Alles unter einem Dach

rt Architekten | 4. de juliol 2025
Der Neubau ist als abstrakte Interpretation der traditionellen Nachbarbauten gestaltet: Seine Architektur greift deren Dachform und die Materialität ihrer Fassaden auf. (Foto: © David Schreyer)
Herr Tschemernjak, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Die große Herausforderung war das vielschichtige Raumprogramm: Der Neubau sollte die Landesmusikschule und das Gemeindeamt aufnehmen, dazu Büros, betreubare Wohnungen und einen vielfältig nutzbaren Veranstaltungssaal. Außerdem war ein großzügiger Dorfplatz für Feste und Feiern gewünscht. Unsere Idee bestand darin, all diese Funktionen trotz ihrer unterschiedlichen Nutzungsanforderungen in einem kompakten und funktionalen Baukörper zu vereinen. Unter Ausnutzung der natürlichen Topografie wollten wir den Neubau möglichst ressourcenschonend auf dem Grundstück positionieren. So fasst er einen einladenden Platz, der sich zur Kirche öffnet.

Blick in den Veranstaltungsraum mit versenkbarer Bühne (Foto: © David Schreyer) 
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?


Der Baukörper orientiert sich in seiner Größe an der dorfräumlichen Körnung. Seine formale Gestaltung und die Dachausbildung sind eine Neuinterpretation der Architektursprache der Nachbarbebauung. Durch seine Kompaktheit und seine ortsbauliche Setzung haben wir einen großzügigen, multifunktionalen Vorplatz auf der Westseite geschaffen: Zur Landesstraße bildeten wir auf dem leicht geneigten Grundstück eine Sockelzone aus, über der sich das dreistöckige, homogen gestaltete Gemeindezentrum erhebt. Das Sockelgeschoss geht in den Vorplatz über, der oberhalb des Straßenniveaus liegt.

Wie kamen Sie zu dem Auftrag?


Wir haben einen einstufigen, geladenen Realisierungswettbewerb gewonnen.

Die Akustikwände aus gebürsteten Eichenholzlamellen im Foyer der Landesmusikschule sind schräg gestellt, sodass sich der Raum reizvoll weitet und verjüngt. (Foto: © David Schreyer) 
In den Schlagzeug-Raum fällt durch ein Glasoberlicht stimmungsvoll Tageslicht. (Foto: © David Schreyer) 
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt und wie trugen Sie diesen Rechnung?


Wichtig war, die sehr unterschiedlichen Nutzungsanforderungen konfliktfrei zu erfüllen. Dabei ist es uns gelungen, einen Gebäudetypus zu entwickeln, der Raum für neue Synergien schafft.

Ganz unten auf Straßenebene lassen die Unterrichtsräume der Landesmusikschule dank großzügiger Fassadenöffnungen die Vorbeigehenden am musikalischen Geschehen teilhaben. Das Herzstück des Gebäudes ist die Erdgeschosszone über den Schulzimmern. Diese Ebene öffnet sich barrierefrei zum vorgelagerten Platz, der nach Südwesten ausgerichtet ist. Ein großzügig verglaster Rücksprung der Fassade markiert hier den Haupteingang. Dem Veranstaltungssaal im Erdgeschoss, der von Gemeinde, Vereinen und der Landesmusikschule genutzten wird, ist ein Foyer vorgelagert, das sich bei Veranstaltungen komplett öffnen lässt, sodass es Teil des Dorfplatzes wird. Der Veranstaltungsraum selbst ist mit einer versenkbaren Bühne ausgestattet. Die große Verglasung auf seiner Nordseite gibt den Blick auf die Nordkette frei. Ein zusätzlicher Eingang auf der Südseite ermöglicht unterdessen den ungestörten Zugang zu den Wohnungen und Büros bei Veranstaltungen.

Im ersten Obergeschoss befinden sich die Räumlichkeiten des Gemeindeamtes sowie eine weitere Büroeinheit. Darüber sind fünf Wohnungen für betreubares Wohnen angeordnet. Sie verfügen über großzügige, in alle Himmelsrichtungen orientierte Balkone und Loggien. 

Blick auf den repräsentativen Haupteingang und den Dorfplatz. Im Hintergrund ist die Nordkette zu erkennen. (Foto: © David Schreyer) 
Warum haben Sie sich für die eingesetzten Materialien entschieden?


In den Unterrichtsräumen und im Foyer stellen gebürstete Eichenholzlattungen an Wand und Decke eine günstige Raumakustik sicher. Gestalterisch wirken sie außerdem als warmer Gegenpol zu den schräg zueinander gestellten Sichtbetonwänden und schaffen so eine angenehme Raumatmosphäre. Die Fassade wurde in Anlehnung an die alten Bauernhäuser im Dorf mit mineralischer Kratzputz-Oberfläche ausgeführt.

Inwiefern beschäftigten Sie sich im Büro mit der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit?


Wir haben das Gebäude als Passivhaus mit Klima-Aktiv-Zertifizierung ausgeführt.

Lageplan (© rt Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© rt Architekten)
Schnitt (© rt Architekten)
Gemeindezentrum Sistrans
2023
Unterdorf 9
6073 Sistrans, Tirol, Österreich
 
Nutzung
Landesmusikschule und Gemeindeamt mit Büros, Wohnungen und Veranstaltungssaal
 
Vergabe
Geladener Wettbewerb, 1. Rang
 
Bauherrschaft
Neue Heimat Tirol, Innsbruck
 
Architektur
rt Architekten Ziviltechniker KG, Innsbruck
 
Fachplaner
Statik: Zanger ZT GmbH, Zirl
HLS: Klimatherm GmbH,  Zirl
Elektro: TB Hanel, Innsbruck
Bauphysik: Fiby ZT GmbH, Innsbruck
Geotechnik: Grund&Boden Geotechnik GmbH, Absam
Brandschutz: IHW, Innsbruck 

Ausführende Firmen
Baumeister: STRABAG, Zirl
Fenster: Alois MUIGG Schlosserei Metallbau GmbH, Mühlbachl
Vollwärmeschutz: HAGA Bau, Rum
Akustikwände und Türen: Tischlerei Huter&Söhne, Innsbruck
 
Fotos
David Schreyer

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