Erweiterung eines Wohnhauses in Beckum

Komplett verkleidet

Thomas Geuder
4. November 2015
Ein kleines Wohnhaus in Beckum, etwa 15 Jahre alt, mit Kalksandstein-Fassade und schwarzem Ziegeldach, sollte um einen Anbau nicht im bestehenden Stil vergrößert werden. (Bild: Croce & Wir / Prefa)

Projekt: Erweiterung eines Wohnhauses (Beckum, D) | Architektur: Grüttner Architekten (Soest, D) | Bauherr: privat | Hersteller: PREFA GmbH (Wasungen, D), Kompetenz: Aluminiumverbundplatte

Dem Kalksandstein wird – das darf einmal gesagt werden – eigentlich Unrecht getan. Denn eigentlich ist Kalksandstein ein gutes Material, dessen Herstellung nur geringe Ressourcen verbraucht, wenig Energie benötigt und sehr gute Schallschut- sowie baubiologische Eigenschaften besitzt. Kalksandstein kann sogar ohne zusätzliche Beschichtungsmaßnahmen als Außenwandmaterial verwendet werden. Dass das heutzutage nur selten getan wird, liegt vermutlich vor allem daran, dass in den 1980er- und 90er-Jahren vielerorts schick war, die hellgrauen Steine mit dunkelgrauem Mörtel zu verbauen. Je nachdem ergab das dann ein Gefängnisgitter, worüber auch ein an sich schöner Mauerwerksverband nicht hinweg täuschen konnte. Man fragt sich: Hätte man das nicht schöner lösen können?

Was von derartiger Fassadenarchitektur bleibt, ist allem voran die Prägnanz und Präsenz, die solche Häuser ihrem Umfeld aufzwingen. Dem kann man im Prinzip nur noch viel natürliches Grün oder sonstige Farbe entgegensetzen, bevor es einen fröstelt. Umso anspruchsvoller war für die Planer von Grüttner Architekten aus Soest die Aufgabe, einem so gestalteten Wohnhaus in Beckum – gelegen im Dreieck zwischen Dortmund, Münster und, ja, Bielefeld – mit einem Anbau zu versehen. Nicht nur wegen der architektonisch nicht ganz einfachen Materialität des Bestandsbaus, sondern auch wegen dessen höchst „normaler“ Formensprache, einem 1 ½ Geschosse hohen Bau mit leicht vorgelagerter Gaube über zwei Geschosse an beiden Längsseiten, das Dach passend in schwarzem Ziegel. Der Bauherr war gottlob recht offen für Neues und ist mit den Architekten einen Weg gegangen, den sich viele vermutlich nicht zu gehen getraut hätten.

Mit seiner ungewohnten Architektursprache setzt der Anbau in der gutbürgerlichen Nachbarschaft der 37.000 Einwohner Gemeinde einen Akzent. (Bild: Croce & Wir / Prefa)

Entstanden ist eine Flächenerweiterung von rund 60 m², verteilt auf beide Stockwerke, im Erdgeschoss eine Erweiterung der Wohnfläche, im Obergeschoss als neues Elternschlafzimmer mit Loggia. Der Baukörper schließt direkt an den Bestand an und nimmt dessen Grundzüge auf, sprich: Er nimmt die Satteldachform des bestehenden Satteldachs auf, entwickelt dann aber eine eigene Formensprache. Im Erdgeschoss zur Straßenseite hin kippt die Wand wieder nach innen und wird lediglich geschnitten von einem schmalen, hohen Fenster. An der Gartenseite läuft die durch die Dachschräge aufgenommene Kante einfach weiter und bildet so eine Art umschließenden Arm als Abschluss. Hier befinden sich im Erdgeschoss eine großzügige Terrasse sowie die Loggia im Obergeschoss.

Die Gartenseite ist öffnet sich großzügig mit Terrasse bzw. Loggia und bildet durch die im Winkel des Dachs weiterlaufende Wand einen räumlichen Abschluss. (Bild: Croce & Wir / Prefa)

Die Gestalt prägende Idee liegt in der Außenhaut: Der gesamte Baukörper sollte das gleiche Material aufweisen, sodass die klassische Trennung von Wand und Dach nicht mehr stattfindet. Stattdessen ist der gesamte Baukörper mit metallisch glänzenden, bronzefarbenen Aluminiumverbundplatten (Prefa) überzogen. Das ist durchaus als Antwort auf den Bestandsbau zu sehen, ebenso wie die Anordnung der Platten wie ein mittlerer Läuferverband. Trickreich war bei dieser Idee einer Gebäudehaut die Gestaltung der Fugen, die exakt geplant werden mussten, damit dieser Effekt an jeder Ecke aufgeht, vor allem Übergang von Wand zu Dach. An verschiedenen Stellen wie etwa an Leibungen, Stürzen oder Fensterbänken konnte die 4 mm dicke Platte außerdem auf der Rückseite eingefräst und umgeknickt werden. „Knifflig“, so Bernd Grüttner, „waren die konstruktiven Details an der Traufe, also dort, wo die Wand in das Dach übergeht. Da gab es kein Standardteil von Prefa. Wir haben das mit dem Handwerker planerisch entwickelt und vor Ort noch einmal überarbeitet.“ Um die durchgehende Gebäudehaut nicht unnötig zu unterbrechen wurden sogar die Dachrinnen samt Fallrohre in der Konstruktion versteckt. So ist in Beckum ein Anbau entstanden, der auf den ersten Blick zwar ungewöhnlich, architektonisch dennoch folgerichtig mit dem Bestand umgeht.

Die Idee eines Gebäudes, das von einer zusammenhängenden Dachhaut ummantelt ist, führt auch dazu, dass es keine Dachüberstände an dem Übergängen zur Wand gibt. (Bild: Croce & Wir / Prefa)
Grundriss Obergeschoss (Quelle: Grüttner Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Grüttner Architekten)
Details (Quelle: Grüttner Architekten)
Die Aluminiumverbundplatte besteht aus bandbeschichtetem Aluminium als Vorder- und Rückseite mit einem FR-Kern (fire retardant = schwer entflammbar). An ihrer Oberfläche sind die 7,5 kg/m² leichten Platten mit einer Zweischicht-Einbrennlackierung aus Polymerharz versehen. (Bild: Prefa)
Der Anbau nimmt den formalen Charakter des bestenden Bauss auf, entwickelt dann aber einen ganz eigenständigen Baukörper. (Bild: Croce & Wir / Prefa)

Projekt
Erweiterung eines Wohnhauses
Beckum, D

Architektur
Grüttner Architekten
Soest, D

Hersteller
PREFA GmbH
Wasungen, D

Kompetenz
Aluminiumverbundplatte

Bauherr
privat

Fertigstellung
2014

Fotografie
Croce & Wir / Prefa
 


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