Forschungsapparat

Carsten Sauerbrei
9. June 2017
Metall und Sichtbeton prägen das Äußere des Aachener Forschungsgebäudes «Center for Next Generation Processes and Products» (NGP2). (Bild: Jörg Hempel)

Forschungsgebäude stehen in dem Ruf, zweckorientierte Funktionsgebäude zu sein, deren architektonische Erscheinung von zweitrangiger Bedeutung ist. Dass dies nicht so sein muss, zeigt der Aachener Neubau des NGP2, eines Kompetenzzentrums für Verfahrenstechnik, das die Expertisen von sechs Lehrstühlen der Aachener Verfahrenstechnik auf 16.500 m2 bündelt. Es ist Teil der Campuserweiterung «Melaten», welche der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen (BLB NRW) für die RWTH Aachen realisiert. Der Entwurf von kister scheithauer gross (ksg) zusammen mit Krawinkel Ingenieure - als Projektgesellschaft NGP2 - ging bereits 2010 als Sieger aus einem VOF-Verfahren hervor.

Einschnitte unterteilen den Baukörper in einzelne Volumen, die mit einer leichten Krümmung auf dem gebogenen Grundstück angeordnet sind. (Bild: Jörg Hempel)

«Das gebogene Grundstück und die rechtwinklige Funktionalität eines Labors stehen im Widerspruch, aus dessen Auflösung der Entwurf erwächst. Zwei Einschnitte ermöglichen eine Krümmung, die sowohl dem städtebaulichen Masterplan als auch der funktionalen Logik und konstruktiven Machbarkeit gerecht wird. Die beiden zentralen Höfe, verstanden als Eingangs- und Anlieferungshof, gliedern den Baukörper in verkettete Bauvolumen», erklärt Prof. Johannes Kister die städtebauliche Entwurfsidee. Den Baukörper bekleideten die Architekten zum größten Teil mit unsichtbar befestigten Metallelementen, welche mit ihrer reflektierenden Oberfläche dem Gebäude ein bewusst technisches Aussehen geben sollen. Ergänzt werden die metallenen Fassadenabschnitte durch Sichtbetonflächen, die aus circa 800 m2 grauen, stahlbewehrten Fassadenelemente bestehen. Diese erhielten durch nachträgliches Absäuern eine ebenmäßigere Oberfläche.

Eine kühl-technische Rohbauästhetik kontrastiert durch einzelne warm wirkende Farb- und Materialakzente prägt das Innere des Gebäudes. (Bild: Jörg Hempel)

«Die technische Optik, welche durch die metallene, changierende Oberfläche erzielt wird, spielt bewusst mit dem Bild einer ‚Karosserie‘ für funktionale Apparate. Die Wirkung wird verstärkt durch die Sichtbetoninklusionen, die besondere Räume herausstellen, wie zum Beispiel die dreigeschossige Halle der ‚Bioraffinerie‘, dem funktionalen Eckstein des Gebäudes», erläutert Projektleiterin Danijela Pilic die Fassadengestaltung. Mit dem neuen Gebäude erhielten die 180 Wissenschaftler, die zukünftig dort arbeiten werden, modernste Büroräume und Laboratorien auf der Grundlage eines 1,25 m Rasters im Büro- und eines 7,50 m Rasters im Laborbereich, die flexibel nutzbar sind und auch zukünftig gewünschte Änderungen der Raumgrößen ermöglichen.

Blick zur Decke der dreigeschossigen Bioraffinerie, dem «funktionalen Eckstein» des Gebäudes. (Bild: Jörg Hempel)