Baustein in prominenter Lage

Author
Peter Petz
Published on
Jun 22, 2011

Tiemann-Petri und Partner gewinnen den Wettbewerb um die Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg. Astrid Tiemann-Petri stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Zugangssituation 
Erdgeschoss 
Worin lag die Herausforderung der Aufgabenstellung?
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist in der Form des ’Heidelberger Klinikrings’ organisiert, der seit 1980 schrittweise mit dem Bau von Kopfklinik, Medizinischer Klinik, Kinderklinik, NCT und Frauen- und Hautklinik realisiert wurde. Die einzelnen Kliniken zeigen die Entwicklung des Krankenhausbaus in dieser Zeitspanne und dadurch eine Differenzierung, die die Tendenz zur Heterogenität in sich trägt. In diesem Zusammenhang kommt dem Neubau der Chirurgie, der als letzter Baustein in prominenter Lage den Klinikring schließt, eine besondere Bedeutung für den städtebaulichen Gesamteindruck des Klinikrings zu, da an dieser Stelle die Frage von städtebaulichem Zusammenhalt und baulicher Eigenständigkeit abschließend zu klären war.
Unser Ziel ist, mit einem strukturell geprägten Konzept die Prägnanz des Klinikrings zu stützen, der damit innerhalb des Campus ein größeres Gewicht erhält. Auch die konsequente Umsetzung des funktionalen Ordnungsprinzips des Klinikrings – die Pflege zum Innenhof, Untersuchung und Behandlung nach außen - stärkt das Gesamtkonzept. Darüber hinaus bildet der Neubau der Chirurgie zusammen mit der Medizinischen Klinik ein Ensemble, das dem südöstlichen Bereich des Klinikrings eine markante Prägung verleiht und kraftvoll den Auftakt des Klinikrings markiert.

Bei der Konzeptentwicklung kam erschwerend hinzu, dass die zur Verfügung stehende Baufläche für das umfangreiche Raumprogramm äußerst knapp bemessen war. Eine städtebauliche und funktionale Gliederung zu finden, die für alle Bereiche räumlich ausreichende Abstände, Belichtungen und Ausblicke ermöglicht, war deshalb ein langwieriger, mit vielen Varianten verbundener Entwurfsprozess.
Lageplan 
Wie erschließen Sie die Klinik? Welche Bedeutung haben die Freiräume?
Die Chirurgische Klinik wird mit der Medizinischen Klinik zusammen einen gemeinsamen Haupteingang erhalten, der über einen großzügigen Vorplatz erreicht wird. Auch der Liegendkrankeneingang soll beiden Kliniken dienen und ist in einer Ebene unter dem Platz angeordnet.
Der Vorplatz ist Teil einer Folge von Freiräumen, die sich vom Botanischen Garten über die tiefer liegenden Kunstgärten bis zum Hof des Nebeneingangs entwickelt und die innere Erschließung begleitet. Diese wird vom Haupteingang aus über eine interne Patientenstraße organisiert, von der aus alle Abteilungen erschlossen werden. Tageslicht und Ausblick in die Freiräume unterstützen die Orientierung und prägen die innenräumliche Qualität. Die landschaftliche Ausformung des Innenhofs des Klinikrings mit einer bewegten Topografie und Wasserflächen wird in die nördlichen Höfe geführt und prägt den Ausblick aus den Pflegetrakten und ihren Zugangszonen.
So wird im gesamten Projekt eine enge Verknüpfung von Erschließung und Freiraum hergestellt, die den gewohnten städtischen Typologien entspricht.
Piktogramme 
Wie organisieren Sie das Gebäude und die beiden Bauabschnitte?
Die funktionale Organisation der Klinik entspricht ihrer baulichen Gliederung. Die Pflegestationen sind entlang der internen Patientenstraße nach Norden zum ruhigen Innenhof angeordnet. In flachen, in Tiefhöfe hinabreichenden Flügeln auf der südlichen Seite der Patientenstraße liegen Ambulanzen und Operationsabteilung. Aufzugs- und Treppenkerne sind in die belichteten Zäsuren direkt an die Patientenstraße gesetzt. Der Gebäudewinkel über den Ambulanzen nimmt die Diensträume und Forschungslabore auf.
Die Nutzflächen sind mit einer einheitlichen Gebäudetiefe, einer durchgängigen Tragkonstruktion und systematisch angeordneten Installationsschächten konzipiert und gewährleisten dadurch ein hohes Maß an Flexibilität und Umnutzungsfähigkeit.
Der modulare Aufbau der Klinik vereinfacht die Bauabschnittsbildung und lässt schon mit dem ersten Bauabschnitt eine städtebaulich ausgewogene Figur entstehen.
Diagramme, Bauabschnitte 
Welche Materialstrategie und welches Energiekonzept schlagen Sie vor?
Die unterschiedlichen Gebäudeteile werden durch eine einheitliche Verkleidung mit weiß - gelb getönten Glastafeln zusammengebunden, die auch bei einem maßvollen Einsatz von Fensterflächen einen freundlichen Eindruck vermitteln. Die Fensterelemente, die nutzungsspezifisch unterschiedlich dimensioniert sind, erhalten ein glasbündiges Zargenelement, das den Sonnenschutz aufnimmt. Der moderate Verglasungsanteil und die hoch gedämmte Gebäudehülle begrenzen die Wärmeverluste.
Für die Temperierung der Pflegestationen schlagen wir eine Betonkernaktivierung vor. In den Ambulanzen und anderen mit abgehängten Decken ausgestatteten Räumen soll eine Fußbodenheizung und –kühlung eingesetzt werden. Ingesamt entsteht ein Energieverbundsystem, bei dem durch hocheffiziente Wärmerückgewinnungsanlagen alle internen Wärme- und Kältegewinne genutzt sowie solar gewonnene Energie und oberflächennahe Geothermie einbezogen werden.
Detail, Fassade 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Der 1. Bauabschnitt soll voraussichtlich von 2013 bis 2016 errichtet werden.
Modell (Foto: Vermögen und Bau Baden-Württemberg) 

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 06/2011
Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Prof. Eckhard Gerber, Vors.
Prof. Jan Kleihues
Jürgen Engel
Stefan Behnisch
Linus Hofrichter
Erika Putz
A. Ipach-Öhmann
Rolf Stoux

1. Preis
Tiemann-Petri und Partner
Stuttgart

2. Preis
Architekten BKSP
Hannover

3. Preis
AEP Architekten Eggert
Generalplaner GmbH
Stuttgart

4. Preis
tönies + schroeter + jansen gmbh
Lübeck