Arbeitswelt der Zukunft

Author
Peter Petz
Published on
Feb 23, 2011

JSWD Architekten, Chaix & Morel et Associés und A+A Bertrand Schmit gewinnen den Wettbewerb um das Gebäude der Europäischen Kommission in Luxemburg. Konstantin Jaspert stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Blick von der Konrad-Adenauer-Straße 
Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für Luxemburg?
Das bestehende Jean-Monnet-Gebäude wurde 1975 errichtet, glänzt zwar durch 70er Jahre Charme, ist aber schlicht veraltet, insbesondere energetisch. Aufgrund der räumlichen Beschaffenheit und des Zustands des Gebäudes müssten erhebliche Mittel aufgewandt werden, um es den Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung anzupassen. Diese Überlegungen haben dazu geführt, den Abriss des Jean-Monnet-Gebäudes und seinen Neubau auf der Grundlage des aktualisierten Programms zu beschließen. Der Wettbewerb für den Neubau der Europäischen Kommission, ist ein elementarer Schritt zur Sicherung und zum Verbleib dieser europäischen Institution in Luxemburg. Von daher genießt die Realisierung dieses Projektes auf dem Plateau Kirchberg höchste Priorität beim Staat Luxemburg.
Übersicht, Vogelperspektive, Freiraum 
Wie fügen Sie das Projekt in den Stadtraum ein? Welche Freiraumqualitäten bietet Ihr Entwurf?
Die städtebauliche Zusammensetzung des Plateau de Kirchberg ist durch Großbauten geprägt. Das neu konzipierte Bâtiment Jean Monnet 2 nimmt unter Berücksichtigung der Blockbildung diese Großmaßstäblichkeit auf. Logisch bildet das Gebäude eine überdimensionale Klammer, welche sowohl die beiden ersten Bauphasen als auch die mögliche Erweiterung zu einer klar ablesbaren Gesamtform verbindet. Überzeugend ist die städtebauliche Ausrichtung des Eingangsbereiches auf einer Ebene, der die verschiedenen Richtungen klar definiert und über den zentralen Eingangsplatz ins Innere der Gebäudevolumen führt. Es entsteht ein großzügiger zusammenhängender Binnenbereich mit einer spannungsvollen Abfolge von begrünten Terrassen, Plätzen und Höfen. Die bauliche und visuelle Durchlässigkeit repräsentiert den offenen und einladenden Charakter dieser EU Institution.
Eingangshalle, Konferenz, Außenterrasse, Erdgeschoss 
Wie organisieren Sie das Kommissionsgebäude?
Der Neubau des Gebäudes Jean Monnet 2 reiht sich mit 200.000 m² BGF in die Reihe der Großbauten der benachbarten EU Institutionen ein. Ein Gebäude dieser Größe und Komplexität erfordert eine klare und eindeutige Organisationsstruktur. Logisch erfolgt die fußläufige Erschließung vom zentralen Plateau (Ebene 01) über die großzügige Eingangshalle. Eine Schleuse trennt den öffentlichen Bereich von den Nutzflächen, die nur autorisierten Nutzern zugänglich sind. Konferenzbereich und Gastronomieflächen (Ebene 00) werden unmittelbar aus der Eingangshalle über eine repräsentative Treppenanlage erschlossen. Die weitere Erschließung der Büroebenen erfolgt auf der Zugangsebene selbsterklärend über ein ringförmiges Gangsystem, welches sämtliche vertikale Erschließungsstränge anbindet. Diese einfache Struktur ermöglicht sowohl den Nutzern als auch den Besuchern eine leichte und übersichtliche Orientierung. Die täglich auftretenden Bewegungsströme können auch bei Vollnutzung optimal und störungsfrei fließen.
Parkgeschoss, Ansicht Süd-West 
Schnitt, Konferenzgeschoss 
Welche Qualitäten sind für die Arbeitsplätze vorgesehen?
Die Organisation der Arbeitsplätze ist ein Vorstoß in die Arbeitswelt der Zukunft. Auf insgesamt 24,70 Metern Bundtiefe können sowohl Zellenbüros als auch „open space“ Arbeitsplätze organisiert werden. Großzügige Atrien mit Glasdächern versorgen das Gebäude im Innenbereich mit Tageslicht und bieten Raum für Durchblicke und Kommunikation. Die unterschiedlich gestalteten Innenhöfe unterbrechen die Gangstrukturen in kurzen Abschnitten und machen die Flurzonen zu kurzweiligen Erlebnisräumen, die zum Dialog und zum Wissensaustausch einladen. Zusätzliche Patios mit Kommunikationszonen an den Außenwänden bieten Ausblicke auf die Umgebung und tragen zum Wohlbefinden bei. Es entsteht eine differenzierte, lichtdurchflutete Arbeitswelt modernster Prägung mit einer Vielzahl an visuellen und räumlichen Attraktionen, die eine große Identifikation der Nutzer mit ihrer Arbeitsstätte erwarten lässt.
Lichtdurchflutete Arbeitswelt 
Ausschnitt Büroebene, Ansicht Nord-West 
Was schlagen Sie für Fassade und Energiekonzept vor?
Den hohen Standards der Auslobung im Bezug auf Nachhaltigkeit, wird durch eine Reihe von Maßnahmen Rechnung getragen. Auf Klimatisierung der Büroräume wird verzichtet. Die Frischluftzufuhr erfolgt über Fensterlüftung, über die auch die passive Nachtauskühlung des Gebäudes bewerkstelligt wird. Der Wärmebedarf wird nahezu vollständig durch Wärmerückgewinnung aus der Abwärme des Rechenzentrums gedeckt. Regenerative Energien zur Kühlung und zur Warmwasserbereitung werden über 2.700 m² thermische Solarkollektoren auf den Dachflächen gewonnen.
Dreifachverglasung und wärmegedämmte Brüstungen sorgen für eine hocheffiziente thermische Hülle. Der aus vertikalen Lamellen bestehende Sonnenschutz wird automatisch mit dem Sonnenstand mitgeführt. Im Sommer wird das Gebäude so vor Überhitzung geschützt, gleichzeitig aber Wärmegewinne im Winter durch das einfallende Sonnenlicht zugelassen. In gestalterischer Hinsicht vermittelt der diaphane Sonnenschutz den Eindruck eines filigranen und kleinteiligen Fassadenmantels der die Gebäudestruktur sanft umhüllt.
Fassade, Energiekonzept 
Gibt es schon eine Terminschiene für das Projekt?
Planung und Baugenehmigung Phase 1+2 bis 12.2012 +++ Ausführungsplanung, Ausschreibung und Vergabe Phase 1 bis 09.2013 +++ Fertigstellung Phase 1 bis 12.2016 +++ Ausführungsplanung, Ausschreibung und Vergabe Phase 2 bis 09.2016 +++ Fertigstellung Phase 2 bis 12.2019
Modell 

Die gesamte Wettbewerbsdokumentation finden Sie in wa 03/2011
Gebäude der Europäischen Kommission in Luxemburg
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Adrian Meyer, Vors.
Tom Weisgerber
Jean Leyder
Luc Dhamen
Patrick Gillen
Martine Vermast
Georges Reuter
Nico Steinmetz
Marian O’Leary
Gábor Zupkó
Julia B. Bolles-Willson
Finn Geipel
Gerhard Hausladen

1.Preis
JSWD Architekten
Köln
Chaix & Morel et Associés
Paris
A+A Bertrand Schmit
Luxembourg

2. Preis
KSP Jürgen Engel Architekten
Frankfurt am Main

3. Preis
GKK+Architekten
Berlin