Das Hochhaus als vertikales Dorf

querkraft | 15. November 2024
Zäsurgeschosse sollen dem Wohnhochhaus trotz seiner großen Baumasse eine angenehme Maßstäblichkeit verleihen. (Foto: Christina Häusler)
Herr Erhartt, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Entwirft man ein Wohnhochhaus, besteht die größte Herausforderung wohl darin, trotz der enormen Anzahl an Wohnungen und Menschen doch eine soziale Gemeinschaft zu ermöglichen und zu fördern. Aus diesem Grund ist das Hochhaus mit einem großzügigen Angebot an Gemeinschaftsräumen ausgestattet, die über alle Geschosse verteilt sind und sich jeweils gleich bei der vertikalen Erschließung befinden.  

Zahlreiche Gemeinschaftsräume wie die Bibliothek sollen den Austausch unter den Bewohnenden fördern und ein Gefühl von Zusammengehörigkeit vermitteln. (Foto: Christina Häusler)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Das Besondere am Stadtentwicklungsgebiet beim Nordbahnhof ist die städtebauliche Konzeption von StudioVlayStreeruwitz. Die Intention war, die Großzügigkeit des Bahnareals zu erhalten. Die Baumassen wurden an den Rändern konzentriert, damit eine freie Mitte entstehen kann. Beim von uns gestalteten Hochpunkt innerhalb der Bebauung haben wir versucht, durch eine horizontale Schichtung die große Baumasse in erfassbare, überschaubare Einheiten zu gliedern und damit einen menschlichen Maßstab zu behalten. 

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Das Projekt wurde in seiner Konzeption nicht verändert. Die einzige Anpassung in der Nutzung betrifft die Zäsurgeschosse: Ursprünglich waren diese als multifunktionale Ebenen geplant, eine größere Raumhöhe sollte andere Nutzungen ermöglichen, zum Beispiel Arbeiten. Doch ausgeführt wurden sie als Wohngeschosse. Unsere Idee eines funktionsdurchmischten Gebäudes widersprach der Verwertungslogik und der Rechtsform des Eigentums: Büro- oder Praxisräume werden gemietet und nur in den seltensten Fällen gekauft. 

Auch ein zweigeschossiger Malraum gehört zum Gemeinschaftsangebot. (Foto: Christina Häusler)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Bei diesem Projekt haben wir versucht, viele Überlegungen und Erfahrungen von vorherigen Wohnhochhäusern weiterzudenken und weiterzuentwickeln. Es ging uns darum, das Hochhaus als vertikales Dorf zu begreifen, soziale Interaktion auf allen Ebenen zu ermöglichen und Gemeinschaft zu fördern. Soweit wir es verfolgen können, hat sich schon nach kurzer Zeit eine sehr aktive Hausgemeinschaft gebildet, die gemeinschaftliche Aktivitäten organisiert – vom Tischtennisturnier über Malworkshops bis hin zu Lesezirkeln.  

Pflanzen sollen aus Tröger und Begrünungselementen die Fassaden beranken. Auf der Dachterrasse befinden sich zudem Hochbeete der Bewohnenden. (Foto: Christina Häusler)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Eine wesentliche Rolle spielte die Kombination von festen Begrünungselementen und Pflanztrögen, die den Bewohnenden individuelle Gestaltungsmöglichkeiten geben und zur Fassadenbegrünung beitragen. Außerdem verleiht das durchdachte Farbkonzept von Ingo Nussbaumer den Innenräumen eine einladende und lebendige Atmosphäre.

Lageplan (© querkraft)
Grundriss Erdgeschoss (© querkraft)
Grundriss 4. Obergeschoss (© querkraft)
Grundriss 12. Obergeschoss (© querkraft)
Grundriss 17. Obergeschoss (© querkraft)
Dachdraufsicht (© querkraft)
Bauwerk
Wohnhochhaus Taborama
 
Standort
Am Tabor 23, 1020 Wien
 
Nutzung
Wohnbau
 
Auftragsart
Geladener Wettbewerb
 
Bauherrschaft
Strabag
 
Architektur
querkraft architekten gmbh, Wien
 
Bauleitung 
Strabag
 
Fertigstellung
2023
 
Auszeichnung
German Design Award 2025
 
Fotos
Christina Häusler

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