Lernhauskonzept

Auer Weber
28. March 2018
Die Grundschule in der Dämmerung: Vom zweigeschossigen Klassentrakt blickt man im Osten auf das Dach der Sporthalle sowie auf den Schulhof. Während die Pausenhöfe eindeutig den jeweiligen Schulformen und -häusern zugeordnet sind, wird die Pausenhalle hingegen von Realschule, Grundschule und Sporthalle gemeinsam genutzt. (Foto: Aldo Amoretti)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Ursprünglich war lediglich die Sanierung und teilweise Neuordnung einer bestehenden Schulanlage vorgesehen, einem Bestandsgebäude aus dem Jahr 1911, zweier Anbauten aus den Dreißiger- und Sechzigerjahren und provisorischen Pavillons. Wir erkannten aber schnell, dass insbesondere in den sparsam dimensionierten Bestandsbauten der gewünschte offene, auf dem Münchner Lernhauskonzept basierende Schultypus nicht zu verwirklichen war, den sich die Bauherrschaft wünschte. Darum entschied man sich gemeinschaftlich für den Abbruch aller Bestandsgebäude mit Ausnahme des Hauptbaus von 1911. Dieser wurde in ein neues Ensemble eingebunden, bei dem die Realschule, die Grundschule und die Sporthalle zu beiden Seiten eines verbindenden Foyers angelagert werden und geschützte, zur Landschaft orientierte Pausenhöfe einfassen. 
Horizontale Bänder aus pigmentiertem Sichtbeton prägen die äußere Erscheinung der neuen Schule und werden zum verbindenden Gestaltungselement über alle Gebäude hinweg. Sie gehen kontinuierlich ineinander über, mal als Fluchtbalkone, mal als Dachkanten, mal als fassadenbündige Gesimsbänder und symbolisieren nicht zuletzt durch die einheitliche, am Bestandsgebäude orientierte Farbgebung die funktionale und ideelle Einheit der neuen Schule.

Markantes Wesensmerkmal des Ensembles sind die alle Gebäudeteile umlaufenden eingefärbten Betonbänder; in der Grundschule sind sie als auskragende „Fluchtbalkone“ ausgebildet, an den Dachrändern der Pausenhallen sowie der Sporthalle hingegen als Vordächer, und in der zukünftigen Realschule als Gesimse. (Foto: Aldo Amoretti)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde? Wie reagiert der Entwurf auf den Ort? 

Die Bestandsbauten der Real- und Grundschule waren geprägt durch ein heterogenes Gefüge aus Bauteilen mit mehr oder weniger bauhistorischem Wert aus unterschiedlichen Entstehungszeiten.
Die vorgefundene Struktur alternierender Höfe wurde im Entwurf beibehalten und durch neue Gebäudeteile weitergeführt.
Das Ursprungsgebäude von 1911 ist dabei integraler Bestandteil des Ensembles und bewahrt im Zusammenspiel mit der gegenüberliegenden Kirche Leiden Christi das bekannte Erscheinungsbild und damit die Identität des Ortes.

Die große lichtdurchflutete Freitreppe erschließt die zentrale Galerie der Grundschule und bietet zusätzlichen Platz für das interne Schulleben. Die akustisch wirksame Eichenholz-Bekleidung sorgt für ein warmes Raumgefühl. (Foto: Aldo Amoretti)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Infolge des Wandels des schulpädagogischen Konzepts und den damit verbundenen Konsequenzen für das Raumprogramm ergaben sich neue besondere Organisationsformen für die Unterrichtsbereiche („Lernhäuser“). Darüber hinaus erforderte die Umstellung der Schulen von Halbtags- auf Ganztagsunterricht höherer räumliche Qualität (Aufenthaltsqualität) mit entsprechend erweitertem Flächenbedarf. Ferner mussten räumliche Voraussetzungen für die Mittagsversorgung (Mensa) geschaffen werden. Gegenüber den ursprünglich definierten Vorgaben des Raumprogramms ergab sich ein Flächen-Mehrbedarf von 5500 m² (BGF).

Hochformatige, schlanke Lüftungsflügel, als geschlossene Paneele mit beidseitiger farbiger Beschichtung, lockern in freier Anordnung die Fassaden in den Obergeschossen auf. Außenliegende, textile Rollos in neutraler Farbgebung schützen die Schüler vor der Sonne. (Foto: Aldo Amoretti)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Wesentliche Änderungen ergaben sich vor allem durch den enormen zusätzlichen Flächenbedarf (+ 5.500 m² BGF), der mit einer spürbaren Zunahme der Gebäudekubatur einherging. Nur durch Abbruch der Bestandsbauten – mit Ausnahme des Ursprungsbaus von 1911 – konnte das erweiterte Raumprogramm durch neu organisierte Gebäudeteile realisiert werden.
Die ursprünglich vorgeschlagene Farbkonzeption der Fassaden wurde vom Baureferat abgelehnt. Anstatt rot eingefärbter, horizontaler Sichtbetonbänder kamen sandfarbene Betonfertigteile – in Anlehnung an die Farbgebung der Putzfassade des Bestandsgebäudes – zur Ausführung.
In den Obergeschossen setzen opake, in variierenden Rottönen beschichtete Öffnungselemente Farbakzente. Von einer dunkleren Farbgebung der Pfosten-Riegel-Fassaden, die sich deutlich von den hellen Betonfertigteilen absetzt, konnte das Baureferat nicht überzeugt werden.

Die Sporthalle mit Nebenräumen ist um ein Geschoss unter das Pausenhofniveau abgesenkt; ihre von Außen sichtbare Höhe ist so der Pausenhalle gleich und trägt dazu bei, die Großzügigkeit der Außenräume zu erhalten. Das Eingangsfoyer kann von den Schulen und den Sportlern unabhängig erschlossen werden. Farbgebung, Materialität und Kunstinstallation der Sporthalle entsprechen der Grundschule. (Foto: Aldo Amoretti)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die energiewirtschaftlichen Vorgaben des Baureferats sowie der Bauleitfaden für Hochbauprojekte der Landeshauptstadt München waren Maßgabe für die Planung.

Sporthalle – Boulderwand mit EPDM-Fallschutzbelag (Foto: Aldo Amoretti)
Lageplan (Zeichnung: Auer Weber)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Auer Weber)
Grundschule und Sporthalle an der Grandlstraße
2017
Grandlstraße 5
81247 München

Nutzung
4-zügige Grundschule mit Lernhaus- Konzept und Dreifachsporthalle

Auftragsart
​Verhandlungsverfahren; Gegenstand des Auftrages sind die Architektenleistungen Gebäudeplanung entsprechend HOAI 2009, § 33, Leistungsphasen 2-9.

Bauherrschaft
Landeshauptstadt München, Referat für Bildung und Sport, vertreten durch Baureferat Hochbau 51

Architektur
Auer Weber, München
Peter Hofmann (Projektleiter)
​beteiligte MitarbeiterInnen: Katharina Graf, Maximilian Kneucker, Anita Lang, Prof. Stefan Niese, Nina Peña, Thomas Rückert, Friedemann Runkel, Michael Schnaubelt, Uta Steinhoff, Henning Wensch

Fachplaner
Freianlagen: Keller Damm Kollegen GmbH Landschaftsarchitekten Stadtplaner, München
Tragwerksplanung: Mayr | Ludescher | Partner, München
Projektsteuerung: DU Diederichs & Partner GmbH, Puchheim
Technische Gebäudeausrüstung: Duschl Ingenieure GmbH & Co. KG, Rosenheim; Ingenieurbüro Knab GmbH, München
Brandschutz: Kersken + Kirchner GmbH, München
Bauphysik und Akustik: ACCON GmbH, Greifenberg
Fachklassen: Planungsbüro E. Jankowsky, Emmering
Küchenplanung: Ingenieurbüro Regina Hampich & Partner GbR, Augsburg

Kunst am Bau
Lucia Dellefant, München-Pasing
installierte Astrid-Lindgren-Zitate: „wir machen uns die Welt wie sie uns gefällt“

Ausführende Firmen
Baumeister: Hinteregger & Söhne Baugesellschaft mbH, Salzburg
Dachabdichtung: Rudolf Schweiger Abdichtung und Isolierbau-GmbH & Co. KG, Gräfelfing
Fassade: Seufert-Niklaus GmbH, Bastheim
Stahlbau Dach Sporthalle: Albrecht & Jäcker Nachf. GmbH & Co. KG, Wahrenbrück
Sichtbeton-Fertigteile: Hemmerlein Ingenieurbau GmbH, Bodenwöhr
Trockenbau: Gruber Innenausbau-Holzbau GmbH, Rötz/Bernried
Estrich: DK-Bau GmbH, Barbing
Terrazzo: Hubert Pupeter GmbH, Aichach
Linoleum, Parkett: Max Hofmann Fußböden GmbH & Co.KG, Neutraubling
Fliesen: Fliesen Schwimmer e.K., Landshut
Holztüren und Wandverkleidung: RIENTH GmbH & Co. KG, Winnenden
Einbaumöbel: Schreinerei Moreth, Eschlkam
Mobile Trennwände: Günther Karl GmbH & Co.
Treppen und Geländer: Fritz Ettenreich GmbH, Ehekirchen
Metalltüren: N&H Metallbau GmbH, Gardelegen
Gitterroste, Müllhäuschen: Spanner Stahl- und Metallbau GmbH, Moosthenning
Malerarbeiten: Leipelt Maler- u. Lackierhandwerk, Mamming
Beschilderung: mach.werk Visualisierte Leitsysteme, Mengerskirchen
Sporthalle Prallwand Karl Braun Innenausbau GmbH, Haiterbach
Sporthalle Boden Hamberger Flooring GmbH & Co. KG, Stephanskirchen
Sporthalle Trennvorhänge Diaplan Innenausbau GesmbH, Freilassing
Heizung und Sanitär: Poschinger GmbH, Thyrnau
Lüftung: Hans Schinabeck Lüftung - Klima - Kälte e. K., Waldmünchen
Elektro: Kuhn Elektro-Technik GmbH, München

Energiestandard Primärenergiebedarf 
QP’ vorh. = 119,1 kWh/(m²a)

Bruttogeschossfläche
Grundschule BGF 6.828 m²
Sporthalle BGF 3.100 m²

Gebäudevolumen
Grundschule 27.774 m³
Sporthalle 19.905 m³

Gesamtkosten
vertraulich

Fotos
Aldo Amoretti, Sanremo (IT)