spiritualität und Gemeinschaft eignen sie sich jedoch gewiss.