Mut zur Lücke

STUDIO LOIS
28. d’agost 2020
Foto: David Schreyer
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Der Titel »Mut zur Lücke« leitet sich von der eigentlichen »Unbebaubarkeit« des Grundstücks ab. Angesichts der Bauvorschriften war eine Nutzung der Lücke zu Wohnzwecken im Prinzip nicht möglich. Intensives und genaues Studieren der Raumordnungsdefinitionen, eine Neuinterpretation von gesetzlichen Bedingungen und ein Nachweis des Gleichberechtigungsgrundsatzes führten schließlich aber doch zur Genehmigung unseres Vorhabens. Und mitten im Haifischbecken der gewerblichen Bauträger musste die Entscheidung zum Kauf des Grundstücks von der Bauherrengemeinschaft binnen weniger Tage gefällt werden – wie wir finden: ganz schön mutig!

Für mich als Architektin ist das Besondere an dieser Bauaufgabe meine Doppelrolle als Baufrau und Planerin. Zudem wollten mein Mann und ich an unserem Haus so viel wie möglich eigenhändig bauen. Wir haben Freude am Entwickeln von Dingen und deren Umsetzung. Die Neugierde für ihr Entstehen und die Freude, das Denken durch die Hände umzusetzen, hat den Maßstab meines Arbeitens am Projekt erweitert.

Foto: David Schreyer
Foto: David Schreyer
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?


Als Architektin beschäftigte ich mich immer wieder mit der Frage »wie würde mein Haus aussehen?«. In der Fantasie malte ich mir oft einen Sichtbetonbau an sanfter Hanglage am Stadtrand aus. Die Realität war dann völlig konträr: Sichtbeton war durch die schwierige Zugänglichkeit des Bauplatzes nicht die erste Wahl, zudem die gebaute Nachbarschaft nicht die richtige Umgebung. Holz schien der richtige Werkstoff. Der Grundgedanke, die Konstruktion zu zeigen, ist in vielen meiner Entwürfe vorhanden, auch hier. Offenheit trotz eines begrenzten Fußabdrucks zu erzeugen und Lichtstimmungen dem Tagesverlauf folgend zu generieren, war angesichts der kleinen Lückenbebauung eine Herausforderung. Alle Räume sollten beliebig nutzbar sein, auch wenn ihnen eine erste Grundnutzung zugeteilt wurde. Offenheit sollte sichtbar, atmosphärisch spürbar und im Geist entfaltbar sein.

Foto: David Schreyer
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Der Ort hat den Entwurf sehr geprägt: Das Grundstück ist schmal und L-förmig mit eingeschränkter Zufahrt mitten im Stadtgebiet. Die Grundstückstiefen betragen 10 beziehungsweise 12 Metern. Gemäß Bebauungsplan ist so etwas eigentlich nicht bebaubar! Die Nachbarschaft besteht aus einem Archivgebäude, einem Supermarkt, einer alten Fabrik und einigen romantischen Villen mit Gärten. Der Hindernislauf mit den gesetzlichen Parametern war zugleich Herausforderung wie auch indirekter Formgeber für das Bauwerk.

Entstanden ist ein monolithisches Gebäude, das mit seinem asymmetrisch aufgesetzten Dach und der dunkel lasierten Fassade robust wirkt, sich aber nicht in den Vordergrund drängt. Unser Doppelhaus fügt sich auf dem nur 400 Quadratmeter großen Grundstück gut zwischen die Nachbarhäuser ein. Die Restfläche des Bauplatzes liegt zwischen den Gärten der Nachbarvillen und auch als solcher genutzt. Wir haben das Gebäude durch Auffalten, Vor- und Rücksprünge so ausgestaltet, dass kein großer Baukörper massiv in Erscheinung tritt, sondern zwei kleine selbständige Häuser sichtbar werden.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Ich gehöre zu den Nutzer*innen und zur Bauherrschaft – die Abstimmung erfolgte im freundschaftlichen Diskurs mit den Mitbauherrn. Ein Atrium, welches zwischen den beiden Häusern Blickkontakt ermöglicht, Lichtspender ist und als Kontaktzone gedacht ist, zeugt von unserer Zuversicht, dass unsere Freundschaft die Bauphase überdauern wird und der Alltag als Freunde und Nachbarn gelebt wird.

Foto: David Schreyer
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Nachdem der erste Entwurf bereits vier Jahre vor dem Erwerb des Grundstücks unter ganz anderen Voraussetzung entstanden ist – ja! Damals war noch so viel Optimismus vorhanden, dass von einer Änderung der Bebauungsvorschriften ausgegangen wurde. Der ursprüngliche, später leider verstorbene Grundeigentümer war zu diesem Zeitpunkt noch Teil der Planung.

Foto: David Schreyer
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?


Nachdem unsere Projekte ganz bunt in ihrer Art und ihrem Maßtab sind – gut. Wir planen von der Seilbahnstation in Vietnam über eine Flüchtlingsunterkunft bis zum Bauernhof alles. Die Kommunikation mit den Nutzer*innen ist dabei immer ein wichtiger Part. Prinzipiell gilt der Grundgedanke im Team: Geht nicht – geht bei uns nicht! So glauben wir, dass Projekte mit speziellen Herausforderungen uns auch immer wieder finden.

Foto: David Schreyer
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Holz! Der Grundgedanke des Eigenbaus unterstütze die Wahl des Werkstoffs. Diesen mit unseren eigenen handwerklichen Fähigkeiten und unseren maschinellen oder technischen Möglichkeiten zu bearbeiten, beeinflusste vor allem die Details im Inneren. Wir haben ab der Rohbauerstellung fast den gesamten Innenausbau, alle Treppen, Böden, Oberflächen und Möbel selbst gefertigt.

Lageplan
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Dachgeschoss
Schnitt A
Schnitt B
Name des Bauwerks
»Mut zur Lücke«
 
Standort
Templstrasse 7ab, 6020 Innsbruck
 
Nutzung
Doppelhaus
 
Bauherrschaft
private Bauherrengemeinschaft
 
Architektur
STUDIO LOIS, 6020 Innsbruck
Arch. DI DWI Barbara Poberschnigg
 
Fachplaner
Statik DIBARAL Natters
 
Jahr der Fertigstellung
2018
 
Energiestandard
Niedrigstenergiehaus
 
Fotos
David Schreyer

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