Umbau und Erweiterung Gutenberg-Museum, Mainz

Eigenständiges Museumsquartier

Peter Petz
29. March 2016
Blick auf den Eingangsplatz

Peter Petz: Das Gutenberg-Museum in Mainz soll modernisiert und erweitert werden. Welche Ausgangs-Situation haben Sie vorgefunden?
Stephen Kausch: Das Planungsgebiet befindet sich zum einen an prominentester Stelle im Herzen der Stadt in direkter Nähe zum Dom. Zum anderen liegt das Museum in der jetzigen Situation recht versteckt und ist für PassantInnen und BesucherInnen nicht präsent. Diese Situation wird dem Stellenwert des Museums nicht gerecht. Uns war daher wichtig eine starke architektonische Aussage zu finden, die zugleich sensibel mit der stadträumlichen Platzsituation umgeht. Wir haben uns daher entschieden nur einen kleinen Teil der zur Verfügung gestellten Flächen in Anspruch zu nehmen und die bestehende Bausubstanz zu verdichten. Für die Unterbringung eines Großteils der geforderten zusätzlichen Nutzflächen haben wir uns auf den sog. «Schellbau» konzentriert.

Wie fügen Sie Alt und Neu zusammen?
Unser Konzept orientiert sich an der kleinteiligen Innenstadtstruktur mit ihren Gassen und kleine Plätzen. Vier Einzelbaukörper – der «Schellbau», der «Römische Kaiser», der Erweiterungsbau aus dem Jahre 2000 und der neue Bücherturm, lassen ein offenes Gefüge von Solitären als städtebauliche Einheit entstehen. Durch den Abriss eines Verbindungsbaues, durch den eine Sackgassensituation entstand, wird zusätzlich ein neuer öffentlicher, durchgängiger, frei zugänglicher Stadtraum gebildet. Der neue Bücherturm ist als Solitär frei auf dem Vorplatz positioniert, so dass der bestehende römische Kaiser freigestellt und unangetastet bleiben kann. Der sogenannte «Schellbau» wiederum wird bis auf die konstruktiv notwendigen Elemente zurückgebaut und zum einen mit einer neuen Dachlandschaft bereichert, zum anderen ist eine bauliche Erweiterung im Süden vorgesehen.

Lageplan

Wie organisieren Sie das Museum?
Sämtliche vier Museumsteile sind unterirdisch funktional miteinander verbunden. Im Zentrum des sog. Schellbaus fügen wir einen eigenständigen, hallenartigen Raum ein, der die Schatzkammer mit der Bibel und die großzügig angelegte vertikale Erschließung als Teil der Ausstellung enthält und als Dreh- und Angelpunkt der gesamten Anlage fungiert. Die Struktur ist konsequent symmetrisch aufgebaut. An den Giebelseiten befinden sich auf allen Geschossen beidseitig durchgehende Spangen, die alle notwendigen Nebenräume, die neu eingefügten Fluchttreppenräume sowie Aufzüge enthalten. Abhängig von der Realisierung der zwei geplanten Bauabschnitte ergeben sich mehrere Möglichkeiten der Erschließung. Der erste Bauabschnitt sieht die Realisierung des Bücherturmes mit den entsprechenden unterirdischen Verbindungsbauten vor. In dieser Zeit verbleibt der Hauptzugang an der ursprünglichen Position im Schellbau. Wenn der Bücherturm fertiggestellt ist, kann das Museum direkt vom Liebfrauenplatz aus unterirdisch erschlossen werden. Nach Fertigstellung der Gesamtmaßnahme wären beide Varianten möglich. Das Gebäude ist somit trotz der komplizierten bestehenden Situation sehr flexibel nutzbar.

Grundriss Erdgeschoss
Schnitt

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Durch die räumlichen Eingriffe entsteht ein eigenständiges Museumsquartier. Durch Teilabrisse, Erweiterungen und neue Gebäudesetzungen entwickeln wir ein von allen Seiten frei zugängliches «Forum». Besonders wichtig ist uns hierbei, ein markantes Zeichen auf dem Liebfrauenplatz zu platzieren, um dem Museum eine prägnante und angemessene Adresse zu verleihen. Diese Rolle nimmt der 22 Meter hohe Bibliotheksturm mit Inkunabel-Archiv und Leselounge ein. Die als Skulptur entwickelte polygonale Gebäudeform verweist zugleich auf häufig in der Mainzer Innenstadt anzutreffende Turmtypologien.

Innenraum

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Für den Schellbau und den Erweiterungsbau greifen wir auf ortstypischen Sandstein zurück. Die äußere Haut der Fassade des Bücherturms besteht aus mit Buchstaben perforierten Metallplatten in Bronzelegierung. Die innere Fassade des Turms besteht aus einem Ganzglas-Pfostenriegelsystem, das auch großzügige Ausblicke in Richtung Markt und Dom erlaubt. Tagsüber reflektiert die Fassade das natürliche Licht sanft, abends wird der Turm von innen heraus als «Lichtskulptur» strahlen.

Detail Fassade

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Im Anschluss an das Wettbewerbsverfahren soll bis zum Sommer 2016 im Rahmen des VOF- Verfahrens jener Entwurf bestimmt werden, der den ersten Bauabschnitt realisieren wird. Von allen Beteiligten wurde der Wille einer zeitnahen Umsetzung betont. Ein möglicher Baubeginn des ersten BA wurde für 2017 in Aussicht gestellt.

Ansicht Süd

Umbau und Erweiterung Gutenberg-Museum, Mainz
Beschränkter Wettbewerb, zweiphasig

Jury
Prof. Dr. Werner Durth | Prof. Ulrich Elwert | Jürgen Hill | Prof. Wolfgang Lorch | Prof. Oskar Spital-Frenking | Prof. Kunibert Wachten | Felix Waechter | Günther Beck | Michael Ebling | Marianne Grosse | Eckhart Helffrich | Dr. Anette Ludwig

1. Preis
DFZ Architekten, Hamburg

2. Preis
Christoph Mäckler Architekten, Frankfurt am Main

3. Preis
Lederer, Ragnarsdóttir, Oei, Stuttgart