Kurstraße 33 - Umbau und Erweiterung des Auswärtigen Amtes, Berlin

Homogenisierung

Peter Petz
20. July 2016
Schwarzplan

Peter Petz: In der Liegenschaft des Auswärtigen Amtes in Berlin sollen die Gebäude Kurstraße 33-35 und Kleine Kurstraße 1-2 hergerichtet und um den Neubau einer Hofbebauung erweitert werden. Welche Ausgangs-Situation haben Sie vorgefunden?
Volker Kurrle: Der Kontext ist in seiner stadtgeschichtlichen Komplexität und Spannung ausgesprochen typisch für Berlin.
Das Grundstück liegt auf dem Friedrichswerder nahe dem Spittelmarkt und damit einem der ältesten Teile der Stadt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und um die Jahrhundertwende wichen die kleinen Häuser sukzessive großen, überwiegend viergeschossigen Kontor- und Geschäftshäusern wie z.B. dem heute als Fortbildungszentrum genutzten und das Grundstück nach Osten abschließenden Gebäude an der Oberwasserstraße.
Einen weiteren Maßstabssprung erfuhr der Kontext zwischen 1934 und 1940 mit dem Neubau der Reichsbank, heute das Herzstück des Auswärtigen Amtes. Das Grundstück selbst ist mit einer 6-7-geschossigen Blockrandbebauung in Plattenbauweise aus der DDR-Zeit bebaut.
Das Fortbildungszentrum wurde dann wiederum 2012 durch einen minimalistischen Neubau des Schweizers Rolf Mühlethaler ergänzt.
Das Grundstück und seine Umgebung stellen also gewissermaßen einen Spiegel der gesamten Berliner Stadtgeschichte dar.

Blick auf die Erweiterung

Worin lag die Herausforderung der Aufgabenstellung?
Die eigentliche Herausforderung bestand darin, die hochkomplexen baurechtlichen, funktionalen und konstruktiven Anforderungen in Übereinstimmungen zu bringen, ohne sich in diesen Zwängen zu verlieren und dabei etwa die eigentliche Aufgabe zu vernachlässigen, nämlich ein öffentliches Gebäude mit hohem gestalterischem Anspruch zu entwerfen.
Der Bebauungsplan von 2006 sieht im Bereich des Grundstücks eine relativ kleinteilige Bebauung vor. Insbesondere hätte bei einer vollständigen Neubebauung die ehemalige Kreuzstraße, die das Grundstück fast mittig teilt, wieder hergestellt werden müssen. Da diese Kleinteiligkeit den Anforderungen an die Erweiterung des Auswärtigen Amtes widersprechen würde, sollen die Bestandsbauten aus der DDR-Zeit zumindest als konstruktives Gerüst erhalten bleiben. Trotzdem muss die ehemalige Kreuzstraße auf dem Grundstück abgebildet werden. Diese Zwänge verkomplizieren die Situation beträchtlich.
Dazu kommt, dass eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Funktionen untergebracht und mit dem Bestand sinnvoll vernetzt werden müssen.

Konzept

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Leitgedanke des Entwurfs ist, die komplexe Situation durch eine weitgehende Homogenisierung von Bestandsgebäuden und Ergänzungen zu beruhigen.
Dies geschieht durch eine Stärkung des Randes bei weitmöglichster Offenhaltung der Mitte.
Die Hauptidee ist eigentlich sehr simpel: das 2-bündige Bestandsgebäude an der Kurstraße wird durch eine schmale parallele Ergänzung zu einer 3-bündigen Verwaltungsstruktur umgebaut. So entsteht eine relativ einfache, extrem platzsparende Gesamtfigur, die eine gute Orientierung ermöglicht und optimale Voraussetzungen für die natürliche Belichtung der nach Innen orientierten Nutzflächen bietet.
Die Dachflächen der lediglich 1-geschossigen Hofbebauung werden mit ausreichend Aufbauhöhe geplant, um hier mit einer wirklich intensiven Begrünung für die MitarbeiterInnen einen klar geschnittenen Hof von besonderer Qualität - wenn man so will eine grüne Oase in der steinernen Stadt - zu schaffen.

Modell

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Die Gestaltung der Fassaden unterstützt den schon beschriebenen Gedanken der Homogenisierung.
In diesem Sinne werden die geschlossenen Fassadenflächen durchgehend mit hellem Travertin verkleidet und damit die Materialität des Bestands - erste Erweiterung von Müller Reimann, Fortbildungszentrum von Mühlethaler - übernommen.
Die Gliederung der Fassaden zum öffentlichen Raum ist dreigeteilt:
Das Erdgeschoss bildet mit dem 1. Obergeschoss einen zweigeschossigen Sockel. Die Mündung der Kreuzstraße zur Kurstraße dient hier als repräsentative Einleitung und Überdachung des Haupteingangs, zusätzlich betont durch eine zweigeschossige Verglasung. Die weiteren Flächen des Sockels werden durch schmale, zweigeschossige Fensterschlitze gegliedert, um eine gewisse Abschirmung dieser Bereiche zum öffentlichen Raum zu erreichen.
Die Obergeschosse 2 und 3 bzw. 4 und 5 werden durch zweigeschossige, außen bündige Fenster zusammengefasst.
Das 6. Obergeschoss wird als Staffelgeschoss zurückgesetzt und als Abschluss des Gebäudes nach oben vollständig verglast.
So entsteht insgesamt ein ruhiges Fassadenbild, das sich im Kanon der Bestandsgebäude bewegt, dabei aber durchaus eine eigenständige Position bezieht.

Lageplan

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Nach unseren Informationen ist eine Fertigstellung bis 2022 geplant.

Kurstraße 33 - Umbau und Erweiterung für die Liegenschaft des Auswärtigen Amtes, Berlin
Beschränkter Wettbewerb

Jury
Prof. Andreas Hild, Vors. | Prof. Dr. Vanessa Miriam Carlow | Prof. Susanne Hofmann | Rolf Mühlethaler | Regina Schineis | Prof. Andrea Wandel | Gerhard Wittfeld

1. Preis
Architekt: harris + kurrle architekten bda, Stuttgart
Brandschutzplaner: Planungsgruppe Kuhn, Sindelfingen
Tragwerksplaner: Engelsmann Peters GmbH Beratende Ingenieure, Stuttgart, Augsburg, Graz
TGA-Fachplaner: Paul + Gampe + Partner, Esslingen a.N.

2. Preis
Architekt: wittfoht architekten bda, Stuttgart
Bauphysiker: Bobran Ingenieure, Stuttgart
Energieplaner: Transsolar Energietechnik, Stuttgart, München, New York, Paris
Brandschutzplaner: LW konzept, Stuttgart

3. Preis
Architekt: Schulz und Schulz, Leipzig
Brandschutzplaner: Brandschutz Consult Ingenieurgesellschaft mbH Leipzig, Leipzig