Bibliotheksanbau und Umbau des Predigerseminars, Hannover

Kontemplativer Ort

Peter Petz
9. November 2016
Blick auf das Predigerseminar der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers im Kloster Loccum

Peter Petz: Im niedersächsischen Kloster Loccum werden überreginal Vikare und Vikarinnen zu Pastoren und Pastorinnen ausgebildet. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?
Tore Pape: Das Kloster Loccum beherbergt seit 1820 das inzwischen einzige Predigerseminar der Landeskirche Hannovers. Der traditionsreiche Ort, in dessen Nachbarschaft sich auch die Akademie, das Religionspädagogische Institut und das Pastoralkolleg der Landeskirche befinden, hat sich als Ausbildungszentrum etabliert. Dies bedingt einen höheren Bedarf an Bibliotheksarbeitsplätzen und Unterbringungsmöglichkeiten für den Buchbestand. Nach der Fertigstellung der Baumaßnahme werden bis zu 120.000 Bände in der Bibliothek vorhanden sein. Der einzig mögliche Ort für eine Erweiterung liegt im Kernbereich des Schutzguts an der Schnittstelle zwischen Kreuzgang, Slaphus und Calefactorium. Die innere Klosteranlage und alle ihre Teile stehen unter Denkmalschutz.
An dieser Stelle befindet sich im Moment der sogenannte Prendelbau aus den 90er Jahren, der Teile der Bibliothek beherbergt. In der Wettbewerbsauslobung war den Teilnehmern der Umgang mit diesem freigestellt, ihn zu integrieren oder ihn zugunsten eines ganzheitlichen Lösungsansatzes abzubrechen. Wir haben uns zu letzterem entschieden.

Bestand

Wie kamen Sie zum Baukörper?
Der Baukörper entwickelt sich aus den Konturen der denkmalgeschützten Bestandsgebäude und nimmt deren First- und Traufkanten auf, was einen schlichten, skulptural überformten Gebäudekörper zur Konsequenz hat. Gleichzeitig wollen wir die im Moment unvollständige Gesamtfigur der Klosteranlage vervollständigen und die derzeit undefinierte Freifläche von «Priors Garten» maßvoll fassen. Hierfür führen wir das Gebäude in seiner Bauflucht bis zum gegenüberliegenden Konventgebäude.
Die Gebäudegeometrie sieht mit ihrer ausgestellten Traufkante eine klare Prägung des Haupteingangs vor. Gleichzeitig schaffen wir auf diese Weise einen angemessenen Witterungsschutz im Vorbereich, unter dem sich die einladende Freitreppenanlage befindet.
Wichtig ist uns grundsätzlich, dass der Baukörper sich als zeitgemäße und dennoch zeitlose Ergänzung der gewachsenen Klosteranlage versteht, der auf jegliche Art historisierender Elemente verzichtet.
Vielmehr soll sich der Baukörper in seiner Stofflichkeit und Maßhaltigkeit mit den Grundwerten der Evangelischen Kirche auseinandersetzen, so dass für Nutzer und Besucher ein kontemplativer Ort der Lernens und Erfahrens entsteht.

Lageplan

Wie organisieren Sie den Bibliotheksanbau und den Umbau des Predigerseminars?
Aufgrund des Abbruchs des Prendelbaus übernimmt der Neubau eine wichtige Kopplungsfunktion hinsichtlich des barrierefreien Anschlusses der denkmalgeschützten Bestandstrakte des Klosters. Das geplante Treppenhaus mitsamt Aufzugsanlage haben wir daher an der unmittelbaren Schnittstelle zwischen Süd- und Osttrakt der Klosteranlage positioniert. Eine kleine unprätentiöse Rampenanlage löst den Gebäudeversatz im Erdgeschoss und bindet niveaugleich an den Kreuzgang an.
Der zentrale Informationstresen befindet sich an der logischen Schnittstelle zwischen den Freihand- Lesebereichen des Neubaus und des Calefactoriums. Die WC- und Garderobenbereiche werden als begehbare, hölzerne Körper in die offene Foyerfläche eingestellt. Im Obergeschoss wird die breite Flurzone des Slaphus’ aufgenommen und als offener «Studierflur» weitergeführt, der zwischen Neubau und den Arbeitsbereichen der Bibliothek im Slaphus vermittelt.
Die Technikräume werden im Dachgeschoss mit direkter Anbindung an die darunterliegenden Magazine organisiert. Die Andienung kann über den Haupteingang oder aber über die westliche Gebäudeseite erfolgen.

Grundrisse, Schnitt
Schnittansicht
Ansicht Süd

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Im Wesentlichen besteht das Materialkonzept aus vier unterschiedlichen Materialien:
Ein rauher Sandstein stellt die inhaltliche Verknüpfung zu dem maßgeblich im Kloster Loccum verwendeten Baumaterial her. Hierzu im Kontrast stehen die glatten, vertikalen Sichtbetonlisenen, die durch Ihre Reihung sowie ihre differenzierte Ausrichtung an Buchseiten erinnern, gleichzeitig aber auch zur Verschattung des Gebäudeinneren beitragen. Darüber hinaus sollen durch die Ausrichtung der Lisenen bestimmte Blickachsen – zum Beispiel die in Priors Garten – bewusst gestärkt werden, während andere Raumsequenzen – wie zum Beispiel die Magazinflächen im 1. Obergeschoss einen eher introvertierten Charakter erhalten sollen.
Die Innenräume sollen geprägt sein von schlichten Sichtbetonoberflächen, die in einen spannungsvollen Dialog mit den hölzernen Raumkörpern der Tresen- und Regaleinbauten treten.

Detail

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Da der Neubau der Bibliothek an verschiedene Einzelbaumaßnahmen innerhalb der Klosteranlage gekoppelt ist, ist es zunächst wichtig, diese unterschiedlichen Bausteine zusammenzufügen. Erste Gespräche mit den jeweils verantwortlichen Planern und den Vertretern des Bauherrn haben bereits stattgefunden, so dass von einem zügigen Verlauf ausgegangen werden kann. Der Baubeginn ist für Mitte 2017 geplant. Die Fertigstellung ist für Mitte/Ende 2018 vorgesehen.

Bibliotheksanbau und Umbau des Predigerseminars der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers im Kloster Loccum, Hannover
Beschränkter Realisierungswettbewerb

Auslober/Bauherr: Landeskirchenamt Hannover, Hannover
Betreuer: Kiefer + Kiefer Architekten BDA, Sarstedt

Jury
Prof. Volker Staab, Vors. | Martin Krause | Werner Lemke | Gregor Sunder-Plassmann | Prof. Martin Thumm

1. Preis
Architekt: pape+pape architekten, Kassel, Hannover
Tragwerksplaner: Reitz & Pristl Ingenieurgesellschaft mbH

2. Preis
Architekt: ahrens & grabenhorst architekten stadtplaner BDA, Hannover

3. Preis
Architekt: O.M. Architekten BDA, Braunschweig

4. Preis
Architekt: Architekten BKSP, Hannover