Niedersächsischer Landtag wiedereröffnet

Oesterlen weitergebaut

Carsten Sauerbrei
31. Oktober 2017
Blick zur Präsidiumswand des neuen Plenarsaals mit neuem Niedersachsen-Ross, ein Entwurf der Kommunikationsagentur typenraum. (Bild: blocher partners/Joachim Grothus)

Umstrittene Dauer-Bauprojekte mit geschassten Preisträgern oder Protesten für bzw. gegen Wettbewerbssieger gibt es einige in Deutschland. Auch der Umbau des Niedersächsischen Landtags ist ein solches Endlosprojekt, begann es doch bereits 2002 mit einem ersten Wettbewerb zum Neubau des Plenarsaals. Die verantwortliche Landespolitik verwarf jedoch den Siegerentwurf, da sie mittlerweile den Umfang der Bauaufgabe erheblich ausgeweitet hatte. 2010 führten die Verantwortlichen daher einen zweiten Wettbewerb durch. Der Preisträgerentwurf, der einen Komplettabriss der Nachkriegsarchitektur Dieter Oesterlens vorsah, wurde aber aufgrund von erheblichen Mehrkosten bei Überprüfung seiner Kostenschätzung abermals fallen gelassen. Schließlich beauftragte die Baukommission des Landtags 2012 das Stuttgarter Büro «blocher partners» mit Neubau von Plenarsaal und Foyer unter weitgehendem Erhalt des Äußeren der denkmalgeschützten Nachkriegsarchitektur.

Vom Landtagspräsidium aus blickt man in Richtung der nussbaumverkleideten Tribünen und durch die Glaswand hindurch bis hinein ins Foyer. (Bild: blocher partners/Joachim Grothus)

Im Gegensatz zum nach außen abgeschlossenen Oesterlen-Saal von 1962 sollte der um einiges größere, neue Plenarsaal sich offen und transparent präsentieren. Die Architekten rückten daher den neuen Saal bis an die erhalten gebliebenen Außenwände heran, sodass die Glasflächen zwischen deren monumentalen Betonpfeilern zu den Fenstern der Präsidiumswand werden und den Blick in die Stadt sowie Tageslichteinfall ermöglichen. Seitliche Lichtbänder oberhalb der Besuchertribünen spenden zusätzliches natürliches Licht, sodass im Zusammenspiel mit weißer Decke, hellgrauem Teppichboden und der - gewöhnungsbedürftig - weiß-grauen Möblierung ein angenehm lichter und offener Raum entstand. Mit großflächigen Nussbaumverkleidungen setzen die Architekten einen warmen Akzent im neuen Saal, angesichts dessen grundsolider zeitgenössischer Formensprache sich man dann doch etwas mehr Esprit gewünscht hätte.

Das tageslichthelle Foyer mit neuer Niedersachsen-Treppe entstand unter Einbezug eines einst offenen Innenhofs. (Bild: blocher partners/Joachim Grothus)

Das neue glasüberdeckte Foyer errichteten «blocher partners» unter Einbezug des einst offenen Innenhofes. Dessen verglaste Trennwand zum Plenarsaal erlaubt direkten Blickkontakt zum Geschehen im Inneren. Noch stärker als im Plenarsaal wählten die Architekten im Foyer eine technisch-kühle Formensprache, kontrastieren diese abermals mit angenehm großzügigem Tageslichteinfall. Sie hätten den Charakter des Hauses bewahren wollen, so beschreibt der projektleitende Architekt Wolfgang Mairinger das Entwurfskonzept. Im Inneren des Gebäudes erscheint diese Aussage angesichts des vollständigen Verschwindens der nachkriegsmodernen Architektur nicht wirklich nachvollziehbar. Im Äußeren jedoch haben Mairinger und sein Team es geschafft, die Bestandsfassade nicht nur zu erhalten, sondern auch gelungen in die Gestaltung des neuen Saals einzubeziehen. Das ist weitaus mehr, als man zwischenzeitlich angesichts von Abrissbeschlüssen zu hoffen wagte.

Die Glasfelder zwischen den granitverkleideten Betonpfeilern Dieter Oesterlens wurden mit dem Umbau zu Fenstern des Plenarsaals. (Bild: blocher partners/Joachim Grothus)