Grasgrün für die Schule

Thomas Geuder
7. Oktober 2015
Die Positionierung des Baukörpers auf der Südseite des Grundstücks schafft im Norden eine großzügige Freifläche mit Pausenhof und Sportflächen. (Bild: Florian Holzherr)

Projekt: Grundschule am Arnulfpark (München, D) | Architektur: Hess Talhof Kusmierz Architekten und Stadtplaner (München, D) | Bauherr: Landeshauptstadt München, Baureferat, Referat für Bildung und Sport (München, D) | Hersteller: Polytan GmbH (Burgheim, D), Kompetenz: Sportboden Polytan S

Seit gut zehn Jahren ist der Münchner Arnulfpark immer wieder Gegenstand journalistischer Auseinandersetzungen, nun ist das Innenstadtgelände nördlich der Bahngleise nahezu fertig gebaut. Über 1000 Wohneinheiten und viel Raum für Büroarbeiter ist hier entstanden, für die auch die nötige Infrastruktur erstellt werden muss. Teil dieses Bedarfs ist auch eine Grundschule für die Schüler der näheren Umgebung, und so wurde schon im Jahr 2007 von der Stadt München ein Wettbewerb ausgelobt, der die Erarbeitung und Darstellung eines Planungskonzepts für eine dreizügige Grundschule mit sechsgruppigem Tagesheim, einer Einfachsporthalle sowie Freizeitsportflächen zur Aufgabe hatte, mit (dem eigentlich selbstverständlichen) Fokus auf die Funktionalität, die städtebauliche Anordnung und die Wirtschaftlichkeit. Aus den 15 eingereichten Arbeiten ging der Entwurf von Hess Talhof Kusmierz Architekten und Stadtplaner zusammen mit Erdmann Kicherer Landschaftsarchitekten als Sieger hervor. Ihr Entwurf setzt die Wettbewerbsvorgaben in eine einfache, dennoch gut funktionierende Architektur um, bei der vor allem das pädagogische Konzept großen Anklang fand. Zentraler Baustein des Entwurfs sind die sogenannten Lernhäuser im Obergeschoss, die jeweils aus einem zentralen Flur, drei nach Westen orientierten Klassenräumen, ein bis zwei Tagesheimräumen, einem Sanitärkern sowie dem Treppenhaus bestehen, womit sie im Prinzip alles beinhalten, was Schüler und Lehrer in erster Linie für den Unterricht benötigen. Zwischen den Lernhäusern befinden sich großzügige Terrassen, die mit den Räumen direkt verbunden sind und vielfältig genutzt werden können. Jede Terrasse ist schließlich über eine Freitreppe mit dem Pausenhof verbunden, ein Laubengang an der anderen Längsseite verbindet die Terrassen untereinander. Den Kopf der Anlage bildet der Verwaltungs- und Lehrerbereich mit Haupteingang, dessen Kubatur dem Straßenraum entsprechend angewinkelt ist. Den Fuß bildet – mit etwas Abstand, der mit der Freisportfläche gefüllt ist – die Amtsmeisterwohnung. Zum Stadtraum hin umschlossen wird das Ensemble durch einen Zaun aus rosafarben lasierten Holzpfosten, die in der schrägen Ansicht eine geschlossene Fläche bilden.

Rund 8,50 m kragt das Obergeschoss über das Erdgeschoss aus, wodurch darunter Platz für die überdachte, maigrüne 50-Meter-Laufbahn entsteht. (Bild: Florian Holzherr)

Im Erdgeschoss finden sämtliche gemeinschaftlich genutzten Funktionen Platz: eine Pausenhalle, Mehrzweckräume und Foyer, die Küche sowie Musik- und Werkräume. Auch die Sporthalle lugt in das Erdgeschoss hinein; sie befindet sich eigentlich im Untergeschoss. Sind die Lernhäuser im Obergeschoss noch quer zur Gebäudekubatur organisiert, werden hier im Erdgeschoss die Räume nun in Längsrichtung mit einem – die Architekten nennen es – Wandelgang verbunden, der sich in der Gebäudemitte, direkt an den Treppen zum Obergeschoss befindet. Hier jedoch befindet sich bereits die Außenfassade, wodurch ein großzügiger und überdachter Außenbereich entsteht, quasi das Pendant des Wandelgangs an der frischen Luft. Wandeln sollen die Schüler auf dieser Fläche jedoch nur in den Pausen, denn der Bereich ist mit einer 50-Meter-Laufbahn aus Sportboden-Belag versehen, auf dem es zumindest im Sportunterricht um Rekordzeiten gehen wird. Er besteht aus einem wasserdurchlässigen, fugenlosen Kautschuk-Material (Polytan S), das mit seiner recht glatten, dennoch rutschsicheren Oberfläche (er ist wasserdurchlässig) das Tageslicht ins Gebäudeinnere reflektieren und mit der kräftigen Farbe «Maigrün» einen Akzent zu den ansonsten eher dezenten Baumaterialien Sichtbeton, Holz und Glas setzen soll. Mit diesem Belag sind die Freisportfläche, die überdachte 50-Meter-Laufbahn sowie ein Streifen entlang des Foyers, des Haupteingangs und der Straßenlängsseite versehen, wodurch er eine Art Klammer um das Erdgeschoss formuliert. So enstehen im Gebäude verschiedene Wege und räumliche Zusammenhänge, die das Miteinander von Lehrern und Schülern, aber auch der Schüler untereinander über die Klassenstufen hinweg fördern – und fordern.

Die Dachterrassen sind mit allen Klassen- und Tagesheimräumen direkt verbunden und können auch für den Unterricht genutzt werden. (Bild: The Pk. Odessa Co.)
Leitideen für die räumliche Organisation sind der direkte Außenraumbezug sowie die Schaffung individueller Einheiten für die vier jahrgangsübergreifenden Lerngruppen mit je drei Klassen. (Bild: Florian Holzherr)
Lageplan (Quelle: Hess / Talhof / Kusmierz Architekten und Stadtplaner)
Grundriss Obergeschoss (Quelle: Hess / Talhof / Kusmierz Architekten und Stadtplaner)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Hess / Talhof / Kusmierz Architekten und Stadtplaner)
Grundriss Kellergeschoss (Quelle: Hess / Talhof / Kusmierz Architekten und Stadtplaner)
Entwurfsideen (Quelle: Hess / Talhof / Kusmierz Architekten und Stadtplaner)
Die obere Deckschicht ist zwischen 7 und 10 mm dick und wird aus komplett neu produziertem EPDM-Granulat (Kautschuk) hergestellt. Für die benötigte Dämpfung sorgt die zweite, tragende, 8 bis 13 mm dicke Basisschicht aus recyceltem Gummigranulat. (Bild: Polytan)
Über einen Luftraum mit Treppe ist jedes Lernhaus mit dem Wandelgang im Erdgeschoss verbunden, der die Längserschließung bildet. (Bild: The Pk. Odessa Co.)
Mit seinem abgeschrägten, auskragenden Kopf reagiert der Baukörper im Osten auf die Grundstücksgeometrie und formuliert den Haupteingang an der Helmholzstraße. (Bild: Tomislav Vukosav)
Der Zaun aus rosafarben lasierten Holzpfosten bildet ein die Schule umschließendes und schützendes, städtebauliches Element, das das Amtsmeisterhaus optisch nach außen verlagert. (Bild: Hess / Talhof / Kusmierz Architekten und Stadtplaner)

Projekt
Grundschule am Arnulfpark
München, D

Architektur
Hess Talhof Kusmierz Architekten und Stadtplaner
München, D

Team: Sarah Michels, Veronika Seitz, Bettina Schneck, Stephan Zirngibl

Landschaftsarchitektur
ehemals: Erdmann Kicherer
heute: OK Landschaft, Büro für Landschaftsarchitektur
München, D

Hersteller
Polytan GmbH
Burgheim, D

Kompetenz
Sportboden Polytan S

Bauherr
Landeshauptstadt München
Baureferat, Referat für Bildung und Sport
München, D

Tragwerkspalnung
Christoph Ackermann
München, D

HLS-Planung
Allwärme
München, D

Elektroplanung
Schuster Buchner Schmid
Puchheim, D

Projektsteuerung
Diederichs und Partner
Puchheim, D

Kunst am Bau
Martin Wöhrl
München, D

Wettbewerb
2007, 1. Preis

Auszeichnung
DAM Preis für Architektur in Deutschland 2014
Architekturpreis Beton 2014

Fertigstellung
2012

Fotografie
Florian Holzherr
Philipp Lohöfener
Tomislav Vukosav
The Pk. Odessa Co.

Projektvorschläge
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