Entwicklungsverfahren für Berliner Spreepark

Dinosaurier werden aus dem Schlaf geweckt

Oliver Pohlisch
3. July 2016
Riesenrad im Spreewald (Bild: G. Elser via Wikimedia Commons)

Nur noch das Quietschen des 40 Meter hohen Riesenrads ist zu vernehmen, das sich unablässig im Wind dreht, während überall sonst im Park Stille herrscht und die Vegetation an vielen Stellen längst wieder die Oberhand gewonnen hat. Einst war das Gelände im Bezirk Treptow-Köpenick in unmittelbarer Nähe zur Spree der einzige Vergnügungspark der DDR. 1969 wurde er als VEB Kulturpark eröffnet - zum 20. Jahrestag der Staatsgründung.

Nach dem Mauerfall übernahm ihn der Schausteller Norbert Witte. Doch Witte erwies sich beim Versuch, den Spreepark profitabel zu betreiben, als glücklos. 2001 wurde die Einrichtung nach Insolvenz geschlossen. Der Eigentümer setzte sich mit seiner Familie und einigen Fahrgeschäften nach Peru ab und hinterließ Schulden von mehr als 10 Millionen Euro. Regisseur Peter Dörfler hat die skurrile Fluchtgeschichte des Mannes 2009 in dem sehenswerten Dokumentarfilm «Achterbahn» rekonstruiert.

Derweil entwickelte sich der verlassene Spreepark zu einem «verwunschenen Ort», der mithalf, das Nachwende-Image Berlins als abenteuerlicher Schauplatz von Verfall und kreativem Aufbruch irgendwie in die Nullerjahre hinüberzuretten, obwohl sich in der Stadt längst eine andere Realität durchgesetzt hatte. Das Riesenrad und die umgestürzten Dinosaurier-Plastiken lockten unzählige Fotografen an, die heimlich über den Zaun kletterten. Immer wieder diente der Spreepark auch als Kulisse für den Dreh von Fernseh- und Kinofilmen sowie von Musikvideos.

2014 kaufte das Land Berlin das Gelände zurück. Seitdem war mehr oder weniger klar, dass der Spreepark nicht dauerhaft in seinem jetzigen, schillernden Zustand bleiben würde. Nun will Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) tatsächlich seine Neuentwicklung in Angriff nehmen, wie er am vergangenen Donnerstag bei einer Begehung des Areals gegenüber den anwesenden Medienvertretern verkündete. Um die zuvor von vielen Seiten geäußerte Befürchtung zu entkräften, auch der Spreepark werde nun in den Aufwertungstrudel gesaugt, der Berlin inzwischen großflächig erfasst hat, versicherte er, dass es hier nicht um Kommerz gehe, sondern um eine «Stadtplanung von unten». Man wolle sich Zeit nehmen für die Entwicklung des Geländes und nicht auf die Schnelle «fertige Lösungen" präsentieren.

Kaputter Dinosaurier im Spreepark (Bild: Carsten Pietzsch via Wikimedia Commons)

Allerdings: Den Rahmen für die von ihm propagierte Bottom-Up-Planung hat Geisel dann doch ziemlich eng abgesteckt: Eine Bebauung mit Wohnungen wird es nicht geben. Sowohl bestehende Initiativen, die eine Wiederaufnahme des Vergnügungsparkbetriebs fordern, als auch solche, die im Spreepark eine reine Naturlandschaft anstreben, sollen in die Debatte einbezogen werden. Doch die Wiederbelebung der Originalfunktion hat Geisel schon als unwirtschaftlich verworfen. Und auch die Rückverwandlung des Areals in ein Waldgebiet schließt er von vorneherein aus. Eindeutig favorisiert Geisel die Schaffung eines «Ortes für Kunst und Kreativität». Und er signalisiert, dass er möglichst viele der einstigen Attraktionen des Parks bewahren will. Sollte sich deren Ertüchtigung aber als zu kostspielig herausstellen, müsse auch ein Abriss erwogen werden, ergänzt Grün-Berlin-Chef Christoph Schmidt.

Seit Anfang 2016 verwaltet die landeseigene Grün Berlin GmbH, die auch für das Management des Tempelhofer Feldes und des Parks am Gleisdreieck zuständig ist, den Spreepark. «Derzeit machen wir eine Bestandaufnahme, in welchem Zustand die Gebäude sind und welche wir erhalten könnten», sagt Schmidt.

Um zum Beispiel die Wildwasserbahn wieder in Gang zu bringen, müsste man ihren Startpunkt, einen künstlichen Berg, sanieren. Die von Witte installierte Spritzbetonkonstruktion ist innen zu marode und nicht mehr zum Besteigen, konstatiert der Grün-Berlin-Chef. Dagegen könne die Berg-und-Tal-Bahn zumindest als Kulisse erhalten bleiben. Senator Geisel will aber auf jeden Fall das Riesenrad mit knapp 100.000 Euro sanieren und anschließend wieder in Betrieb nehmen lassen.

Wildwasserbahn im Spreepark (Bild: Geierunited-commonswiki via Wikimedia Commons)

Ein «interdisziplinäres Team» aus Künstlern, Szenografen, Kulturmanagern und Architekten soll demnächst mit der Erarbeitung konkreter Vorschläge für einzelne Gebäude und Fahrgeschäfte beauftragt werden. In den Masterplan für das Gelände sollen aber nicht nur die Konzepte der Fachleute, sondern schließlich auch die in einem Dialogverfahren ermittelten Ideen der Bürger einfließen.

Ende Juni fand die erste, auf vier Stunden angelegte öffentliche Dialogversammlung statt – intiiert von Studierenden und Wissenschaftlern um Professor Klaus Siebenhaar vom Institut für Kultur- und Medienmanagement der Freien Universität Berlin. Interessierte konnten das Gelände besichtigen, sich über die Vergangenheit und mögliche Zunkunft des Parks informieren. In einer ehemaligen Werkstatthalle, so berichtet die taz, diskutierten dann rund 800 Bürgerinnen mit Politikern und Planern. Zum Beispiel darüber, ob der Eintritt auf das Gelände künftig umsonst sein solle oder nicht.

SPD-Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) bekam viel Beifall, als er klarstellte: «Hier soll nicht wieder ein Rummel für eine Million Besucher entstehen, sondern eine innerstädtische grüne Oase für Familien und Künstler. Die Besucher sollen auch nicht zu Tausenden mit dem Auto anreisen.» Dementsprechend wünschten sich Stimmen aus dem Publikum mehr fahrradfreundliche Zufahrtswege oder eine Personenfähre zwischen dem Park und dem gegenüberliegenden Spreeufer.

Mehrfach forderten Anwesende, am Fluss eine Badestelle mit Sandstrand einzurichten. Weitere Ideen: eine Eselfarm, ein Garten für essbare Pflanzen und Kräuter, vegetarische Gastronomie, ein interreligiöser Tempel, Atelierhütten, eine Hüpfburg, ein Sommertheater, ein Weihnachtsmarkt und eine Eisbahn im Winter. Hitzig wurde die Diskussion etwa bei der Frage nach möglichen Musikevents und deren erlaubte Lautstärke.

Schwanenboote im Spreepark (Bild: Mdkoch84 via Wikimedia Commons)

Zehn Millionen Euro stehen als Anschubfinanzierung für die Entwicklung des 24 Hektar großen Parks zur Verfügung. Davon fließen aber schon mal allein sieben Millionen Euro in die denkmalgerechte Sanierung des am Parkrand gelegenen, völlig verfallenen Ausflugslokals «Eierhäuschen». Ab 2018 soll es wieder als Gaststätte genutzt werden, aber auch Ateliers und Wohnungen für Künstler bieten. Die feuchten Wände und der Schwamm in den Balken machten die Sanierung so aufwändig, erklärte Schmidt.

Die Müllberge des ehemaligen Parkbetreibers zu beseitigen, habe bereits 400.000 Euro gekostet, rund eine Million Euro flössen die Verkehrssicherung des Geländes, so Schmidt. Bleiben noch rund 1,6 Millionen für das Beteiligungsverfahren, den Wachschutz, die Instandsetzung von Karussells und die geplanten Kulturprojekte auf dem Gelände.

Nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl im Herbst wird ein zweites Dialogforum im Spreepark stattfinden. Im Frühjahr 2017 soll dann ein Rahmenkonzept für das Gelände stehen, was aber nicht heißt, dass dann schon Wege oder Gebäude geplant seien, schob Geisel nach.

Ausflugslokal «Eierhäuschen» (Zeichnung: Berlin und seine Bauten, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn 1896 via Wikimedia Commons)