Präzise Fügung

Carsten Sauerbrei
26. July 2017
Präzise Details, hochwertige Sichtbetonoberflächen und ein attraktives Fugenraster kennzeichnen das Hamburger Atelierhaus Gaußstraße. (Bild: Stephan Baumann, bild_raum)

Sichtbeton gilt immer noch vielen als Marmor der Neuzeit. Damit er ästhetisch jedoch genauso perfekt erscheint wie der früher für hochwertige Oberflächen verwendete Baustoff, ist größte Sorgfalt beim Betonieren auf der Baustelle geboten. Als Alternative zu diesem aufwändigen Verfahren entscheiden sich Architekten häufig für vorproduzierte Fertigteile. Diese lassen, anders als Ortbeton, keine massiven, fugenlosen Wände zu. Wenn sie jedoch so präzise gefügt sind und solch ein attraktives Fugenbild besitzen, wie beim Hamburger Atelierhaus des Lübecker Büros ppp architekten + stadtplaner, dann haben Gebäude aus Fertigteilen ganz eigene Qualitäten.

Der neue Kopfbau besetzt eine im Weltkrieg entstandene Lücke, schließt diese jedoch nicht wieder vollständig. (Bild: Stephan Baumann, bild_raum)

Die Lübecker Architekten ergänzten mit dem neuen, fünfgeschossigen Kopfbau aus Sichtbeton den Torso einer ehemaligen Fabrik um 500 qm neuer Fläche, die für Ateliers und Werkstätten genutzt werden. Der neue Baukörper befindet sich dabei auf einer im Krieg durch Zerstörung des Mittelteils der Fabrik entstandenen Baulücke. Diese schließen ppp architekten + stadtplaner jedoch nicht wieder vollständig. Damit bilden sie - anders als früher - mit der gegenüber dem Bestand um ein Geschoss überhöhten, kompakten Baumasse ein neues Gelenk zwischen Hofraum und Straße aus.

Stark räumlich wirkende Elemente wie Auskragungen, Unterschnitte und Balkone stehen in spannungsvoller Beziehung zu flächigen Bauteilen. (Bild: Stephan Baumann, bild_raum)

Die Geometrie des neuen Gebäudes prägt ein spannungsvolles Gleichgewicht zwischen den flächigen Bauteilen - bündig eingesetzten Fenstern und glatten Sichtbetonwänden - und stark räumlich wirkenden Elementen wie Auskragungen, Unterschnitten oder der gerahmten Dachterrasse. Dabei verbinden die Architekten mit Übereckfenstern und dem abgeschrägten Erdgeschossgrundriss wie selbstverständlich die drei Seiten des Gebäudes. Erschlossen wird dieses auf der Rückseite über einen bestehenden und jetzt verlängerten, vorgestellten Laubengang und das dazugehörende Treppenhaus.

Im Gebäudeinneren kontrastieren die Architekten die kühl wirkenden Sichtbetonoberflächen mit warmen Materialien wie Holzdielen für die Fußböden. (Bild: Stephan Baumann, bild_raum)

Als tragende Konstruktion wählten ppp architekten + stadtplaner Sichtbeton-Thermowände mit einer 7 cm starken Außen- und 6 cm starken Innenschale, die 16 cm Styropordämmung und den Ortbetonbereich umschließen. Innen- und Außenschale aus geschosshohen Halbfertigteilen werden dabei durch Thermoanker aus Glasfaserbewehrung miteinander verbunden. Im Inneren des Gebäudes setzen die Architekten ihre sehr gelungene Gestaltung fort. Dort stehen unbehandelte hölzerne Dielenböden und wenige weiß gespachtelte bzw. gestrichene Wände in attraktivem Kontrast zum vorherrschenden Material Beton.