Feuer- und Rettungswache 21 von Kölling Architekten

Ton, Steine, Scherben

Thomas Geuder
23. April 2017
Mit der Feuer- und Rettungswache in Frankfurt-Hedernheim reagieren Kölling Architekten intelligent auf das charakteristische Umfeld. (Bild: Christoph Kraneburg)

Projekt: Feuer- und Rettungswache 21 (Frankfurt am Main, DE) | Architektur: Kölling Architekten (Bad Vilbel, DE) | Bauherr: BKRZ Brandschutz-, Katastrophenschutz- und Rettungsdienstzentrum Grundstücksverwaltung (Frankfurt am Main, DE) | Betonfertigteilwerk und Generalunternehmer: Faber & Schnepp Hoch- und Tiefbau (Langgöns, DE), Kompetenz: Betonsandwichelemente, Waschbeton, Farbe «Nidenser Rot» | vollständige Bautafel siehe unten

Frankfurt-Heddernheim ist vielen bekannt durch das «Nordwestzentrum», ein 1968 eröffnetes, multifunktionales Stadtteilzentrum mit zahlreichen Geschäften, Büros, Wohnungen, Bürgerhaus, Veranstaltungssaal, Stadtteilbücherei, Arztpraxen, Hallenbad, Kindertagesstätte, Polizeirevier, eigenem U-Bahn-Anschluss und Busbahnhof. Eine kleine Stadt in der Stadt also, erbaut nach den Plänen des Architekturbüros ABB (Otto Apel, Hannsgeorg Beckert, Gilbert Becker) und ein architektonisch typisches Kind seiner Zeit, das von der Bevölkerung eher als gestalterische Entgleisung wahrgenommen wurde. Bis vor Kurzem befand sich in dem Komplex auch die Feuer- und Rettungswache 21, die vor Kurzem aber ein eigenes Gebäude gezogen ist, in direkter Nachbarschaft, im Zwickel zwischen dem das Nordwestzentrum umrundenden Erich-Ollenhauer-Ring, der Titusstraße, der Nord-Süd-Ache Rosa-Luxemburg-Straße sowie einer Auffahrtsstraße. Für die Planer des Projekts Kölling Architekten war schon das Grundstück kein leichtes Unterfangen, denn an diesem Ort befand sich einst die römische Stadt Nida. So mussten zunächst umfangreiche denkmalschutzrechtliche und archäologische Grabungen vorgenommen werden und die Überreste der historischen Befestigungsanlage bzw. des Nordtors von Nida sowie weitere Relike aus dem 3. Jahrhundert gesichert werden. Beim Entwurf der neuen Feuer- und Rettungswache 21 schließlich ging es darum, die durch das Standardprogramm der Feuerwehr und die DIN vorgeschriebenen Raumgrößen so in ein bauliches Konzept zu bringen, dass trotz aller Funktionalität ein «städtebaulich stimmiger Baukörper mit passender Eingangssituation und guter Fassade» entsteht, beschreibt Moritz Kölling. So wurde das beengte, mit Höhenunterschieden von immerhin bis zu sechs Metern ausgestattete Gelände zunächst terrassiert und das dreigeschossige Gebäude mit einem Geschoss in die Böschung «eingegraben». Das Gebäude wird von einer Art Ringstraße mit drei Ausfahrten umschlossen. Innen ist es in zwei Teilen organisiert, mit einem Treppenhaus dazwischen, das die Feuer- und die Rettungswache wie ein Gelenk miteinander verbindet. Auf dem höheren Niveau, nach Westen orientiert, befindet sich die Fahrzeughalle der Rettungswache, auf der tieferen, nach Osten orientierten Ebene die der Feuerwache. Um diese räumlich wichtigsten Parameter gruppieren sich die Aufenthalts-, Werkstatt- und sonstige Bereiche. Ein teilweises Rückspringen des Baukörpers auf der einen und ein Auskragen auf der anderen Seite bilden eine Terrasse sowie eine geschützte Zone und verleihen dem Bauwerk eine skulpturale Wirkung, die nicht zuletzt auch zur baulichen Umgebung an diesem Ort mit Nordwestzentrum und Wohnhochhäusern passt.

Das Grundstück ergibt sich eigentlich aus den umliegenden Straßenverläufen. Im Hintergrund: das Nordwestzentrum. (Bild: Christoph Kraneburg)

Zur Auseinandersetzung mit dem Ort gehört auch und hier vor allem die Fassadengestaltung, bei der sich die Architekten von den antiken Ausgrabungsstücken und Scherben inspirieren ließen. Konstruktiv besteht die Außenhaut aus Betonsandwichelementen mit einer 20 cm starken Tragschicht innen, einer 18 cm starken Wärmedämmschicht aus PUR-Hartschaum sowie der 10 cm starken Betonvorsatzschicht. «Für die Betonfertigteilelemente wurde die Fassadenvorsatzschicht im Werk gegossen und anschließend eine Trennschicht eingebracht. Sie verhindert das Einlaufen der Betonschlämme in die Stoßfugen der Wärmedämmung. Nach Einbringen der Sandwichplattenanker und der Wärmedämmschicht auf der Vorsatzschale wurde die Tragschicht aus Beton zusammen mit der aufgebrachten Bewehrung betoniert», erläutert Dirk Nagel, Werk- und Montageleiter beim Betonfertigteilwerk Faber & Schnepp. Dem Waschbeton der äußeren Schale wurden die Farbpigmente Braun uns Schwarz sowie eine Einstreuung aus Vulkanstein in einem gebrochenen Grau-Rot in verschiedenen Korngrößen (55 %) sowie Mainsand (45 %) beigemischt. Entwickelt wurde dies in einer Art Betonlabor, in dem anhand von Mustern immer wieder der Farbton und die Intensität der Betonpigmentierung sowie die Steinzusammensetzung erforscht wurden. Entstanden ist eine lebendig strukturierte Oberfläche mit einem warmen Erdton, dem «Nidenser Rot». Dieser Farbton war auch Ausgangspunkt für die Innenraumgestaltung, die anhand von Moodboards arrangiert wurde. So ist es den Planern von Kölling Architekten gelungen, eine Verbindung von Historie, Gegenwart und Zukunft an diesem sehr charakteristischen Ort zu schaffen.

Auf dem höheren Niveau, nach Westen orientiert, ist die Fahrzeughalle der Rettungswache angeordnet. (Bild: Christoph Kraneburg)
Auf der Ostseite, am tieferen Niveau, erhalten die Werkstattbereiche und die Fahrzeughalle der Feuerwehr eine überdachte Vorzone. (Bild: Christoph Kraneburg)
Lageplan (Quelle: Kölling Architekten)
Grundriss Obergeschoss (Quelle: Kölling Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Kölling Architekten)
Grundriss Untergeschoss (Quelle: Kölling Architekten)
Längsschnitt (Quelle: Kölling Architekten)
Die Betonsandwichelemente bestehen aus einer 20 cm starken konstruktiven Tragschicht aus Stahlbeton, einer 18 cm starken Wärmedämmschicht aus PUR-Hartschaum sowie der 10 cm starken Betonvorsatzschicht. (Bild: Moritz Kölling)
Die Fertigteile der Fassade aus gewaschenem Beton erhielten dank eines kleinteiligen Steinzuschlags eine lebendig strukturierte Oberfläche. (Bild: Moritz Kölling)
Bei der Gestaltung des Innenraums halfen Moodboards, Materialien und Farbmuster also, an denen die Gestalter über Wochen tüftelten. (Bild: Moritz Kölling)
Das Treppenhaus erschließt alle Funktionsbereiche und funktioniert wie ein Gelenk zwischen Rettungs- und Feuerwache. (Bild: Christoph Kraneburg)
Die Aufenthaltsräume sind größtenteils über der größeren Halle angeordnet und nach Westen zu einer langen Dachterrasse hin orientiert. (Bild: Christoph Kraneburg)
Pressetermin an der Ausgrabungsstätte: Unter der Erde befanden sich Überreste der Befestigungsanlage bzw. des Nordtors von Nida und weitere bedeutende Relikte aus dem 3. Jahrhundert. (Bild: Moritz Kölling)

Projekt
Feuer- und Rettungswache 21
Frankfurt am Main, DE

Architektur
Kölling Architekten BDA
Bad Vilbel, DE

Betonfertigteilwerk und Generalunternehmer
Faber & Schnepp Hoch- und Tiefbau GmbH & Co. KG
Langgöns, DE

Kompetenz
Betonsandwichelemente, Festigkeitsklasse C 35/45,
Waschbeton, Festigkeit C 35/45
Farbe «Nidenser Rot» durch Zuschlag Pigmente/gebrochenes Korn

Bauherr
BKRZ Brandschutz-, Katastrophenschutz- und Rettungsdienstzentrum Grundstücksverwaltungs GmbH & Co KG
Frankfurt am Main, DE

Tragwerksentwurf
RSP Remmel + Sattler Ingenieurgesellschaft mbH
Frankfurt am Main, DE

TGA-Planung
FERAL Ingenieur- und Bauleistungsgesellschaft mbH
Frankfurt am Main, DE

BGF
2.350 m²

Nutzfläche
1.400 m²

BRI
9.700 m³

Fotografie
Christoph Kraneburg


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