Es grünt so grün

Mit dem Neubau des Freiherr-vom-Stein-Gymnasium ist ein Stück Schullandschaft der Stadt Münster dort hin gezogen, wo die Stadt am stärksten wächst, im vor 50 Jahren begonnenen westlichen Stadtteil Gievenbeck, der in absehbarer Zeit auf 20.000 Einwohner anwachsen wird.
Als kubische Großform setzt der dreigeschossige Bau hier einen erfrischenden Kontrapunkt. Während ringsum noch die letzte Runde der Eigenheimzulage einen amorphen Neubauteppich wachsen lässt, wo Reste von Bauernhöfen vom Siedlungsbrei umspült werden, ist „das Stein“ wie ein Felsen gelandet.

Um den zentralen Innenhof, der sich als zentraler Zugang erdgeschossig unter nach innen verglasten Klassenfluren zur Straßenseite öffnet, gruppieren sich vier Gebäuderiegel unterschiedlicher Tiefe. Die zweigeschossige Aula auf der rechten Seite wird von Fachräumen eingefasst. Gegenüber dem Zugang befindet sich die Mensa, darüber Zweibund-Unterrichtsflure. Nach links ist dem Riegel mit Lehrerzimmer und Verwaltung aufgeständert und erweitert den Freiraum zur großzügigen Freitreppe, die den Zuschauerbereich der Vierfachturnhalle erschließt. Umzäunte Sportflächen führen die Anlage als Freiraum fort.

Die Gesamtkomposition ist logisch nachvollziehbar. Die funktionalen Zuordnungen sind von schulmeisterlicher Konsequenz, ebenso die Ausarbeitung. In den Fluren wechseln sich in gefälliger Art Ahornfurnier und Sichtbetonfertigteile ab, in die plastisch Text aus den verschiedenen Lehrbereichen eingelassen ist. In jeder Tafel ist ein anderer Ausspruch, eine andere Formel, ein anderes Faktum weiß hervorgehoben. Man versteht das System, durchschaut das Spiel. Es ist ein klarer Kanon an Details, ein Material-, ein Farbkanon aus dem die Schule aufgebaut ist.
Und der Farbkanon ist grün. Grün auf den verputzen Fassadenflächen, grün auf den Blechblenden, grün an den Lüftungsflügeln durch die man vergittert nach draußen blickt. Sportfläche und Einzäunung sind grün. Und natürlich versteht man diese Farbe, ihren farbpsychologischen Optimismus, ihren Komplementärkontrast zu den stupiden roten Ziegelhäuschen, und den Bezug auf die verschwundene Landschaft.
An einigen Stellen sind schöne Sichtbezüge zu erleben, gerade aus und in die Aula, während sie an anderer Stelle bitter fehlen, etwa in den zum Teil nur künstlich belichteten Fluren, die wie der Gesamtbau an Schulbauten der 70er Jahre erinnert. Klar in der ganzen Funktionalität aber gleichzeitig von einer ermüdenden Didaktik. Man vermisst Akzentsetzungen und überraschende Momente.
Das auf den ersten Blick Sympathische, von der Umgebung unbeeindruckt Klarheit zu zeigen, zeigt sich letztlich auch als Unbeweglichkeit. Nach Bautypus, kubischer Großform, Farbgebung, Formsprache und selbst der städtebaulichen Situation drängt sich ein Vergleich mit dem ein Jahr früher von Grüntuch/Ernst in Dallgow-Döberitz fertig gestellten Marie Curie-Gymnasium auf, das die Aufgabe differenzierter löst. Die Klarheit zu formulieren muss nicht heißen, auf Reichtum an Außen- und Innenraumfolgen zu verzichten.
Jan Rinke