Heute wird der sino-amerikanische Architekt I. M. Pei hundert Jahre alt

Erste Person Singular

Ulf Meyer
26. April 2017
Museum für Islamische Kunst, Doha (Francisco Anzola via flickr/wikimedia)

Der New Yorker Architekt Pei baute für Politiker wie die Kennedys, Mao Zedong, François Mitterand, Helmut Kohl und Jacques Santer oder den Emir von Katar ebenso wie für berühmte Unternehmer und Institutionen und einflussreiche christliche und buddhistische Bauherren. In Europa wurde Pei vor allem mit der Louvre-Pyramide in Paris und dem Schauhaus des Deutschen Historischen Museums in Berlin bekannt. In den USA tragen unter anderem der Ostflügel der Nationalgalerie in Washington und das Rock'n'Roll-Museum in Cleveland seine unverkennbare Handschrift. Insgesamt hat Peis Büro fast 200 Gebäude auf drei Kontinenten entworfen. Den Namen I. M. Pei (lies «I am Pei») hat Ieoh Ming Pei aus der amerikanisierten Form seines chinesischen Namens Bei Yuming gemacht. Pei wurde 1917 in Kanton geboren und wuchs in Hongkong, Schanghai und Suzhou auf. Mit achtzehn Jahren ging er in die USA, um am MIT und in Harvard Architektur zu studieren. Seine Lehrer dort waren Walter Gropius und Marcel Breuer vom Bauhaus, die gerade dabei waren, die Moderne in die neue Welt zu bringen.

Peis Charme, Taktgefühl und Geduld waren legendär. Seine Freundschaft mit der frisch verwitweten Jackie Kennedy eröffnete ihm Zugang zum Ostküsten-Establishment. Nach dem Tod von John F. Kennedy durfte Pei 1964 die Gedenkbibliothek des Präsidenten bei Boston bauen. Aber speziell mit drei Entwürfen hat er die zeitgenössische Museumsarchitektur geprägt: 

Die drei großen Hauptstadt-Museen

Die Erweiterung der National Gallery of Art war Peis Gesellenstück. Denn mit dem «East Building» bewies Pei erstmals eindrücklich seine Begabung für die Verbindung Altbauten mit moderner Baukunst. Der Entwurf verlieh Pei den Ruf, Museen so attraktiv gestalten zu können, dass sie selbst Besuchergruppen anziehen, die sich um den Inhalt der Museen kaum scheren. Das Museum an der Mall der amerikanischen Hauptstadt besteht aus zwei gegeneinander versetzten Dreiecken unterschiedlicher Größe. Die vom Grundstückszuschnitt abgeleitete Diagonal-Geometrie findet sich selbst noch in kleinsten Details. Alt- und Neubau sind physisch durch einen unterirdischen Gang miteinander verbunden, aber auch ästhetisch: Die Fassaden wurden mit dem selben Stein verkleidet wie der Altbau. Den schweren, monumentalen Bauteilen stellte Pei hier erstmals leichte Stahl-Glas-Konstruktionen gegenüber, die ein Licht- und Schattenspiel auf die Steinoberflächen zaubern und sie wie «Leinwände» wirken lassen. «Licht ist der Schlüssel zur Architektur» — so lautet eine von Peis Kernaussagen.

National Gallery of Art, Washington (Bild via wikimedia)
Deutsches Historisches Museum, Berlin (Bild: Manfred Brueckels)

Peis Erweiterung des «Grand Louvre» in Paris führte zwar ursprünglich zu langen Kontroversen im Feuilleton, wurde aber sofort nach ihrer Fertigstellung zu einem nachhaltigen Publikumsmagneten. Bis heute kann kein Paris-Besucher die Stadt verlassen ohne die elegante Glas-Pyramide gesehen zu haben. Der Umbau des Louvres war das wichtigste «Grand Projet» des französischen Präsidenten François Mitterrand, der Pei persönlich für den Entwurf ausgewählt hatte. Pei sollte den Nordflügel, der bis dahin vom Finanzministerium genutzt wurde, in den Besucherfluss integrieren und den Hauptzugang des Louvres in die Mitte des Cour Napoleons verlegen. Wie schon in Washington zuvor, konzipierte Pei hier ein einladendes Foyer mit kurzen unterirdischen Wegen in alle Flügel des Museums.

Beim «Deutschen Historischen Museum» (DHM) in Berlin hat Pei das barocke Zeughaus um ein Ausstellunghaus ergänzt. Von Helmut Kohl persönlich beauftragt, sollte Pei im Herzen der deutschen Hauptstadt auf einem abermals dreieckigen Grundstück einen Neubau für Sonderausstellungen errichten. Nahezu fensterlose Steinfassaden kontrastieren mit einem haushoch verglasten Foyer, in dem die Erschließung architektonisch zelebriert wird.
Mit Schlüters Zeughaus ist der Pei-Bau durch einen Tunnel verbunden und die filigrane Glas- und Stahlkonstruktion lenkt immer wieder die Blicke der Besucher auf die Nordfassade des Zeughauses mit Schlüters beeindruckenden Skulpturen-Schmuck.

Neben den großen Museen hat Pei auch zahlreiche Wohn- und Geschäfts-Hochhäuser gebaut, zunächst in nordamerikanischen Metropolen wie Toronto, New York, Miami, Boston, Houston und Denver. Es folgten Aufträge aus dem Kreis der Auslandschinesen wie für ein Bank-Hochhaus und den Raffles-City-Turm in Singapur. Für eine christliche Universität in Taiwan entwarf Pei die Luce-Kapelle. 

Bank of China, Hongkong (Bild via wikimedia)
Miho Museum (Bild: 663highland via wikimedia)

Eine entscheidende Wendung nahm Peis Karriere durch die Konfrontation mit seinen kulturellen Wurzeln in China selbst. Seine chinesische Heimat sah er erstmals 1975 wieder, als das kommunistische China noch weitgehend abgeriegelt war. Vier Jahre darauf bekam Pei den Auftrag zum Bau eines großen Hotels in den ehemaligen kaiserlichen Jagdgebieten bei Peking, den «Duftenden Bergen». Das «Xiangshan-Hotel» ist ein verschachteltes, asymmetrisches Haus mit vielen Gartenhöfen, das sensibel in die Landschaft eingebettet ist und chinesische Raumprinzipien und Ornamente modern interpretiert. Das Hotel ist weiß verputzt und hat diamanten- und pflaumenblütenförmige Fenster, typische Elemente der südchinesischen Architektur, Peis Heimat. Innen- und Außenräume verbinden sich auf raffinierte Weise, die die Tradition wahrt und dennoch zeitgemäß wirkt.
Jahre später folgte ein weiterer ehrenvoller Auftrag des chinesischen Regimes, vor dem Pei einst geflohen war. Für die Bank von China sollte er ein unübersehbares Hochhaus in Hongkong entwerfen, das den Besitzanspruch anzeigt, den die neuen Machthaber über die ehemalige britische Kronkolonie erhoben. Peis scharfes und spitzes Hochhaus ragt eindrucksvoll in der Skyline von Hongkong hervor. Erst in den 90er Jahren erhielt Pei den Auftrag, auch den Hauptsitz der Bank in Peking zu entwerfen. Der «Bank of China Tower» in Hongkong war mit 315 m damals das höchste Bauwerk außerhalb der USA. Pei setzte den Bau auf quadratischem Grundriss aus vier dreikantigen, unterschiedlich hohen Elementen zusammen, die oben schräg abschließen. Die spitzwinkligen Spiegelglas-Fassaden mit kreuzförmige Stahlbändern führten zwar zu einem schlechten «Feng Shui», aber einer Krone in der aufregendsten Hochhaus-Silhouette der Welt.

Zu den Höhepunkten seines Spätwerks, das schon 1983 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde, gehören abermals vier bahnbrechende Museen wie das Miho-Museum in Japan und das Museum für Moderne Kunst in Luxemburg. Die Krönung seines Oeuvres sind das Suzhou- Museum in seiner Heimatstadt und das Museum für Islamische Kunst in Doha/Qatar.

Peis Architektur schuf geometrisch starke Baukörper und attraktive Innenräume, die von edlen Materialien, Perfektion im Detail und einer einmaligen Lichtregie leben. Peis stille, monumentale Architektur resultiert aus seiner Entwurfsauffassung, dass es in der Architektur «Freiheit im Ausdruck nur im Rahmen von Bewegung, Proportion und dem Genius Loci gibt».