Fakultät für Bauingenieurwesen in Osijek/Kroatien

Licht und Luft

Thomas Geuder
23. October 2017
In Osijek in Ost-Kroatien hat die Josip Juraj Strossmayer Universität ein neues Fakultätsgebäude erhalten, aus der Feder der Architekten Dinko Peračić und Roman Šilje. (Bild: Damir Žižić)

Projekt: Gebäude der Fakultät für Bauingenieurwesen an der Universität Osijek (Osijek, HR) | Architektur: Dinko Peračić und Roman Šilje (Split, HR) | Bauherr: Gradnja Osijek (Osijek, HR) | Hersteller: Zumtobel Lighting GmbH (Dornbirn, AT), Kompetenz: Leuchten und Lichtmanagement | weitere Projektbeteiligte siehe unten

Die Fakultät für Bauingenieurwesen der Universität Osijek in Kroatien hat – zumindest was den Standort betrifft – eine bewegte Geschichte. 1976 nur ein Jahr nach Universitätsgründung geschaffen, war die Einrichtung zunächst im knapp 100 km entfernten Slavonski Brod als Schule für Bautechnik und Ingenieurwesen ansässig, ehe in Osijek ab 1982 schließlich der Studiengang Bauingenieurwesen angeboten werden konnte. Doch auch hier war die Fakultät erst einmal über unterschiedliche Gebäuden in der ganzen Stadt verteilt, sodass im neuen Jahrtausend der Wunsch nach einer Zusammenführung immer lauter wurde. So folgte im Jahr 2006 schließlich die Ausschreibung eines gemeinsamen Fakultätsgebäudes, in dem die Kräfte gebündelt werden können. Ziel war und ist es, das führende Zentrum für Hochschulbildung für Bauwesen in Ost-Kroatien zu werden. Entsprechend offen und zugänglich sollte der Neubau dafür sein.

Die formale und auch räumliche Struktur des Entwurfs zeichnet sich deutlich bereits in der Außenansicht ab. (Bild: Damir Žižić)

Der Bebauungsplan, den die beiden Architekten Dinko Peračić und Roman Šilje allerdings vorfanden, machte die Ausgestaltung dieser Idee nicht ganz einfach. Geplant war von den Stadtvätern für den Ort eine Reihe schmaler und langer Gebäude, zwischen deren Längsseiten nur rund 10 m Platz bleibt. Erschwerend kam hinzu, dass sich auf dem Grundstück eine archäologische Ausgrabungsstätte befindet, die vom Neubau nicht angetastet werden durfte und überbaut werden musste. So war für die Architekten zunächst die Arbeit an der Gebäudekubatur ein wichtiger Teil der Aufgabe. Ihr Lösungsansatz: Der vom Bebauungsplan vorgegebene Maximalkubus wird so beschnitten, dass großzügige Räume für die Allgemeinheit entstehen und viel Licht nach innen fallen kann. So schneiden die Architekten zunächst mittig in Längsrichtung eine Fuge in den Riegel, wodurch ein langgestreckter und nach oben verglaster Raum entsteht. Er schafft vielfältige Möglichkeiten des Zusammenkommens und Austauschs und ist gleichzeitig Teil der Erschließung. Entlang der Westseite nehmen die Architekten aus der Kubatur außerdem ein Längsstück heraus, das fortan als Eingang fungiert. Die Ostseite des Gebäudes schließlich erfährt eine Neigung, durch die die Fassade sich leicht zum Himmel streckt. Die Fassadengestaltung selbst bleibt nicht bei der horizontalen Band-Charakteristik hängen, sondern nimmt das Thema der Neigung, das sich im gesamten Gebäude wiederfindet, auf und bildet ein eigenes Fensterraster, das sich – einer Universität für Bauingenieure gerecht – bewusst gegen die Normalität auflehnt.

Diese Fassadenstruktur findet sich auch an den inneren Fassaden des zentralen Längsraums wieder. Überhaupt war hier den Architekten ein offener und vielfältiger Charakter sehr wichtig. So verändern sich im komplett zu Fuß erfahrbaren Gebäude immer wieder die Raumsituationen. «Durch das Gebäude zu gehen ist wie eine filmische Erfahrung mit einer Serie an individuellen Charakterräumen, die durch die besondere Struktur und das Licht in unzähligen Varianten entstehen», beschreiben Dinko Peračić und Roman Šilje.

Vom Eingang aus gelangt man zunächst einen langen Schlauch, ein Verteilerraum, der sich langsam nach oben windet. (Bild: Damir Žižić)

Unterstützt und auch gebildet wird dieses Ambiente auch durch das Kunstlicht, das in allen Bereichen von Zumtobel stammt. Eine der Herausforderungen dabei waren die Raumhöhen von teilweise bis zu 16 m, auch um eine Entblendung zu gewährleisten. Zudem sollten sich die Leuchten mit einem unauffälligen Design im Hintergrund halten und dennoch den Raum in Szene setzen. So wurden etwa schlanke Rohrleuchten mit einer 360-Grad-Rundumbeleuchtung eingebaut, die für eine gleichmäßige Ausleuchtung sorgen. Eine tageslichtabhängige Steuerung der Leuchten in den Klassenzimmern und Büros verbessert die Energiebilanz des Gebäudes. Im Außenraum kamen LED-Leuchten der Zumtobel-Schwestermarke Thorn zum Einsatz, die von den Architekten vor allem wegen ihres minimalistischen Designs gewählt wurden.

Mittlerweile hat sich auch der Bebauungsplan für das Areal geändert, wie auf Satellitenbildern zu sehen ist. Auch das Gebäude, das östlich des Fakultätsgebäudes errichtet werden soll, wurde um 15 m verschoben, wodurch zwischen beiden wesentlich mehr öffentlicher Raum entsteht. Diese städtebaulich doch recht wichtige Änderung, zu der der Neubau sicherlich beigetragen hat, soll den Archtiekten Dinko Peračić und Roman Šilje nur recht sein, kommt ihr außergewöhnliches Bauwerk so doch noch besser zur verdienten Geltung.

Wichtigster Raum im Gebäude ist der zentrale, oben größtenteils verglaste Längsraum. (Bild: Zumtobel)
Auch der Längsraum windet sich (entsprechend dem Raum darunter) über verschiedene Niveaus nach oben und verbindet so die Ebenen geschickt miteinander. (Bild: Damir Žižić)
Der zentrale Längsraum öffnet sich schließlich in eine geschützte Terrasse. (Bild: Damir Žižić)
Grundriss 2. Obergeschoss (Quelle: Dinko Peračić und Roman Šilje)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Dinko Peračić und Roman Šilje)
Längsschnitt durch beide Längsräume (Quelle: Dinko Peračić und Roman Šilje)
Konzept Längsraum (Quelle: Dinko Peračić und Roman Šilje)
Konzept Fassaden (Quelle: Dinko Peračić und Roman Šilje)
Konzept Baukörper (Quelle: Dinko Peračić und Roman Šilje)
Rohrleuchten an der verglasten Decke sorgen für zusätzliches Licht. (Bild: Mario Romulic & Drazen Stojcic)
Die im Baukörper und der Fassade bereits angekündigte Schräge ist im Innenraum stets präsent. (Bild: Damir Žižić)
Die Ausstattung des Innenraums beschränkt sich auf wenige, zurückhaltende Farben. (Bild: Damir Žižić)
Die archäologische Stätte mitten unter dem Gebäude haben die Architekten schlicht überbaut. (Bild: Zumtobel)

Projekt
Gebäude der Fakultät für Bauingenieurwesen an der Universität Osijek
Osijek, HR

Architektur
Dinko Peračić und Roman Šilje
Split, HR

Team: Vinko Peračić, Ivan Begonja, Iskra Kirin, Miranda Veljačić, Nadežda Troskot, Tihana Vučić, Hrvoje Kedžo, Tomislav Stepić, Viktor Perić, Ivana Baković, Tamara Čelar, Ivana Tomac, Mia Vučić, Stephen Smolčić, Nik Beiler, Damir Klečina, Nikša Baranović, Petar Bugarić, Branimir Cindori, Željko Mužević, Dragan Petković, Vanja Franić, Hrvoje Domitrović, Damir Keglević, Lolić, Petrinec, Wiewegh

Bauherr
Gradnja Osijek
Osijek, HR

Hersteller
Zumtobel Lighting GmbH
Dornbirn, AT

Kompetenz
Klassenzimmer und Büros: Ecoos, Perluce, Tecton, Slothlight 2, Eleea, Sequence
Korridore und Eingangsbereich: Slothlight 2, Tubilux, Troika, Contrast
Sicherheitsbeleuchtung: Onlite Resclite mit SB Controler, Onlite Crossign
Lichtmanagement: Luxmate Dimlite, Litecom

Nutzer
Universität Osijek

Fläche
10.600 m²

Fertigstellung
2017

Fotografie
Damir Žižić
Mario Romulic & Drazen Stojcic
Zumtobel


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