Lob des Schattens

Ulf Meyer
12. April 2017
Blumenhalle (Bilder: Hanns Joosten)

Berlin-Marzahn ist über weite Strecken von tristen Plattenbausiedlungen geprägt. Wenn am 13. April die Internationale Gartenschau (IGA) eröffnet wird, soll das Ost-Berliner Quartier dennoch strahlen: Für die IGA unter dem Motto «Ein MEHR aus Farben», die im Erholungspark Marzahn und am Kienberg veranstaltet wird, wurden vier interessante Gebäude entworfen: Neben der Arena für 5'000 Zuschauer vom Architekturbüro Paul Böhm aus Köln, dem Besucherzentrum vom Büro ww+ aus Luxemburg und Trier und der Touristeninformation von Günter+Finkbeiner aus Berlin ist besonders die Blumenhalle am Haupteingang zu den Gärten der Welt am Blumberger Damm architektonisch reizvoll. Entworfen wurde das temporäre Ausstellungsgebäude, das aus drei Hallen besteht, vom Büro Gorenflos Architekten aus Berlin.

Die längste der drei Hallen ist 90 Meter lang, um neben den Blumenhallenschauen, die auf mehr als 3'500 Quadratmetern im wöchentlichen Wechsel dort gezeigt werden, auch Platz für ein Restaurant mit tausend Sitzplätzen im Innen- und Außenbereich zu bieten. Architekt Matthias Gorenflos hat seinem Hallen-Ensemble eine lichtdurchlässige Außenhaut verliehen, sodass in den Hallen tagsüber auf künstliche Beleuchtung verzichtet werden kann. 

Das Tragwerk der stützenfreien Blu17-Hallen besteht aus sanft geschwungenen Holzleimbindern auf eingespannten Holzrahmen, die ihrerseits auf Betonfundamenten stehen. Es sind auf das vorhandene Erdreich aufgelegte Stahlbetonfertigteile. Der modulare Bau basiert auf 40 cm starken Leimbinder mit einer Spannweite von über 18 Metern. Vorgefertigte, vier mal zwei Meter große Betonfundamentplatten werden auf den Boden gelegt. Erdarbeiten sind nicht nötig. Jede Tafel hat vier Köcher, in die vier Pfosten biegesteif eingespannt werden.

Über den Toren sind Lüftungsöffnungen angeordnet, die für ein angenehmes Raum-Klima sorgen. Sie dienen im Brandfall als Entrauchungsöffnungen. Der Clou der Halle ist jedoch die textile transluzente Membran, die als Fassade und Dach dient. Die weiß schimmernden, einlagigen Membranen werden von Kedern – Randverstärkungen mit rundem Querschnitt – gehalten und gespannt. Rechteckige Felder mit klarer Folie, deren Position frei über die Dachflächen verteilt wurde, wirken wie Fenster. Die Entrauchungsklappen sind verblüffend einfach mit Klettverschlüssen gestaltet. Zudem haben die Dächer der Hallen einen eleganten Schwung; ihr Materialeinsatz ist minimal und die Hallen sind leicht demontier- und wiederverwendbar.

Das Licht im Inneren der Blu17-Hallen erinnert an die japanische Raum-Ästhetik wie Tanizaki Junichiro sie in seinem berühmten Essay von 1933 unter dem Titel Lob des Schattens beschrieben hat. Das «Wechselspiel von Licht und Dunkelheit» entsteht durch die Shōji genannten Reispapierwände. Die «Schönheit des Schattens» verleihen nicht nur traditionellen japanischen Räumen ihren Ausdruck, sondern auch den temporären Blu17-Hallen in Berlin-Marzahn – wenn auch nur für einen Sommer lang bringen sie Eleganz in das Berliner Plattenbau-Quartier.


Architektur: Gorenflos Architekten, Berlin
Bauherr: Grün Berlin GmbH   

IGA Berlin, täglich bis 15. Oktober, Info unter www.iga-berlin-2017.de