Erweiterungsbau Kunstmuseum Basel

Zeitlos zeitgenössisch

Thomas Geuder
28. Juni 2016
Der Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel besetzt in der Basler Innenstadt eine prominente Stelle neu. (Bild: Derek Li Wan Po)

Projekt: Kunstmuseum Basel (Basel, CH) | Architektur: Christ & Gantenbein Architekten (Basel, CH) | Entwicklung Lichtfries: Architekten zusammen mit iart ag (Basel, CH) | Bauherr: Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt, Städtebau & Architektur, Hochbauamt (Basel, CH) | Hersteller: Multivision LED-Systeme GmbH (Marchtrenk, AT), Kompetenz: LED-Technologie

Die Kunstsammlung im Basler Kunstmuseum besitzt bereits eine lange Historie, die in Teilen sogar bis ins 16. Jahrhundert zurück reicht. Architektonisch betrachtet beginnt für die Sammlung im Jahr 1936 ein neues Zeitalter, als nämlich ein eigens für die öffentliche Sammlung errichteter Bau am St. Alban Graben bezogen werden könnte. Erbaut wurde das Haus von den Architekten Rudolf Christ und Paul Bonatz im – damals teils recht beliebten – neoklassizistischen Stil, durch Paul Bonatz sehr dem als Gegenmodell zur noch jungen Bauhaus-Moderne verstandenen Traditionalismus verbunden. Entsprechend klassisch symmetrisch sind die Fassade und der Grundriss aufgebaut. Der bedeutenden Kunst sollte so ein gebührender Rahmen geschaffen werden, denn das Kunstmuseum war zunächst vor allem als Sammlungshaus gedacht. Erst seit den 1980er-Jahren fanden immer häufiger Sonderausstellungen statt, was im neuen Jahrtausend auch dazu führte, dass die Sammlungsbestände teilweise ins Depot verbannt werden mussten. Die Zeiten änderten sich im Kunstmuseum, und so wurde im Januar 2009 schließlich beschlossen, ein neues Haus als Ergänzung des bestehenden zu bauen. Den entsprechenden Wettbewerb konnten die Architekten Christ & Gantenbein aus Basel im März 2010 schließlich für sich entscheiden. Ihr Ansinnen war, mit ihrem Neubau ein Zeichen des Aufbruchs sowie der Kontinuität zugleich zu setzen. So verstanden sie die neue bauliche Situation nicht im Nebeneinander zweier völlig unterschiedlicher Bauten, sondern in der Verbindung: Das neue, erweiterte Museum sollte aus zwei Häusern bestehen, die zusammen eine gemeinsame Erscheinung im Stadtraum bilden. Beide Häuser gehen eine direkte räumliche Beziehung zueinander ein, auf Augenhöhe, mit gleichen Traufhöhen, formal wie materiell aufeinander abgestimmt. Der Erweiterungsbau sollte ein zukunftsgerichtetes, zeitgenössisches Gebäude sein, das zwar dieselbe Sprache spricht wie der Hauptbau, die Geschichte jedoch weiter erzählt.

Das neue, erweiternde Museum besteht aus zwei Häusern, die zukünftig zusammen ein Ensemble im Stadtraum bilden. (Bild: Derek Li Wan Po)

Gelungen ist ihnen das über das Aufnehmen bestimmter städtebaulicher wie gestalterischer Linien sowie der Wirkung der Materialitäten. Ähnlich wie die Fassade des Hauptbaus deutet auch die Neubaufassade eine klassische Gliederung von Sockel, Körper und Abschluss an, sichtbar gemacht über die unterschiedlich hellen Grautöne des Backsteins. Die Betonung des Horizontalen beim Hauptbau bildet sich beim Neubau als feines Relief auf der Fassade ab, das durch die nur vier Zentimeter hohen, hellen Backsteine durch Schattenwurf erzeugt wird. Auch das Thema des Frieses wird auf der Fassade zeitgenössisch interpretiert: Auf einer Höhe von zwölf Metern umzieht ein drei Meter hoher Fries das Gebäude, dessen schmale Fugen ein feines Relief bilden. Das Besondere daran: Quasi in den Fugen zwischen den Steinen sind von der Straße aus weiße LEDs nicht sichtbar eingelegt, die jeweils eine Hohlkehle am darüber liegenden Stein anstrahlen. Der Effekt: Durch die Reflexion am hellen Friesstein lässt sich ein indirektes, diffuses Licht erzeugen, dessen Intensität den Umgebungsverhältnissen angepasst werden und das so den Schatten im Prinzip «wegleuchten» kann. Dieser Lichtfries erstreckt sich über sieben Fassadensegmente, ist insgesamt 115 Meter lang und besteht aus 40 horizontalen Fugen à 1306 Pixel, was schlussendlich einer Gesamtauflösung von 1306 x 40 Pixeln entspricht. Die einzelnen LEDs sind mit einem Abstand von 22 mm angeordnet, wobei jeweils vier nebeneinanderliegende LEDs einen Pixel bilden. So kann dieser Lichtfries zur Darstellung von Text- und Formelementen – etwa wenn es um die Ankündigung von Ausstellungen geht – oder schlicht zur freien Fassadenbespielung genutzt werden. Die archaisch anmutende Mauer erhält wie von Geisterhand ein Schattenspiel, das weit in den Stadtraum hinaus strahlt und diesen aktiv beeinflusst.

Der Lichtfries soll das Stilelement Fries technologisch wie ästhetisch ins digitale Zeitalter überführen. (Bild: Derek Li Wan Po)

Im Innenraum schließlich haben Christ & Gantenbein Architekten – Rudolf Christ war übrigens der Großonkel von Emanuel Christ – ebenfalls eine zeitgenössisch interpretierende Antwort auf den Hauptbau gefunden. Schlichte, sich zurücknehmende Raumformen gehen hier mit Materialien zusammen, die zwar ziemlich unterschiedlich sind, von ihrer Anmutung aber erstaunlich gut zusammen passen. Das Archaische der Fassade setzt sich fort, nur wenige Materialien herrschen vor. Das Grundgerüst bilden Beton, Marmor und feuerverzinkter Stahl, deren Oberflächenoptiken eine Einheit bilden. Den Unter- bzw. Hintergrund für die Kunstwerke bildet eine massive, zehn Zentimeter starke Gipswand. Der Boden in den Ausstellungsräumen ist ein Eichenboden in Form als Klebeparkett, bei dem die Eichenbretter vollflächig verklebt und untereinander mit einem Holzzementmörtel auffällig verfugt sind. Die Architektur hat hier eine starke physische Präsenz, ohne jedoch selbst ein Kunstwerk sein zu wollen. So tut der Erweitungsbau des Kunstmuseums Basel das, was ein Museumsbau am besten tun sollte: Er bildet einen markanten, repräsentativen Rahmen für die hochwertigen Sonderausstellungen und die Veranstaltungen. Und der Hauptbau kann sich nun der Bestimmung widmen, die er schon früher innehatte: ein Haus, in dem die wertvolle Sammlung aus gut drei Jahrhunderten Sammelleidenschaft gezeigt werden kann.

Eine zentrale, monumentale Treppenanlage verbindet die Geschosse, in denen sich jeweils zwei Ausstellungstrakte befinden. (Bild: Stefano Graziani)
Der Boden in den Ausstellungsräumen ist ein Eichenboden in Form eines Klebeparketts mit Holzzementmörtel verfugt. (Bild: Stefano Graziani)
Lageplan (Quelle: Christ & Gantenbein)
Grundriss 1. Obergeschoss (Quelle: Christ & Gantenbein)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Christ & Gantenbein)
Grundriss Untergeschoss (Quelle: Christ & Gantenbein)
Tagsüber entspricht die Helligkeit derjenigen des Außenraums, bei abnehmendem Licht nimmt die Strahlkraft zu. (Bild: Derek Li Wan Po)
Detail Verkabelung (Quelle: iart)
Detail Lichtfries (Quelle: iart)
In den Fugen sind weiße LEDs verlegt, die Hohlkehlen darüber ausleuchten und so ein indirektes, diffuses Licht erzeugen. (Bild: MultiVision)

Sehenswert: Lichtfries - Neubau Kunstmuseum Basel (iart, 3:00 min.)

Projekt
Kunstmuseum Basel
Basel, CH

Architektur
Christ & Gantenbein Architekten ETH DIA BSA
Basel, CH

Entwicklung Lichtfries
Architekten zusammen mit
iart ag
Basel, CH

Hersteller
Multivision LED-Systeme GmbH
Marchtrenk, AT

Kompetenz
LED-Technologie

Bauherr
Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt, Städtebau & Architektur, Hochbauamt
Basel, CH

Eigentümer
Einwohnergemeinde der Stadt Basel, Immobilien Basel-Stadt
Basel, CH

Nutzer
Präsidialdepartement Basel-Stadt, Kunstmuseum Basel
Basel, CH

Generalplaner
ARGE Generalplaner KME Basel, Christ & Gantenbein AG / Peter Stocker AG

Ausführung
Peter Stocker AG Baumanagement
Frick, CH

Bauleitung
FS Architekten GmbH
Magden, CH

Bauingenieur
ZPF Ingenieure AG
Basel, CH

HLKKSE-Koordination
Stokar + Partner AG
Basel, CH

Typographie
Ludovic Balland
Basel, CH

Geschossfläche
11.481 m²

Gebäudevolumen
64.621 m³

Wettbewerb
2010

Baubeginn
Oktober 2012

Fertigstellung
2016

Fotografie
Stefano Graziani
Derek Li Wan Po


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