Verantwortungsbewusstsein und Kaffeehauskultur – wie sich Österreich in Dubai präsentiert

Ulf Meyer
4. de juny 2021
Visualisierung: Patricia Bagienski für querkraft

Beim Entwurf von Länderpavillons für Weltausstellungen geht es darum, mit den Mitteln der Architektur etwas über das nationale Profil auszusagen, ohne dabei in grobe Klischees und Stereotype zu verfallen oder zu tief in die Mottenkiste der örtlichen Ornamentik und Folklore zu greifen. Hinzu kommt meist der Wunsch nach einer Referenz an das Gastgeberland. Im Idealfall ist deshalb ein Expo-Pavillon ein Stück gebaute Diplomatie – ganz wie beim Bau von Botschaften und Auslandsvertretungen. Berühmte Architekten haben sich mit dem Thema beschäftigt, und viele Pavillons sind als bedeutende Werke in die Architekturgeschichte eingegangen. 

Visualisierung: Patricia Bagienski für querkraft

In Dubai steht nun – Corona-bedingt mit einem Jahr Verspätung – die nächste Weltausstellung vor der Tür. Und damit stellt sich ein weiteres Mal die Frage, wie man Österreich architektonisch portraitieren kann und soll. Beantworten durfte sie das Wiener Büro querkraft. Als Metapher dient dessen Team das Wiener Kaffeehaus, das »für interdisziplinären Dialog und Austausch« stehe. Nun ist Österreich gewiss nicht gleich Wien und »interdisziplinär« muss der Austausch in einem Kaffeehaus zum Glück keineswegs sein, aber das Bild kann trotzdem tragen: querkraft haben ein Feld aus Kegeln entworfen, die gleich groß sind, aber aufgrund ihrer unterschiedlichen Höhe unterschiedlich große Luftöffnungen in der Mitte haben. Die warme Luft kann aufsteigen, Querluft strömt durch den Pavillon. 

Foto: Kieran Fraser
Foto: Kieran Fraser
Verantwortung als Thema

Der Entwurf soll für einen »achtsamen und respektvollen Umgang mit Ressourcen« stehen. Aber nicht nur das: Das 1600 Quadratmeter große Netz aus 38 miteinander verschnittenen Kegeln schaffe auch ein »sinnliches Raumerlebnis«, so die Architekten. Der »Dialog mit der lokalen Bautradition« (oder ist in Dubai das Internationale das Örtliche?) und »Klima-Engineering aus Österreich« sollen es möglich machen, auch in der flirrenden Hitze des arabischen Landes auf Klimatechnik zu verzichten und so einen interessanten Beitrag zur weltweiten Energie-Debatte zu leisten. Das Klimakonzept wurde von querkraft in enger Zusammenarbeit mit dem Wiener Ingenieurbüro P. Jung entwickelt. Die britische ASHRAE-Comfort-Richtlinie, die alle Komfortaspekte einbezieht, diente als Leitfaden. Die lokale Tradition der Windtürme war Vorbild für die Kegelform, die die Konvektion verstärkt. Zusätzlich werden Ventilatoren eingesetzt. Als Speichermasse dienen die Oberflächen aus Stahlbeton und Lehm. Sie agieren wie ein Kältespeicher, der tagsüber die Kälte der Nacht abgibt. Die 9 Meter breiten Kegel dienen als Verschattungselemente. Eine intensive Begrünung soll adiabate Kühleffekte und Schatten noch verstärken. Die weiße Außenhaut reflektiert das Licht, um die Oberflächentemperatur zu reduzieren. Der Lehmputz befördert das Mikroklima und den Feuchtehaushalt im Pavillon. 

Foto: Kieran Fraser
So funktioniert die natürliche Klimatisierung des Gebäudes.

Die Kegel sind aus insgesamt acht verschiedenen Typen von Stahlbetonfertigteilen zusammengesetzt. Dies soll die Nachnutzung des Baus im Anschluss an die Schau erleichtern. Jeder Kegel kann überdies statisch für sich stehen und somit auch einzeln weiterverwendet werden. Der Pavillon soll nach der Weltausstellung auf dem Campus der German University of Technology Oman in Muscat einen dauerhaften Platz bekommen. 

Wenn am 1. Oktober dieses Jahres zum ersten Mal eine Expo in der arabischen Welt eröffnet wird, könnte Österreich bedingt durch die Kegelformen seines Pavillons ein interessantes Spiel von Licht und Schatten zum Architekturrummel beitragen.

Grundriss Erdgeschoss
Längsschnitt
Nordansicht
Westansicht

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