Stuttgarter Moderne

Carsten Sauerbrei
4. April 2017
Erwin Heinle, Stuttgarter Architekt und Hochschullehrer wäre am 05. April 100 Jahre alt geworden. (Foto: Heinle, Wischer und Partner)

Als Erwin Heinle, 2002 im Alter von 84 Jahren verstarb, konnte er auf ein mehr als 45-jähriges Lebenswerk zurückblicken. Sein erstes Projekt, mit dem jedoch vor allem der verantwortliche Bauingenieur Fritz Leonhardt bekannt wurde, war der 1956 fertig gestellte Fernsehturm in Stuttgart. Die 217 Meter hohe Betonnadel gilt bis heute als Vorbild für viele spätere, deutsche Fernsehtürme. Erwin Heinles Verdienst ist es, so berichtete 2009 der „Schwarzwälder Bote“, eine rot- weiße-Bemalung des Schaftes aus Sicherheitsgründen verhindert und das elegant-moderne Erscheinungsbild durchgesetzt zu haben. Türme bestimmten auch später einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit. Dem Stuttgarter Debut folgten die Fernsehtürme in Mannheim, Nürnberg und Köln und weitere deutsche Fernmeldetürme.

Fernmeldeturm Koblenz, errichtet 1974-76 (Foto: Heinle, Wischer und Partner)

Nach seinem Stuttgarter Erstlingswerk gestaltete Erwin Heinle Bauwerke wie den 1961 errichteten, baden- württembergischen Landtag, die 1966 eröffnete Pädagogische Hochschule in Ludwigsburg und die 1967 fertig gestellten Stuttgarter Wohnhäuser Heinle und Wischer, für sich selbst und Robert Wischer, mit er seit 1962 ein gemeinsames Büro betrieb. Alle diese Gebäude zeichnete ihre beispielhafte Verkörperung des eleganten Funktionalismus der Nachkriegsmoderne aus. Auch später blieb Erwin Heinle dieser modernen Grundhaltung treu. Dennoch reagieren seine späteren Entwürfe wie für das 1972 eröffnete Olympische Dorf in München oder die 1977 eingeweihte Hamburger Hochschule der Bundeswehr auch auf spätmoderne Einflüsse des Strukturalismus und Futurismus.

Stuttgarter Landtag, 1961 eröffnet. (Foto: Heinle, Wischer und Partner)

Neben seiner praktischen Tätigkeit war Erwin Heinle von Anbeginn auch ein Mann der Lehre. Bereits ein Jahr nach seinem Studienabschluss wurde er 1950 Assistent am Lehrstuhl für Entwerfen und Baukonstruktion der TH Stuttgart. 1965 folgte ein Ruf an die Stuttgarter Staatliche Akademie der bildenden Künste, wo er bis 1981 den Lehrstuhl für Hochbau inne hatte und längere Zeit die Abteilung Innenarchitektur und Möbeldesign leitete. Als er 1981 in den Ruhestand trat, rief er an der Akademie den Erwin-Heinle-Preis ins Leben, der jährlich abwechselnd in den Studiengängen Architektur, Industrial Design/European Design, Textildesign und Kommunikationsdesign verliehen wird. 

Olympisches Dorf München, 1972 (Foto: Heinle, Wischer und Partner)

Das von ihm und Robert Wischer gegründete Büro Heinle, Wischer und Partner, Freie Architekten setzt als eines der größten deutschen Architekturbüros im Hochschul-, Forschungs- und Gesundheitsbau das Werk Erwin Heinles mit einer dezidiert zeitgenössischen Formensprache bis heute fort. Zu Ehren seines 100. Geburtstages veranstalten Heinle, Wischer und Partner am 8. September 2017 eine Vortragsveranstaltung an der Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, bei der verschiedene Referenten und Wegbegleiter aus Architektur und Kunst Erwin Heinles Rolle als Architekt, als Lehrer und als Partner des Büros beleuchten, ausgewählte Werke besprechen und seine methodischen Ansätze und Arbeiten erläutern werden. Um eine Anmeldung per E-Mail beim Veranstalter wird gebeten.