12. de desembre 2019
Auch die Paperback-Ausgabe hat unterschiedliche Einbände. (Foto Buchcover: Simonett & Baer)

Das »richtige« Buch ist bereits ausverkauft. Wenn Dino Simonett sagt, es sei eben ein Kultbuch, dann glaubt man ihm, ohne das »Original« in Händen gehalten zu haben. Was natürlich unbedingt bald geschehen muss, das steht fest. Jedes Exemplar ist ein Unikat: Der Leineneinband, in Mitlödi (Glarus, Schweiz) im Siebdruckverfahren bedruckt, ist nämlich bei jedem Buch anders. Die Verfasserin dieser Zeilen besitzt zurzeit den »Nachschlag« (wie bei einem Menu, von dem man gerne mehr hätte, so Simonett) – oder die demokratische (weil günstigere) Version dieses Buchobjekts. Die Paperback-Variante entstand, weil das Buch mit einer Auflage von 2'000 plus 200 signierten Exemplaren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft war. Der Run war vor allem unter Architekt*innen groß. Einige wenige Stücke der ersten Ausgabe von »Herzog & de Meuron 001–500« gibt es in der »Book Gallery« von Simonett & Baer noch in der Abteilung »Réserve du Patron«, wie Dino Simonett erzählt. Es sei ihre bis anhin erfolgreichste Publikation, sagt der beherzte Verleger, der seit über dreißig Jahren Bücher – oder besser gesagt Buchobjekte – macht. 

Die erste Doppelseite des Buches (Portrait: Thomas Ruff)

Das Buchprojekt nahm seinen Anfang, als die Familie Simonett-Baer (Martina Baer ist die zweite im Bunde) 2016 von Chur nach Basel zog. Simonett war beeindruckt von der Fülle an Bauten von Herzog & de Meuron (HdM), denen er in der Rheinstadt begegnete. Jeden Abend studierte er die Projekte des Basler Büros und hielt seine Recherchen zu den einzelnen Bauwerken jeweils mit einem Screenshotbild fest. Die Konsequenz dieser abendlichen Beschäftigung erstaunt nicht: Simonett sah ein Buch vor seinem inneren Auge. Und zwar keine simple Monographie, sondern ein Objekt, das dem künstlerischen Anspruch dieses außergewöhnlichen Duos gerecht würde. Denn nicht nur Bauten wie etwa die Elbphilharmonie veranschaulichen den Einfallsreichtum und die Erfindungsgabe, welche die Bauten von HdM charakterisieren. Glücklicherweise fiel seine Idee auf fruchtbaren Boden, die Architekten winkten die Buchidee durch. So kam das Projekt ins Rollen. Die Publikation entstand in enger Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden von HdM, allein hätten sie das nie geschafft, sagt Simonett.

Das weiße Feld links oben steht für ein vertrauliches Projekt, das nicht kommuniziert werden kann. (Foto: Simonett & Baer)

Blättert man nun durch die Seiten, dann entsteht ein wundersames Panoptikum des Schaffens von HdM, das so zu erfassen auf einem Bildschirm niemals möglich wäre. Das Layout ist einfach: Jeweils vier Bilder pro Doppelseite sind mit einer kurzen Bildlegende versehen. Das schafft eine klare visuelle Sprache, die nicht mit dem Ausdruck der Architektur in Konkurrenz tritt. Stutzig könnten Leser*innen einzig werden ob den grauen und teilweise sogar weißen Bildflächen. Bei ersteren steht noch darunter, welcher Bau damit gemeint ist, bei den weißen Flächen liest man gar nichts – außer einer Zahl. Das ist kein Witz, sondern – man ahnt es – hängt mit dem VIP-Faktor dieser Bauwerke zusammen. Wer der Bauherr oder die Bauherrin dieser Bauten ist, dürfen nur die Architekten wissen. Die totale Anzahl der Projekte (inklusive der nicht realisierten Wettbewerbe und Studien) hat biblische Dimensionen: Über 500 sind es an der Zahl! Das ist schon fast surreal. Gut, es arbeiten ja auch rund 500 Menschen bei HdM und es gibt Partner*innen. Dennoch beeindruckt dieses Werk, auch angesichts der Diversität der architektonischen Lösungen, welche HdM immer wieder finden. Gerade die Stadt Basel habe stark von ihrer Architektur profitiert, ist auch Simonett überzeugt. Das Buch ist eine Hommage an all diese Superlative und muss natürlich deswegen auch so »superlativig« daherkommen; das ist auch gelungen. 

Dino Simonett und Jacques Herzog bei einer Work in progress-Besprechung im Frühjahr 2019. (Foto © Martina Baer)

Der Bilderreigen wird ergänzt durch eine kurze Einführung von Dino Simonett sowie durch einen Text von Michel Kessler, Architekt und ehemaliger Mitarbeiter von HdM. Inhaltlich ist der Beitrag mehr als interessant, einzig die sprachliche Form ist dermaßen verkopft, dass einem (trotz abgeschlossenem Philosophiestudium) beinahe trümlig (schwindlig) wird vor lauter Referenzen und abenteuerlichen Wortkreationen. Mein Lieblingsgebilde: semasomatische Fusion. Im Kontext heißt das so: »Vielleicht ist die Praxis [ein Begriff, den man eher bei Kunst erwarten würde] der Versuch, das Zeichen (sema) auf den Körper (soma) zurückzubringen, quasi in einer ‹semasomatischen› Fusion« – also sprach Michel Kessler. Hell, yes! Aber eben, vielleicht widerspiegelt dieser Text auch das eklektische und künstlerische Verfahren der Architekten. Insofern passt das durchaus. Fazit: Komplimente für dieses tolle Unterfangen!

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