Sanierung der Hauptstelle Sparkasse Dieburg zum Passivhaus

Hohe Lebenserwartung

Thomas Geuder
20. September 2016
Die Hauptstelle der Sparkasse Dieburg in Groß-Umstadt wurde von spa. schmidtploecker architekten in Arbeitsgemeinschaft mit Werner Sobek Frankfurt saniert und als Passivhaus ausgelegt. (Bild: Atelier Altenkirch)
Projekt: Sanierung der Hauptstelle Sparkasse Dieburg zum Passivhaus (Groß-Umstadt, DE) | Architektur, städtebauliches Gesamtkonzept: spa. schmidtploecker architekten (Frankfurt, DE) in Arbeitsgemeinschaft mit Werner Sobek (Frankfurt am Main, DE) | Bauherr: Sparkasse Dieburg (Groß-Umstadt, DE) | Hersteller: diverse | vollständige Liste siehe unten

Man muss sie nicht unbedingt mögen, die eher pragmatischen Bürobauten aus den 1960er-Jahren, deren Architektursprache teilweise bis in die 1990er-Jahre zu finden ist. Vielerorts wurden sie von Bauherren wie Planern in städtebauliche Strukturen regelrecht hinein gepflanzt und wirkten dort wie Fremdkörper, die weder Rücksicht auf das bereits Dagewesene nehmen noch zur Aufwertung des Ortes beitragen. Typische Beispiele findet man oft bei Bankgebäuden, deren Bauherren einen ganz besonderen Drang zur Andersartigkeit gehabt haben müssen. Ähnliches fanden die Architekten von spa. schmidtploecker aus Frankfurt vor einigen Jahren in Groß-Umstadt vor, einer Kleinstadt zwischen Darmstadt und Aschaffenburg, deren städtebauliches Umfeld eher kleinteilig und heterogen geprägt ist. Der Gebäudekomplex hier war sogar mehr noch eine Ansammlung von Gebäudeteilen aus mehreren Jahrzehnten, von gründerzeitlichen Resten im Untergeschoss über Teilbauten aus den 1960er- bis zu weiteren Teilen aus den 1980er-Jahren. Dieses Ensemble – immerhin die Hauptstelle der Sparkasse Dieburg – galt es, vollständig zu sanieren und sowohl in Sachen Architektur als auch Technik auf einen zukunftsträchtigen Stand zu bringen. Ziel war, ein Passivhaus zu generieren, inklusive entsprechender DGNB-Zertifizierung.

Die Lösung lag in einer, das gesamte Ensemble umfassenden einheitlichen Fassadengestaltung aus Altenbürger Kalkstein aus dem nächstgelegenen Steinbruch. (Bild: Atelier Altenkirch)

Dass das auch ohne Abriss und Neubau passieren kann, verdanken die Planer nicht zuletzt der weiterverwendbaren Tragstruktur des Bestandes. Für das Sanierungsvorhaben holten sich die Architekten schließlich die Planungskonpetenz von Werner Sobek (Büro Frankfurt) zur Seite und erstellen in Arbeitsgemeinschaft ein Konzept, bei dem sie alle Register innovativer Technik ziehen wollten, die wirtschaftlich vertretbar waren, damit das Haus bei den Verbräuchen und in der Technik die hohen Anforderungen an eine nachhaltige Architektur erfüllt. Um das zu erreichen, haben die Planer eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die bereits bei der Architektur selbst beginnt: «Gute Architektur ist nicht nur nachhaltig, sondern soll auch dauerhaft sein», sagen die Planer, die dem Gebäude neben einem hohen Maß an Nutzungsflexibilität zum Beispiel durch variable Teamarbeitsplätze auch die städtebauliche und gestalterische Qualität im Fokus hatten. So ging es vor allem darum, die einzelnen Gebäudeteile gestalterisch zusammenzufassen und ins Umfeld einzupassen, indem das gesamte Ensemble eine einheitliche Fassade aus lokal bezogenem Naturstein (Altenbürger Kalkstein, gegen das Lager geschnitten) erhielt. Deren plastische Gliederung durch zweigeschossige Joche mit Risaliten wie auch gleichen Fensterformaten und -abständen definiert einen gleichbleibenden Rhythmus über alle Fassadenflächen hinweg. Besonderes Augenmerk mussten die Planer auf die Fensteranschlüsse legen, die nicht nur an die unterschiedlichen Maße des Stahlbetonskeletts angepasst werden mussten. Auch die aufgrund der technischen Auslegung als Passivhaus bis zu 70 cm große Auskragung war eine Herausforderung. Die gesamte Fassade wurde hoch wärmegedämmt ausgeführt, in den Regelbereichen mit Rockwool bis zu 300 mm und in Sonderbereichen mit konstruktiv bedingtem Platz für die Dämmung mit Aeorgel bis zu 80 mm. Ein besonderes Detail: Die Natursteine sind annähernd wärmebrückenfrei montiert, was durch eine Edelstahl-Unterkonstruktion mit Entkopplern ermöglicht wird.

Die gesamte Fassade wurde hoch wärmegedämmt ausgeführt und ist im Gegensatz zum alten Bestand nun annähernd wärmebrückenfrei. (Bild: Atelier Altenkirch)

Zum Passivhaus-konzept gehört auch eine durchdachte Haustechnik, die mit einer Vielzahl von Datenpunkten, Steuerungs- und Controlling-Technik arbeitet: Auf den Dachflächen ist eine PV-Anlage installiert, die in den Büros bis zu 2/3 Strom einspart und die jährlichen Stromkosten um 40 % reduziert. Im Sommer lässt sich das Gebäude per Nachtkühlung abkühlen, die bei einem Temperaturunterschied von innen zu außen von mindestens 4°C aktiviert wird. Dabei können die Mitarbeiter dennoch nach persönlichem Empfinden die Fenster öffnen, den Sonnenschutz verstellen, das Licht oder regulieren. Für eine gleichbleibende Konditionierung der Räume im Hintergrund sorgt eine Lüftungsanlage. «Eine ganzheitliche Sanierung investiert in die Zukunft des Gebäudes, indem sie die laufenden Kosten reduziert und die Lebenserwartung und die Wertigkeit des Gebäudes erhöht», erläutert das Nutzerhandbuch der Sparkasse. So wurde das nach dem Energiestandard für die Modernisierung mit Passivhaus-Komponenten EnerPHit konzipierte Haus als bundesweit erstes Projekt überhaupt nach dem DGNB Zertifikat in Gold für Bestandsbauten und Sanierungen versehen und außerdem mit dem DMK Award für Nachhaltiges Bauen ausgezeichnet.

Die Verwendung von möglichst vielen Baustoffen aus regionaler Herstellung und Verarbeitung verbesserten auch die CO2-Bilanz erheblich im Vergleich zu herkömmlicher Bauweise ohne entsprechendes Monitoring. (Bild: Atelier Altenkirch)
Lageplan (Quelle: spa. schmidtploecker architekten)
Grundriss Regelgeschoss (Quelle: spa. schmidtploecker architekten)
Grundriss Eingangsgeschoss (Quelle: spa. schmidtploecker architekten)
Fassadendetail und -ansicht (Quelle: spa. schmidtploecker architekten)
Die Oberflächen wurden geschliffen und kanneliert ausgeführt. Material, Verarbeitung und Oberflächenbehandlung sollen so die Langlebigkeit der Fassade garantieren. (Bild: Atelier Altenkirch)
In enger Abstimmung mit den einzelnen Nutzergruppen wurde die Bürostruktur aus Einzelarbeitsplätzen zum Teil zugunsten einer variablen Teamarbeitsplatzstruktur verändert. (Bild: Atelier Altenkirch)
Das Kundenfoyer gibt sich nach der Sanierung großzügig, natürlich immer wieder mit den Corporate-Identity-Farben der Sparkasse. (Bild: Atelier Altenkirch)
Vorher bestand das Ensemble aus einzelnen Gebäudteilen aus unterschiedlichen Jahrzehnten mit entsprechender Architektursprache. (Bild: Atelier Altenkirch)
Durch die Auslegung des Gebäudes als Passivhaus konnten die haustechnischen Versorgungssysteme effizient und moderat bemessen werden, wodurch die Lebenszykluskosten nachweislich reduziert werden können. (Bild: Atelier Altenkirch)
Projekt
Sanierung der Hauptstelle Sparkasse Dieburg zum Passivhaus
Groß-Umstadt, DE

Entwurf, Planung, Vergabe, Bauleitung, städtebauliches Gesamtkonzept
spa. schmidtploecker architekten
Christian Schmidt, Markus Plöcker
Frankfurt, DE

in Arbeitsgemeinschaft mit
Werner Sobek
Frankfurt am Main, DE

Hersteller und Kompetenzen
Naturstein: Zeidler und Wimmel Natursteinwerke, Altenbürger Kalkstein
Dämmung: Rockwool + Aerogel
Fenster: Maßanfertigung als Zertifiziertes Passivhausfenster unter Verwendung von Holz-Aluminium Hybridsystem mit Öffnungsbegrenzung, System Fa. Batimet TA35 SE FV
Fensterbeschläge: FSB, Typ 1023 (Max Bill)
Sonnenschutz außen: Warema, Lamellenraffstore

Bauherr
Sparkasse Dieburg
Groß-Umstadt, DE

Wettbewerb
2012, 1. Platz

Fertigstellung
2015

Fotografie
Atelier Altenkirch
spa. schmidtploecker architekten
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