Debatte um die Sanierung des Hauses der Kunst

Die Zukunft der Vergangenheit

Jochen Paul
18. April 2017
Das Haus der Kunst von Südwesten gesehen, im Vordergrund die Prinzregentenstraße (Bild: © David Chipperfield Architects)

Auf Initiative von Kultusminister Ludwig Spaenle präsentierte er zusätzlich dazu erste Ideenskizzen für die Sanierung des Gebäudes. Seitdem schlagen die Wogen hoch. Auslöser dafür war ein Rendering, welches das Haus der Kunst nach dem Umbau zeigt: bei Sonnenschein, ohne die Bäume und den Tunnel im Vordergrund. Und das als Vorlage eine historische Schwarz-Weiß-Aufnahme verwendet, die den Bau aus exakt derselben Perspektive, bei diffuserem Licht, aber dafür mit Hakenkreuzflagge zeigt.

Das Verschwinden der Bäume schlug die eine Schneise für die anschwellende Entrüstung. Die andere ist die den Architekten unterstellte Haltung gegenüber der historischen Bausubstanz. Die Süddeutsche Zeitung hielt ihnen «pure Einfallslosigkeit» vor. Und weiter: «Gerade aus dem Büro eines Stararchitekten wie David Chipperfield wären laute Lösungen zu erhoffen gewesen». Dass der nicht ein einziges «lautes» Projekt im Portfolio hat, und eine künstlerische Verfremdung à la Daniel Libeskind für ihn «eine belanglose symbolische Intervention» wäre: egal.
 

Der Titel der historischen Aufnahme von ca. 1937/1940 lautet «Schönes Deutschland. Das Haus der Deutschen Kunst in München»

Vorläufiger Höhepunkt ist der Vorwurf der «geschichtsblinden Perversion», den Winfried Nerdinger Anfang März erhob. Wie unübersichtlich die Gefechtslage inzwischen ist, verdeutlicht ein Detail: Eine von Winfried Nerdingers Kernthesen, dass München die «Hauptstadt der Verdrängung» sei, formuliert Ludwig Spaenle etwas weniger pointiert so: «In München hat man sich immer gern hinter seinem Prinzip vom ,leben und leben lassen' versteckt. Zu allem, was die NS-Zeit anbelangt, pflegte man hier lieber gemütlich ein Schweigekartell. Über alle Parteien hinweg!».
 
Während Spaenle es aber für einen «sehr demokratischen Umgang mit der Geschichte» hält, darüber nachzudenken, den «grünen Vorhang des Vergessens» zu lüften und die Bäume vor dem Haus zu entfernen, ist es für Nerdinger grundlegend falsch, nur einen geschichtlichen Zustand – und noch dazu den von Adolf Hitler höchstpersönlich intendierten – erhalten zu wollen. Damit werde die «Renazifizierung zum Programm gemacht».

Die ehemalige Ehrenhalle soll eine Tageslichtdecke erhalten, die hohen Galerien geöffnet werden
Die Archiv-Galerie und das geplante Innovation Institute

Wenn jedoch die Linden, die vor der Südfassade stehen, gar nicht in den 1950er-Jahren als Zeichen des «demokratischen Widerstands» gegen die Hinterlassenschaft von Hitlers Tausendjährigem Reich gepflanzt wurden, sondern – ebenso wie die abgetragene Freitreppe – Begleiterscheinung einer heute fragwürdigen Verkehrsplanung der 1970er-Jahre sind: Welche erhaltenswerten Zeitschichten der Nachkriegsgeschichte gibt es dann? Nerdingers zentrales Argument ist, dass das ehemalige Haus der Deutschen Kunst ebenso wie jeder andere Bau der Nationalsozialisten funktional mit einer Ideologie verbunden sei, die in den Holocaust geführt habe. Und die Auseinandersetzung mit dem Bau und seiner Funktion könne nur am Gebäude selbst stattfinden.
 
Dabei hat sich das Haus der Kunst seit 1947 konsequent zu einem der weltweit führenden Orte für zeitgenössische Kunst entwickelt. Ist seine ursprüngliche Funktion damit nicht längst in ihr Gegenteil verkehrt, kommentiert und konterkariert das Programm die Architektur nicht zur Genüge? Zumal Künstler wie Mel Bochner, Christian Boltanski, Gustav Metzger und Ai Wei Wei wiederholt in die Fassade eingriffen, und sich das Haus der Kunst intensiver mit seiner Vergangenheit beschäftigt hat als alle anderen Münchner Institutionen zusammen, die ein Gebäude aus der Zeit nachnutzen.
 
Dagegen treffen die übrigen geplanten Eingriffe – Zugang zum Haus vom englischen Garten aus, Rückbau des Parkplatzes, Öffnung aller Türen zur Terrasse, eine Cafélounge neben der «Goldenen Bar» und ein Restaurant – auf breite Zustimmung. Das ist fürs Erste keine schlechte Ausgangsposition. Was das Projekt jetzt braucht: Weniger Polemik im Kampf um die Deutungshoheit, dafür eine differenzierte öffentliche Diskussion und die rechtzeitige Einbindung aller Beteiligten.