Wohnungsneubau Fischerinsel, Berlin

Eindeutige Figur

Peter Petz
7. October 2015
Blick vom Mühlendamm

Peter Petz: In Berlin Mitte auf der Fischerinsel Ecke Mühlendann will die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) einen Neubau mit 20.000 m² BGF preiswerter Wohnungen und erdgeschossigem Gewerbe errichten. Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für das Quartier?
Julia Dahlhaus: Zunächst bin ich mir gar nicht sicher, ob die Fischerinsel als Quartier betrachtet, beziehungsweise empfunden wird. Vielmehr handelt es sich um einen sehr zentralen und grünen inselartigen Wohnort, mit Einzelgebäuden und wenig Infrastruktur, der sich bei seinen Bewohnern großer Beliebtheit erfreut. Durch den Neubau von 200 Wohnungen an dieser Stelle wird die Fischerinsel als Wohnbaustandort gestärkt. Das Schließen der im Moment offenen Ecke bedeutet eine städtebauliche Anbindung einerseits an den Mühlendamm, an die gegenüberliegenden Neubauten von 2002 aber auch an die Planungen zum Petriplatz.

Schwarzplan
Bestand

Welche Ausgangslage haben Sie vorgefunden?
Das Umfeld ist zum Teil noch sehr heterogen und dabei sich zu entwickeln. Gleichzeitig ist es ein vieldiskutierter Ort, der mehrfach Gegenstand von Werkstattverfahren zum Planwerk Innenstadt war. Hier ging es einerseits um die erneute Kenntlichmachung des historischen Stadtkerns und andererseits um die sinnvolle Integration und Weiterentwicklung der frei im Raum stehenden Wohnhochhäuser aus den 1960er Jahren.
Zielsetzung des Verfahrens war unter anderem, den Bebauungsplanentwurf für das Grundstück unter den städtebaulichen und funktionalen Prämissen kritisch zu überprüfen und es ging um die Findung eines sinnvollen Bausteins für den Ort. Vor allem aber ging es, neben der Klärung der städtebaulichen Situation, konkret um die Schaffung von zeitgemäßem Wohnungsbau. 

Lageplan

Wie kamen Sie zum vorgeschlagenen Baukörper?
Unser Entwurf  thematisiert die Maßstäblichkeiten des städtebaulichen Umfeldes. Der Baukörper steht als städtebauliche Skulptur an der Schnittstelle von Hochhausbebauung der 1960er Jahre und den Neuplanungen für die Rückgewinnung historischer Stadträume um den Köllnischen Fischmarkt.
Wir haben versucht, die Stärken und Qualitäten des Ortes herauszuarbeiten und mit unserem Baukörper in diesem Sinne weiterzuentwickeln. Der Baukörper vermittelt zwischen den unterschiedlichen Bebauungsstrukturen auf der Fischerinsel und schafft gleichzeitig eine eindeutige Setzung.
Es ging also auch um eine Weiterentwicklung und sinnfällige Integration der vorhandenen frei im Raum stehenden Hochhäuser. Das Konzept des Außenraumes folgt dieser Interpretation. Obwohl wir ein U-förmigen Baukörper formulieren, bilden wir keinen Hof. Vielmehr reagiert der Baukörper ebenso auf den Park wie die bestehenden Wohnhochhäuser der Fischerinsel. Der Park wird selbstverständlich an das Gebäude geführt. Insofern hat unser Gebäude keine Vorder- und Rückseite, sondern eine Straßen- und eine Parkseite.

 

Schnitte
Ansichten Mühlendamm und Fischerinsel

Welcher Wohnungsmix und welche Standards sind vorgesehen?
Es handelt sich um einen reinen Mietwohnungsbau, der mit seinem Wohnungsmix eine gemischte Klientel ansprechen soll.
Um auf den Bedarf des Umfelds zu reagieren und einer alternden Bevölkerung den Verbleib auf der Fischerinsel zu ermöglichen, sind 2 Senioren-Wohngemeinschaften, sowie insgesamt 135 Seniorenwohnungen als 1-, 1,5- und 2-Zimmer-Wohnungen. Die Senioren-WGs und -Wohnungen haben wir in dem Turm am Mühlendamm geplant.
Die Geschosswohnungen, die in der blockrandschließenden Bebauung geplant sind, sind in der Mehrzahl als Dreispänner organisiert. Circa 20 % der Wohnungen sind förderfähige Wohnungen.
Der Baukörper hat eine durchgängige Tiefe, die sich zum einen durch die wirtschaftliche Organisation des Hochhauses und zum anderen durch die angemessene Tiefe eines durchgesteckten Wohnungsgrundrisses ergibt. Dass die Mehrzahl der Wohnungen durchgesteckt ist und damit zweiseitig belichtet und belüftet wird, ist für uns ein wesentliches Ziel zur Schaffung von Qualität im Wohnungsbau. In den Ecken und an den Enden der achtgeschossigen Bebauung befinden sich die größeren 4- und 5-Zimmer Wohnungen. Die Zuschnitte sind so konzipiert, dass alle Wohnungen mit geringen Veränderungen sich barrierefrei ausstatten lassen.

Grundrisse

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Das erste Thema war – wie bereits geschildert – einen Baukörper so zu setzen, dass er städtebaulich zur Klärung beiträgt und gleichzeitig für sich eindeutig als Figur steht. Dann ging es natürlich um die Qualität der Erschließung und vor allem um die Wohnqualität der einzelnen Wohnungen.
Das Gebäude steht an einer vielbefahrenen Straße, dem Mühlendamm. Die Logik der Grundrisse bildet sich in der Fassade ab. Die Fassadenschicht mit 2 m Tiefe wird je nach Erfordernis unterschiedlich interpretiert. Als Schallpuffer dienende Wintergärten wechseln sich mit offenen Loggien und Fenstern bzw. geschlossenen Paneelen ab. Die Fenster sind je nach Situation als Kastendoppelfenster oder Dreifachverglasung konzipiert. Dadurch ergibt sich innerhalb einer klaren Struktur ein differenziertes Spiel mit unterschiedliche Tiefen, welches dem Baukörper Plastizität verleiht.

Detail und Grundiriss-Piktogramme

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Nein, den gibt es noch nicht. Bevor gebaut wird, müssen zunächst archäologische Untersuchungen getätigt werden. 

Modell

Wohnungsneubau Fischerinsel
Beschränkter Wettbewerb, zweiphasig

Jury
Julia Tophof, Vors. | Birgit Hammer | Michael Kny | Roland Kuhn | Regula Lüscher | Lars Ernst | Dirk Böttcher | Kristina Laduch

1. Preis
Arch.: DMSW partnerschaft von architekten, Berlin
L.Arch: bbz landschaftsarchitekten, Berlin, Freiburg, Bern

ein 3. Preis
Arch.:  Peter W. Schmidt Architekt BDA, Pforzheim, Berlin
L.Arch: ​ Adler & Olesch Landschaftsarchitekten BDLA / Stadtplaner SRL und Ingenieure, Mainz, Nürnberg, München

ein 3. Preis
Architekten
Arch.: ​ blauraum, Hamburg, Berlin
L.Arch: HOLZWARTH Landschaftsarchitektur, Berlin