Berliner Platz, Osnabrück

Gemeinsamer Raum

Peter Petz
21. October 2015
Blick auf den Wittekindplatz

Peter Petz: Der zentral gelegene Berliner Platz in Osnabrück soll städtebaulich, verkehrlich und landschaftsarchitektonisch überarbeitet und partiell neuorganisiert werden. Welche Bedeutung hat das Gutachten für die Stadt Osnabrück? 
Andreas Quednau: Das Areal um den Berliner Platz kann in der Zukunft für Osnabrück eine wichtige integrative Rolle übernehmen. Die Lage im Osten der Innenstadt an der Wittekindstraße, das heißt an der wichtigsten Querung der Innenstadt Osnabrücks, zwischen Ring und Bahntrasse, birgt das Potential der Formulierung eines einladenden Stadteingangs. 

Die bestehende Schnittstelle zwischen Wittekindstrasse und Ring, der Berliner Platz kann als Orientierungspunkt im Stadtgefüge formuliert werden. Entlang des Straßenzugs Neuer Graben/ Neumarkt/ Wittekindstraße besteht eine straßenübergreifende, funktional unterschiedene Raumsequenz mit Universität und Neumarkt. Es liegt nahe diese durch ein Dienstleistungsorientiertes Quartier um den teilweise denkmalgeschützten Hannoverschen Bahnhof zu ergänzen und so die derzeit durch die unwirtliche Wittekindstraße getrennten Quartiere zusammenzufügen.

Des Weiteren nimmt der Bereich durch seine Lage eine Schlüsselfunktion für die wichtigen stadtteilübergreifenden alternativen Verkehre ein, d.h. dass hier eine strategische Stärkung des Fuß- und Rad- und öffentlichen Verkehrs erfolgen kann. 

Stadträumliche Einordnung

Welche Ausgangslage haben Sie vorgefunden?
Sabine Müller: Zunächst weist das Gebiet eine Anzahl von Problemen auf – man hat das Gefühl es müsse «aufgeräumt» werden – , aber es gibt wie immer auch große Potentiale.
Die Defizite des Areals sind in fehlenden Raumkanten und der damit verbundenen Dominanz des fließenden und ruhenden motorisierten Verkehrs begründet. Die Ausbildung der Gebäudefronten zum öffentlichen Raum ist teilweise problematisch. Die Wittekindstraße wirkt insbesondere durch die Absenkung im Zusammenhang mit der Tunnel-Unterführung als Barriere zwischen den angrenzenden Teilgebieten. Der lokale Fußgängerverkehr und stadtübergreifende Radverkehr ist dadurch stark behindert.

Der Charme des Areals liegt begründet im menschlichen Maßstab des Baudenkmals Hannoverscher Bahnhof mit seinem gärtnerischen Vorfeld – einer imposanten geschützten Trauerweide – , nicht unbedingt schönen, aber charakterbildenden Hochpunkten am Berliner Platz sowie in der Mischnutzung und formalen Diversität der bestehenden Bebauung. 

Bestand: Blick auf die Eisenbahnbrücke
Analyse Berliner Platz

Wie fügen Sie die Teilfunktionen zu einem Entwicklungsleitbild?
Andreas Quednau: Um den Berliner Platz soll ein lebendiges Dienstleistungsorientiertes Stadtquartier entstehen, welches das Ost-West Rückgrad der Stadt Osnabrück stärkt und einen einladenden Stadteingang im Osten formuliert. Dazu werden – die Achse der Wittekindstraße umspielend – drei ineinandergreifende und räumlich zusammenhängende Bereiche städtebaulich ausgeformt: Der Berliner Platz mit Hochpunkten als Orientierungspunkt im Stadtgefüge, das Wittekindquartier und Stadtentree Wittekindplatz.

Dabei fungiert das Wittekindquartier als ein durchlässiger Stadtbaustein, der die heute getrennten Areale auf beiden Seiten der Wittekindstraße zusammenzieht. Im Vorfeld des Hannoverschen Bahnhofs, im Herz des Quartiers, wird der Wittekindplatz, formuliert. Er wird als Shared Space ausgebildet, greift als gesamtflächige Figur über die Wittekindstraße und bindet die beiden angrenzenden Teilgebiete zusammen. Grüne Teilflächen kommunizieren über die Wittekindstraße hinweg mit einander. Die offene Dimension des Wittekindplatz soll den stadteinwärts fahrenden Verkehrsteilnehmern ein positives Signal des Auftakts der Kernstadt vermitteln. Der Wittekindplatz stellt einen Teil des alten Bahnhofs frei, so dass eine Sichtachse vom Neumarkt auf das Bahnhofsgebäude entsteht. Der Stadteingang wird so zum östlichen Merkpunkt im Gesamtzusammenhang der bis zur Universität reichenden städtischen Ost-West Raumsequenz. 

Entwicklungsleitbild

Welche Hochbaumaßnahmen sind vorgesehen?
Andreas Quednau: Insgesamt ist die Nutzungsstruktur des Gebiets gemischt und folgt einer einfachen urbanen Logik, da die Bautypologien  die Nutzung nicht festlegen. Funktionen mit Publikumsverkehr, wie Hotel und Dienstleitungen liegen am Berliner Platz und am Wittekindplatz beziehungsw an den Hauptstraßen; Wohnnutzungen, wie zum Beispiel Studentenwohnen liegen zurückgesetzt oder in den ruhigen Zonen dahinter.

Die Erdgeschosszonen am Berliner Platz und am Wittekindplatz sollen offen gestaltet werden und Laden- oder Cafenutzungen ermöglichen. Hier läge auch die wichtige Bushaltestelle. Letztlich kommt dem Freiraum bei der Bespielung eine entscheidende Rolle zu. Schatten und Sonne, Stufen und Rampen, weiche Rasenflächen und harte Beläge ermöglichen unterschiedliche Bespielungen und Nutzungsarten des Campusartigen Raums. 

Am Berliner Platz aber soll durch einen 7-geschossigen Hochpunkt eine vertikale Akzentuierung diagonal gegenüber dem existierenden 11-geschossigen Sparkassengebäude geschaffen werden. Zusammen mit dem 8-geschossigen Gebäude der Osnabrücker Zeitung wird eine abgetreppte Gruppe gebildet, welche als Orientierungspunkt in der Stadtsilhouette wirken kann.

Wie sollen Berliner Platz und Wittekindplatz bespielt werden?
Sabine Müller: Insgesamt ist die Nutzungsstruktur des Gebiets gemischt und folgt einer einfachen urbanen Logik, da die Bautypologien die Nutzung nicht festlegen. Funktionen mit Publikumsverkehr, wie Hotel und Dienstleitungen liegen am Berliner Platz und am Wittekindplatz bzw. an den Hauptstraßen; Wohnnutzungen, wie zum Beispiel Studentenwohnen liegen zurückgesetzt oder in den ruhigen Zonen dahinter.

Die Erdgeschosszonen am Berliner Platz und am Wittekindplatz sollen offen gestaltet werden und Laden- oder Cafenutzungen ermöglichen. Hier liege auch wichtige Bushaltestellen. Letztlich kommt dem Freiraum die entscheidende Rolle bei der Bespielung zu. Schatten und Sonne, Stufen und Rampen, weiche Rasenflächen und harte Beläge ermöglichen unterschiedliche Bespielungen und Nutzungsarten des Campusartigen Raums. 

Detail Berliner Platz
Detail Wittekindplatz

Welches stadträumliche/architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Andreas Quednau: Wie meistens in komplexen städtischen Kontexten überlagerten sich mehrere Themen: Am Berliner Platz waren dies unter anderem die Frage gründerzeitlicher Dichte und Durchlässigkeit sowie die Ausformulierung eines Stadteingangs.

Das Hauptthema aller beteiligten Planer aber war und ist es jedoch eine monofunktionale, trennende Straße in einen willkommen heißenden und der täglichen Nutzung angemessenen Stadtraum zu transformieren. Das Konzept des Shared Space lieferte den Impuls. Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer nutzen ohne vorformulierte Trennungen die gleiche Oberfläche. Auf die Gestaltung eines Stadtraum übertragen bedeutet dies verkehrliche, landschaftliche und räumliche Aspekte gleichwertig miteinander zu verweben. Der Wittekindplatz wird möglich durch die Kombination reduzierter Fahrspuren und zwei als Sitzgelegenheiten nutzbaren Freitreppen entlang der Wittekindstraße, die den Höhenunterschied in Richtung Bahnunterführung überbrücken. Bäume auf der Mittelinsel verbinden visuell die zwei parkartigen Plätze auf beiden Straßenseiten miteinander. Die verbindende Gestaltung wird gerahmt durch die sorgsam austarierte sich öffnende Geometrie der Bebauung.

Blick auf den Berliner Platz

Ist schon ein Rahmenplan  in Arbeit?
Sabine Müller: Ein Rahmenplan ist noch nicht in Arbeit. Zunächst muss die Politik in ihrer Herbstsitzung das weitere Verfahren auf Grundlage des Gutachtens beschließen. Bei der Ausstellungseröffnung im Frühsommer verabschiedete man sich aber mit einem herzlichen «Auf Bald». 

Lageplan

Berliner Platz, Osnabrück
Gutachterverfahren

Jury
Prof. Andreas Fritzen, Vors. | Prof. Cornelia Müller | Frank Otte | Prof. Dr. Herbert Staadt | Christoph Bertels | Jens Meier | Ulrich Hus

Gewinner
Architekt:  SMAQ, Berlin
Verkehrsplaner: SHP Ingenieure, Hannover
Landschaftsarchitekt: MAN MADE LAND, Berlin

Teilnehmer
Stadtplaner:  ASTOC Architects and Planners, Köln
Verkehrsplaner, Stadtplaner: BSV Büro für Stadt- und Verkehrsplanung Dr.-Ing. Reinhold Baier GmbH, Aachen
Landschaftsarchitekt: scape Landschaftsarchitekten, Düsseldorf

Teilnehmer
Stadtplaner: coido architects, Hamburg
Verkehrsplaner, Stadtplaner: ARGUS Stadt- und Verkehrsplanung, Hamburg
Landschaftsarchitekt: Breimann & Bruun, Hamburg