Grün gewinnt

mohr niklas architekten
19. April 2024
Foto: David Schreyer
Herr Mohr, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Die Entwurfsaufgabe bestand darin, viele verschiedene Nutzungen und Maßstäbe in ein Gebäude zu integrieren, ohne dass dies von außen ablesbar ist. Auf 13'000 Quadratmetern sind unter anderem ein Audimax mit 600 Sitzplätzen und ein großer Hörsaal für 200 Personen, die Mensa, ein Museum, eine Bibliothek, Büro- und Seminarräume sowie Lese- und Lernzonen untergebracht.

Foto: David Schreyer
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Städtebauliche Leitidee war die Komprimierung der Bebauung am Innrain und die konsequente Maximierung städtischer Raumreserven. Die durch unser kompaktes Bauwerk freigehaltene Grünfläche bietet einen wertvollen innerstädtischen Naherholungsraum. Das ist sowohl sozial und ökologisch als auch ökonomisch nachhaltig und kommt dem Klima zugute. Speziell dieser Teil der Stadt hat mit der Anbindung an den Inn eine große Aufenthaltsqualität, die von jungen Menschen ganz besonders geschätzt wird. Sie nutzen den Freiraum am Fluss intensiv.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Wir haben intensiv mit der Bauherrschaft zusammengearbeitet und die Wünsche der Nutzer beherzigt. Darum haben wir das Audimax an die Fassade verschoben. Dadurch gibt es nun einen Hörsaal im 2. Untergeschoss, aus dem man direkt auf die Nordkette blicken kann.

Foto: David Schreyer
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Im Wettbewerb war das Gebäude noch um einen Stock höher, auch die Raumhöhen waren noch etwas luftiger. Für die maximale Bebauungshöhe ist Innsbrucks nahegelegener Flughafen ausschlaggebend. Für diesen ist eine Flugsicherheitszone definiert, die nicht kompromittiert werden darf. Darum mussten wir unser Projekt abgeändern und an diese Rahmenbedingungen anpassen. 

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Das Ágnes-Heller-Haus ist das erst großmaßstäbliche Projekt unseres Büros. Wir waren zuvor hauptsächlich in der Infrastrukturplanung tätig: Wir bauten Haltestellen und Bahnhöfe, aber auch Brücken. Wir mögen herausfordernde Bauaufgaben, die sich durch eine gewisse Komplexität in den Planungsvorgaben auszeichnen.

Foto: David Schreyer
Foto: David Schreyer
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Sie sind für uns natürlich immer ein Thema. Unser Leitgedanke beim Ágnes-Heller-Haus war, den Fußabdruck auf dem Grundstück so klein wie möglich zu halten. Wo eigentlich auch ein Gebäude stehen könnte, wollten wir einen Park schaffen. Im Zuge des Projekts ist es uns auch gelungen, die geforderten Stellplätze durch ein Mobilitätsmanagement stark zu reduzieren. 

Ein zweites wichtiges Thema war die Energieversorgung. Zunächst haben wir unterschiedliche Optionen geprüft. Es tat sich die Möglichkeit auf, das Haus neben der Fernwärme auch an die Fernkälte anzubinden – eine Innovation, für die die Bauherrschaft sehr offen war.

Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Das bestimmende Material ist sicherlich Beton. Er kommt in den unterschiedlichsten Arten vor: als Ortbeton mit Weißzement in einer perfekten Schalung mit Matrizen für das Atrium zum Beispiel. Durch diesen Raum spannt sich eine freistehende Sichtbetonstiege als innere Erschließung des Baus. Weiter findet sich rauer, gefräster Beton in den Untergeschossen. Nicht zu vergessen sind auch die Sichtbeton-Arkaden im Eingangsbereich. Dieser war von uns ursprünglich als glatte Schalung gedacht. Doch nach einem Kunst-am-Bau-Wettbewerb, den Peter Sandbichler gewann, wurden im großen Eingangsbogen verschiedenartige Pyramiden in den Beton eingelegt. Die Fassade schließlich besteht aus rot eingefärbten Betonfertigteilen. Die Geometrie der Seitenflächen verjüngt sich leicht von unten nach oben. Diese Teile wurden sandgestrahlt, die Laibungsflächen geschliffen. Dadurch bekommt die große, regelmäßige Fassade eine subtile Lebendigkeit.

Foto: David Schreyer
Situation (© mohr niklas architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (© mohr niklas architekten)
Schnitt (© mohr niklas architekten)
Bauwerk
Ágnes-Heller-Haus der Universität Innsbruck
 
Standort
Innrain 52a, 6020 Innsbruck
 
Nutzung
Multifunktionsgebäude
 
Auftragsart
EU weiter offener Architekturwettbewerb
 
Bauherrschaft
BIG – Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H
 
Architektur
mohr niklas architekten ZT GmbH, Wien
Günter Mohr, Markus Niklas, Ulf Steinbrecher, Margit Haider, Patrick Gröller, Faruch Achmetov, Emma Peneder, Gregor Laurent, Simon Thalhammer, Angela Truschzinski, Eric Sviratchev und Hannah Neumann
 
Fachplaner
Statik: Alfred Brunnsteiner – dibral, Natters
Elektroplanung: ING-B Ingenieurbüro GmbH, Innsbruck
HKLS: Ingenieurbüro Pratzner Ges.m.b.H., Jenbach
Landschaftsarchitektur: Kieran Fraser Landscape Design e.U., Wien
 
Bauleitung 
PM2
 
Fertigstellung
2023
 
Gesamtkosten
€ 52 Mio. (Nettobaukosten)
 
Gebäudevolumen
110'500 m³ (BRI Bruttorauminhalt)
 
Kubikmeterpreis
ca. 470,- €/m³
 
Kunst am Bau 
Peter Sandbichler, Wien: Pyramiden in Sichtbeton eingelegt
 
Fotos
David Schreyer, Wörgl 

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