Neubau Haus H in Stuttgart von Bottega + Ehrhardt Architekten

Völlig lösgelöst

Thomas Geuder
2. October 2017
Im Stuttgarter Westen haben Bottega + Ehrhardt Architekten ein Haus errichtet, dessen Eingang im Dachgeschoss bereits gegen jegliche Konvention ist. (Bild: David Frank / Bottega + Ehrhardt Architekten)

Projekt: Haus H (Stuttgart, DE) | Architektur: Bottega + Ehrhardt Architekten GmbH (Stuttgart, DE) | Bauherr: privat | Hersteller: Delta Light / Delta Line + Light GmbH (Ubach-Palenberg, DE), Kompetenz: Leuchten Boxy | Hersteller: Albrecht Jung GmbH & Co. KG, Kompetenz: Schaltersystem LS 990 | weitere Projektbeteiligte siehe unten

Stuttgart ist nicht nur die Stadt im Kessel mit Stau und Feinstaub, sondern genau genommen sogar eine recht grüne Stadt, was nicht unbedingt politisch gemeint ist: Denn aus der Kessellage folgen auch viele Hanglagen, Halbhöhenlagen also, auf denen sich immer wieder reizvolle Blicke über die Stadt ergeben. Wer in einer solchen Halbhöhenlage ein Haus besitzt, kann sich in Stuttgart quasi glücklich schätzen, auch weil die Luft dort oben etwas besser ist, als in der Innenstadt. Viele der Gebäude dort sind mittlerweile allerdings in die Jahre gekommen, und so gibt es vor allem im privaten Wohngebäude-Sektor für die Architekten und Handwerker einiges zu tun. So auch für Bottega + Ehrhardt Architekten, ebenfalls in Stuttgart beheimatet, die den Auftrag erhielten, ein viergeschossiges Einfamilienhaus aus dem Jahr 1958 rundzuerneuern. Das Haus liegt an einem der vielen eher steilen Hänge im Stuttgarter Süden, mit Blick auf den berühmten Fernsehturm, und hat im Laufe der Zeit einige Änderungen erfahren, die nicht immer zu dessen architektonischem Vorteil waren. So war es denn auch das Ziel der Planer, ein modernes und hochwertiges, sinnvoll saniertes und auch für die Bauherren barrierefrei erschließbares Gebäude zu realisieren.

Stuttgarts Hanglagen bieten mitunter schwierige, aber reizvolle Grundstücke, wie beim Haus H mit Blick auf den weltberühmten Fernsehturm. (Bild: David Frank / Bottega + Ehrhardt Architekten)

Ein erster Schritt auf dem Weg zum Ziel war, die nachträglichen Anbauten wie Wintergarten und Hallenbad zu entfernen und die ursprüngliche Volumetrie des Hauses herauszuarbeiten. Spannend im Grundriss war dabei eine schräg angeordnete Wand, die das Innere räumlich spannend gliedert. Dadurch ergab sich die Position der Treppe über alle vier Geschosse, die nun ein großzügiges Treppenauge besitzt, in dem zukünftig auch ein Fahrstuhl Platz fände. Die Treppe selbst ist bereits eines der gestalterischen Highlights im Innenraum, das sich mit weißem Stahlgeländerband skulptural nach oben windet, absolut reduziert in Form, Material und Farbe, geschickt beleuchtet, sodass die abstrakten Flächen unterschiedliche Schattierungen erhalten. Überhaupt ist die gesamte Innenraumgestaltung eher auf die Reduktion aus – nicht zuletzt ein typisches Merkmal der Architekten. So haben die Planer denn auch genau darauf geachtet, dass die Flächen möglichst frei bleiben. Notwendige Gerätschaften wie Leuchten (Delta Light) oder Lichtschalter (Jung) wählten die Planer deswegen in ebenfalls reduziertem, klassischem Design, das eine in rund, das andere in quadratisch.

Zum Garten gibt sich das Gebäude nun recht offen, mit vielfältigen Möglichkeiten für den Aufenthalt draußen. (Bild: David Frank / Bottega + Ehrhardt Architekten)

Im Gartengeschoss (dem ehemaligen Keller mit etwas niedrigeren Decken) befindet sich nun ein kleiner Spa-Bereich, der an den Garten angeschlossen ist. Dort befand sich einst ein Hallenbad, von dem jetzt nur noch eine Wand übrig ist, die den Gartenraum rahmt. Darüber im Wohngeschoss gibt sich der Raum großzügig fließend und schließt an einen Freisitz an der Westseite des Gebäudes an, der wiederum per Treppe mit dem Garten verbunden ist. Das Schlafzimmer darüber ist direkt ans Bad und die Umkleide angebunden. Außerdem befindet sich hier eine offene Bürofläche, die über das Treppenhaus quasi direkt mit dem oberen Geschoss verbunden ist, wo ein Flügel zum Musizieren lädt. Ein kleines Studio bietet hier Raum für Gäste. Dieses Geschoss – das eigentliche Dachgeschoss – ist denn auch der neue Eingangsbereich. Das Haus ist im Prinzip also umgekehrt organisiert, von oben nach unten. Ein charakteristischer Steg verbindet den gerahmten Eingang schließlich (über einen kleinen Rampenumweg) mit der Straßenebene. So wird die Eingangssituation nicht zuletzt inszeniert, verstärkt noch durch das Nichtvorhandensein von Fenstern an der Eingangsfassade.

Noch im Dachgeschoss, dem neuen Eingangsgeschoss, lässt sich der weite Blick über den Stuttgarter Kessel exklusiv genießen. (Bild: David Frank / Bottega + Ehrhardt Architekten)

In Sachen Energiemanagement hat das Gebäude ebenfalls was zu bieten: Die Fassade ist mit einem mineralischen Wärmedämmverbundsystem versehen, es gibt eine Sole-Wasser-Wärmepumpe mit einem Eisspeicher in Kombination mit einer Solaranlage, einer kontrollierten Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung, Niedrigtemperatur-Fußbodenheizungen und eine in den Dachsteinen integrierte Photovoltaikanlage. Damit haben Bottega + Ehrhardt Architekten durch Rück- und Umbau ein Haus errichtet, das gestalterisch von einem Vorgänger gänzlich losgelöst ist, dessen graue Masse jedoch intelligent nutzt – und damit nicht zuletzt für die nächsten 60 Jahre fit sein sollte.

Die neue Treppenanlage – hier in der Untersicht – mit weißem Stahlgeländerband windet sich skulptural durch die Geschossebenen. (Bild: David Frank / Bottega + Ehrhardt Architekten)
Im Wohnraum herrscht räumliche Großzügigkeit, auch durch die Reduktion von Material, Form und Farbe. (Bild: David Frank / Bottega + Ehrhardt Architekten)
Ebenso reduziert und klar gibt sich der Bad-Bereich, wo sich die klassischen Leuchten, Steckdosen, Schalter und Armaturen bestens ein- und unterordnen. (Bild: David Frank / Bottega + Ehrhardt Architekten)
Grundrisse Gartengeschoss bis Dach- bzw. Eingangsgeschoss (vlnr.) (Quelle: Bottega + Ehrhardt Architekten)
Querschnitte in beide Blickrichtungen (Quelle: Bottega + Ehrhardt Architekten)
So war das Gebäude einst: Verschiedene Anbauten und ein einstöckiger Dachaufbau waren nicht immer zum Vorteil. (Bild: Bottega + Ehrhardt Architekten)
Um ins Haus gelangen zu können, musste die Bewohner bisher im Vorgarten zunächst ein gutes Stück nach unten. (Bild: Bottega + Ehrhardt Architekten)
Die Sauna im Gartengeschoss gewährt einen schönen Blick nach draußen, geschützt durch die ehemalige Hallenbad-Wand und einen alten Nussbaum. (Bild: David Frank / Bottega + Ehrhardt Architekten)
Das Treppenhaus im Blick von oben: Im Treppenauge wäre zukünftig Platz für einen Fahrstuhl. (Bild: David Frank / Bottega + Ehrhardt Architekten)

Projekt
Haus H
Stuttgart, DE

Architektur
Bottega + Ehrhardt Architekten GmbH
Stuttgart, DE

Bauherr
privat

Hersteller 1
Delta Light / Delta Line + Light GmbH
Ubach-Palenberg, DE

Kompetenz
Leuchten Boxy

Hersteller 2
Albrecht Jung GmbH & Co. KG

Kompetenz
Schaltersystem LS 990

weitere Hersteller:
Putzsystem: Alsecco
Bodenbelag, mineralische Beschichtung: Pandomo
Fliesen: Marazzi
Waschtische: Burgbad
Armaturen: Dornbracht
Küchenmöbel: Leicht-Küchen
Sauna: Klafs
Fenster, Holz-Aluminium: Rauh-Fenster
Sprechanlage: Siedle
Dachstein, mit integrierter PV: Eternit (Kaptstadt)
Dachfächenfenster: Roto

Fertigstellung
2016

Fotografie
David Franck


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