East Side Lofts in Frankfurt am Main

Zeitgenössisch weiterinterpretiert

Thomas Geuder
24. Mai 2016
Nur etwa 10 Minuten von der Europäischen Zentralbank entfernt sind die East Side Lofts entstanden, ein Haus aus zwei Teilen – einem neuen und einem gut 100 Jahre alten. (Bild: Jean-Luc Valentin)

Projekt: East Side Lofts (Frankfurt am Main, DE) | Architektur: 1100 Architekten Riehm+Piscuskas BDA (Frankfurt am Main, DE) | Bauherr: DOMIZIL Immobilien- und Facility Management GmbH (Brühl, DE) | Hersteller: Eternit Aktiengesellschaft (Heidelberg, DE), Kompetenz: Fassadentafeln Equitone Natura Pro, Dachplatte in Linumdeckung

Frankfurts Stadtteil Ostend entwickelt sich seit einigen Jahren prächtig und ist dabei, ein angenehm heterogenes Viertel zu werden. Neben den zahlreichen Autohäusern entlang der zentralen Achse des Osthafens «Hanauer Landstraße» finden sich hier manche Kreativ-Unternehmen, einige Clubs, Restaurants und Bars laden wiederum zum Ausgehen. Auch Hochschulen und Akademien sowie Hotels und Museen finden sich hier ein. Nicht zuletzt soll neben dem Hafenpark außerdem das «Honselldreieck» entstehen, mit über 650 Wohnungen, Büro- und Gewerbeeinheiten. In dieser von Industrie und Wirtschaft geprägten Umgebung steht seit 1913 ein neoklassizistischer Bau, der damals als Spinnerei der Firma Lecoryt erreichtet wurde, wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs jedoch nie wirklich fertiggestellt werden konnte. Zu Kriegszeiten diente er als Krankenhaus, später dann als Arbeiterwohnheim. Jetzt, über 100 Jahre später, konnte er von 1100 Architekten (ebenfalls aus Frankfurt) vervollständigt werden. Die Bauaufgabe bestand also eigentlich aus zwei Teilen: der Sanierung und Renovierung des alten Gebäudes sowie der baulichen Weiterführung als Neubau in moderner Technik und Architektur.

Der Charakter des Bestandsgebäudes wurde bei der Sanierung beibehalten und historische Details wie Säulen, Balkenkonstruktionen und Fußböden originalgetreu aufgearbeitet. (Bild: Jean-Luc Valentin)

1100 Architekten wählten den Weg, einen zum Bestandsbau formal gänzlich unterschiedlichen Anbau zu entwickeln, der zumindest auf den ersten Blick nicht viel mit seinem Vorbild zu tun hat. Im Gegenteil sogar: Die Architekten scheinen mit dem Neu- bzw. Anbau den Bruch sogar bewusst zu suchen, um nicht in die Falle des schlechten Kopierens zu tappen. Dass das natürlich nur die halbe Wahrheit ist, fällt beim zweiten Blick auf: Um trotz aller vordergründigen Gegensätzlichkeit ein einheitliches Ganzes zu schaffen, haben die Planer vor allem an der Fassade architektonische Grundelemente weitergeführt, wie etwa den Rhythmus und die Proportionen. Auch die Geschosshöhen wurden übernommen und das die Gebäudekubatur weitestgehend angepasst. So nimmt der Neubau Grundzüge des Altbaus auf, ohne ihn nachzuahmen, und übersetzt sie in eine moderne Architektursprache.

Die Faltung wurde spielerisch entwickelt und soll die Reflexionen von Licht und Geräuschen in der Stadt berücksichtigen. (Bild: Jean-Luc Valentin)

Bei der Fassade ließen sich die Architekten vom historischen Mansardendach inspirieren. Sie ist dreidimensional, fast skulptural gefaltet, entlang des Osthafenplatzes noch dem regelmäßigen Rhythmus des historischen Nachbarn folgend, um die Ecke an der Lindleystraße dann mit gestalterisch freier gesetzten Fensteröffnungen. Sie variieren in Form und Größe und ermöglichen eine individuelle Grundrissgestaltung. Die Idee der Faltung wird durch die Fassadenverkleidung noch verstärkt: Faserzementplatten (Equitone Natura Pro, Eternit) sind entsprechend der Fassadenkanten zugeschnitten, zwei unterschiedliche Grautöne und ein feinliniges Fugenbild erzeugen eine zusätzliche Tiefenstaffelung, sodass sich das Gebäude je nach Blickwinkel und Tageszeit in unterschiedlichen Nuancen zeigt. Auf dem Dach wird diese Gebäudehaut weitergeführt, allerdings mittels entsprechender Dachplatten (Linum, Eternit), jedoch in den gleichen Farben wie die Fassade. Einen Kontrapunkt zum Grau bilden die breiten, gelben Fensterlaibungen aus Aluminium. Durch sie möchten die Architekten nicht zuletzt die Kastenfenster hervorheben, die entwickelt wurden, um die strengen Richtlinien zu erfüllen, die sich aus den hohen Lärmschutzmaßnahmen erben, denn das Gebäude liegt nahe des industriell genutzten Osthafen-Teils. So vermitteln die Architekten mit ihrem Neubau den heterogenen Charakter des Ortes aus historischem Wohnbau-Bestand, industriellen Bauten und zeitgenössischen wie modernen Bauten – und schaffen ein Bauwerk mit eigenständigen Qualitäten.

Entlang des Osthafenplatzes führen die Fensteröffnungen noch den regelmäßigen Rhythmus des historischen Gebäudes fort. (Bild: Jean-Luc Valentin)
Lageplan (Quelle: 1100 Architekten)
Grundriss 6. Obergeschoss (Quelle: 1100 Architekten)
Grundriss 5. Obergeschoss (Quelle: 1100 Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: 1100 Architekten)
Axonometrie und Detail Fassadenschnitt (Quelle: 1100 Architekten)
Nachhaltigkeitsplanung (Quelle: 1100 Architekten)
Die 81 Loftwohnungen und 13 Gewerbeeinheiten, direkt am Osthafenplatz gelegen, sollen zur dynamischen Durchmischung des Viertels beitragen. (Bild: Jean-Luc Valentin)
Die skulptural gefaltete Fassade, die 1100 Architekten durchgehend über die Straßenfassaden und das Dach gezogen haben, ist inspiriert von dem historischen Mansardendach. (Bild: Jean-Luc Valentin)

Projekt
East Side Lofts
Frankfurt am Main, DE

Architektur
1100 Architekten Riehm+Piscuskas BDA
Frankfurt am Main, DE

Hersteller
Eternit Aktiengesellschaft
Heidelberg, DE

Kompetenz
Fassadentafeln Equitone Natura Pro
Dachplatte in Linumdeckung

Bauherr
DOMIZIL Immobilien- und Facility Management GmbH
Brühl, DE

Ausführung Fassade
Popiolek Fassaden GmbH
Bad Homburg v.d. Höhe, DE

Fertigstellung
2015

Fotografie
Jean-Luc Valentin


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