Differenzierter Block

Stefan Forster Architekten
20. January 2016
Blick von der Adolfstraße (Visualisierung: Stefan Forster Architekten)
Worin liegt die Besonderheit Ihres Vorschlags für die Wohnbebauung an der Adolfstraße?

Städtebaulich ging es zunächst darum, die Stadtkante wieder neu zu definieren, beziehungsweise zu rekonstruieren – aus diesem Grunde die Entscheidung zum geschlossenen Block. Er macht die verschiedenen Strukturen – Blockstruktur und die davor liegende offene Bebauung der Nachkriegszeit ­– wieder lesbar. Der Block ist eigentlich das Thema unseres Büros. Bei diesem Projekt liegt die Besonderheit darin, dass wir mit dem Blockrand jeweils differenziert auf die unterschiedlichen Situationen reagieren, ohne das räumliche Konzept in Frage stellen zu müssen. Somit bestand der Entwurfsprozess eher in dem Versuch auf Situationen zu reagieren und das Projekt sozusagen wie ein Stück eines Puzzles in den Bestand einzufügen. Aus diesem Zusammenhang sollte auch unsere Entscheidung für das Satteldach nachvollziehbar sein. Die Anlage soll später so wirken, als sei sie schon immer da gewesen.

Lageplan (Zeichnung: Stefan Forster Architekten)
Wie formulieren Sie das Erdgeschoss?

Das Erdgeschoss im städtischen Block, somit auch hier, liegt immer oberhalb des Bürgersteigniveaus, in diesem Falle um 1m. Hierdurch wird der Schutz der Privatheit der erdgeschossigen Wohnungen sichergestellt. Zu Kompensation ihrer Lageungunst erhalten sie auf der Hofseite einen kleinen Garten mit direktem ebenerdigem Zugang aus der Wohnung. Der barrierefreie Zugang aller Wohnungen wird durch die direkte Erreichbarkeit des Aufzuges vom Bürgersteigniveau aus sichergestellt. Alle Treppenhäuser sind «durchgesteckt», das heißt, es gibt jeweils einen direkten Zugang zum Innenhof aus jedem Treppenhaus. Der gewünschte Kindergarten wird an der Ostseite des Blockes angeordnet. In der Überarbeitung wird die Kindergartenspielfläche auf die Außenseite verlegt, um Störungen des Blockinnenraumes zu vermeiden, bei gleichzeitiger Vergrößerung der kollektiven Hoffläche. Im Erdgeschoss der Nordwestecke, zur Stadt hin, sorgt ein Café für die gewünschte Belebung des Erdgeschosses.

Ansicht Molthanstraße (Zeichnung: Stefan Forster Architekten)
Welche Standards sind für die Wohnungen vorgesehen?

Zu unserer besonderen Freude wird die Fassade, auf ausdrücklichem Wunsch des Bauherrn, in Vollklinker ausgeführt. Mit dieser Entscheidung ist eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen für die Schaffung eines nachhaltigen, und somit auch wertigen Gebäudes erfüllt. Der Außenbezug der Wohnungen mittels Loggien (und nicht durch auskragende Balkone) hergestellt. Mit einer Tiefe von mindestens 2m bieten die Loggien ein Höchstmaß an Nutzungsmöglichkeiten und stellen ein besonderes Qualitätsmerkmal der Anlage dar. Die Wohnungen am Nordflügel erhalten als Besonderheit «grüne Zimmer» – durchgesteckte Loggien, vor den Wohnzimmern. Die zweiseitig orientierten Wohnungen sind mit großzügigen Tageslichtbädern ausgestattet. Die Raumhöhe beträgt 2,70 m. In ihrer Gesamtheit entspricht die Ausstattung und Gestaltung der Anlage unseren Vorstellungen von qualitätsvollem Wohnungsbau. In Zeiten, wo man landauf landab reduzierte Standards et cetera fordert, ist das hier vorgestellte Konzept die richtige Antwort auf diese «Thesen». Wir dürfen nicht weiter über billiges Bauen fabulieren!! Wir müssen einfach besser bauen!! Gutes Bauen zahlt sich immer aus und ist langfristig billiger – so einfach ist das!!

Längsschnitt 1 (Zeichnung: Stefan Forster Architekten)
Längsschnitt 2 (Zeichnung: Stefan Forster Architekten)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Mit unserer Architektursprache beziehen wir uns immer auf vertraute Bilder aus unserer gemeinsamen europäischen Architekturgeschichte. Falls dem Betrachter bei diesem Projekt Analogien zu bereits gebauten Projekten – etwa hier von zum Beispiel Max Taut – einfallen so ist dies durchaus gewollt und freut uns, weil es beim Betrachter so etwas wie Vertrautheit weckt. Gleichzeitig versuchen wir eine angemessene Antwort aus dem Umfeld, in diesem Falle Hannover, zu entwickeln. Wandert man etwas durch diese Stadt, so wird man hier auch Bezüge zu unserem Projekt finden. Wir haben nicht den Anspruch Architektur jeden Tag neu zu erfinden. Wir bauen die gefundenen Sachen an dem Ort neu zusammen – hierbei handelt es sich natürlich um einen höchst subjektiven Prozess. Im Vordergrund dieses Prozesses stand hier, wie oben geschildert, die Reaktion auf das Umfeld – das hohe Haus markiert den Eingang von der Ringstraße und nimmt mit seiner Form Kontakt zu den Nachkriegszeilen gegenüber auf. Die offenen Loggien an der Nordseite reagieren auf den wunderbaren Baumbestand und setzen ihn in einen neuen Kontext. Die Südseite bildet die neue/alte Stadtkante und lässt sich durch die Resalite auch gleichzeitig als Addition von Einzelhäusern lesen. 

Ansicht Adolfstraße, Ausschnitt (Visualisierung: Stefan Forster Architekten)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Leider muss, wie so häufig, noch ein B-Planverfahren vorgeschoben werden. Erfahrungsgemäß braucht so etwas seine Zeit. Demzufolge wird die Baueingabe erst im August dieses Jahres erfolgen können. Wir hoffen noch Ende diesen Jahres mit der Baugrube zu beginnen, sodass der Baubeginn im Frühjahr 2017 erfolgen könnte. Mit der Fertigstellung wäre dann in 2018 zu rechnen. 

Modell (Foto: Stefan Forster Architekten)
Wohnbebauung an der Adolfstraße, Hannover
Nicht offener kooperativer Wettbewerb

Bauherr: Helmut Dannenberg, sen.+jr. Immobilien, Hannover

Jury
Ingrid Spengler, Vors. | Uwe Bodemann | Michael Dette | Stefan Höpfinger | Prof. Hilde Léon | Ewald Nagel | Prof. Christoph Schonhoff | Helmut Dannenberg jun. | Helmut Dannenberg sen.

1. Preis
Architekt: Stefan Forster Architekten, Frankfurt am Main
Landschaftsarchitekt: freiraumX, Frankfurt am Main
Tragwerksplanung: Energie & Haus, Darmstadt

2. Preis
Architekt: Fink+Jocher, Architekten und Stadtplaner, München
Landschaftsarchitekt: terra.nova Landschaftsarchitektur, München
Energieplaner: Transsolar Energietechnik, Stuttgart, München, New York, Paris

3. Preis
Architekt: agsta Architekten und Ingenieure, Hannover
Landschaftsarchitekt: lad+ landschaftsarchitektur diekmann, Hannover

4. Preis
Architekt: Nieberg Architect, Hannover
Landschaftsarchitekt: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn, Hamburg, Köln, Mannheim
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Harmening, Bückeburg