Lerngemeinschaft

Kronaus Mitterer Architekten | 13. Juni 2025
Zum Garten hin ist die Kubatur abgestuft, Treppen verbinden die verschiedenen Ebenen mit dem Pausenhof. So entsteht eine Lernlandschaft mit fließendem Übergang zwischen Innen- und Außenraum. (Foto: © David Schreyer)
Herr Kronaus, Herr Mitterer, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Peter Mitterer: Der Bildungscampus Willi Resetarits befindet sich in Wien-Floridsdorf in einer Nachbarschaft, die von historischer Blockrandbebauung geprägt ist. Unsere Herausforderung bestand darin, einen städtebaulichen Bezug herzustellen und gleichzeitig unsere Vorstellung von zeitgemäßen Bildungsbauten umzusetzen.

Die Architektur ist eng mit dem pädagogischen Konzept verknüpft. Eine geschlossene Kubatur mit langen, monotonen Gängen kam daher nicht infrage. Stattdessen haben wir die Blockrandstruktur zur Straße hin durch rhythmische Vor- und Rücksprünge aufgelockert. Zur Gartenseite löst sich das starre Bebauungskorsett durch eine abgestufte Bauweise auf.

Ein zentrales Element sind die Lernlandschaften, die sich fließend vom Innenraum auf großzügige Terrassen erstrecken und vielfältige Nutzungsmöglichkeiten bieten. So entsteht ein durchdachtes Raumkonzept, das sowohl klassenbezogene als auch gemeinschaftlich nutzbare Flächen integriert.

Der Entwurf greift die historische Blockrandbebauung der Nachbarschaft auf und interpretiert sie neu. (Foto: © Ninoslav Ilic)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Christian Kronaus: Unsere Inspiration ist die Idee einer Lernlandschaft, die spontane Begegnungen ermöglicht. Wir wollen Räume schaffen, in denen sich Kinder und Jugendliche frei entfalten können. Gleichzeitig wird der Bildungsraum zum zentralen Bezugsort, der im Schulalltag als Konstante dient. Gerade dieses Zusammenspiel aus offenen, gemeinschaftlich nutzbaren Bereichen und geschützteren Rückzugsorten macht eine zeitgemäße Bildungsarchitektur aus.

Die Fassade ist durch rhythmische Vor- und Rücksprünge geprägt. Diese Gestaltung macht das Entwurfsprinzip der Bildungssteine nach außen sichtbar. (Foto: © David Schreyer)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?


Peter Mitterer: Städtebaulich greifen wir die Blockrandbebauung auf und interpretieren sie neu. Unser Ansatz respektiert den historischen Kontext, ohne ihn einfach zu replizieren. Die Kubatur entwickelt sich aus den Anforderungen des pädagogischen Konzepts und bildet eine eigenständige architektonische Antwort auf den Standort.

Statt der naheliegenden traditionellen Gestaltung der Gartenseite denken wir diesen Gebäudeteil weiter. Hier entfaltet sich eine terrassierte Landschaft, die für die Schülerinnen und Schüler Bühne und Tribüne zugleich ist. Dieser dynamische Raum ermöglicht eine vielfältige Nutzung und löst den Übergang zwischen Gebäude und Freifläche auf.

Die Clusterschule ermöglicht flexible Raumverbindungen, indem sich Bildungsräume um offene Multifunktionszonen gruppieren. (Foto: © David Schreyer)
Wie kamen Sie zu dem Auftrag?


Peter Mitterer: Der Bauherr ist die Stadt Wien, die solche Projekte EU-weit als anonyme, offene Wettbewerbe ausschreibt. Unser Entwurf konnte sich im Wettbewerbsverfahren durchsetzen, woraufhin wir mit der Planung beauftragt wurden. Wir waren der Generalplaner. Diese Rolle ermöglichte uns, unsere architektonische Idee konsequent in allen Planungs- und Bauphasen umzusetzen und eine hohe gestalterische Qualität sicherzustellen.

Erschließungsräume werden durch bewusst gesetzte Blickbeziehungen zu Kommunikationsorten, die den Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern unterstützen. (Foto: © David Schreyer)
Die Terrassen in den oberen Geschossen, also im 1. bis 3. Obergeschoss, sind den jeweiligen Bildungsbereichen zugeordnet und erweitern sie ins Freie. (Foto: © David Schreyer)
Inwiefern beschäftigten Sie sich im Büro mit der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit?


Christian Kronaus: Unser Ansatz geht weit über Einzelmaßnahmen hinaus und verfolgt das Prinzip des ganzheitlichen nachhaltigen Bauens. Wir setzen auf zirkuläre Architektur, bei der die Wiederverwendbarkeit der Materialien und Bauteile im Mittelpunkt steht. Schadstoffarme Baustoffe und eine ressourcenschonende Bauweise – unterstützt durch moderne BIM-Technologien – ermöglichen es uns, den Materialeinsatz zu optimieren und Verschwendung zu vermeiden. 

Gleichzeitig schaffen wir Räume, die den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer gerecht werden und ihnen eine hohe Lebensqualität bieten. Nachhaltigkeit ist für uns also nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch der Lebensqualität und des Wohlbefindens.

Situation (© Kronaus Mitterer Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Kronaus Mitterer Architekten)
Grundriss 2. Obergeschoss (© Kronaus Mitterer Architekten)
Schnitt (© Kronaus Mitterer Architekten)
Konzeptdiagramm (© Kronaus Mitterer Architekten)
Bildungscampus Willi Resetarits Wien
2024 
Hinaysgasse 1
1210 Wien, Österreich
 
Nutzung
Bildungscampus mit Mittel-, Volks-, Musikschule sowie Kindergarten und Jugendzentrum
 
Vergabe
EU-weiter, anonymer, offener Wettbewerb
 
Bauherrschaft
Magistrat der Stadt Wien, MA 56 Schulen
WIP Wiener Infrastruktur Projekt GmbH
 
Architektur
Kronaus Mitterer Architekten, Wien und Berlin
Peter Müller (Projektleitung), Bernadett Csenteri (Projektleitung Wettbewerb) Ninoslav Ilic (Stellvertretende Projektleitung), Nikola Tasev, Martin Belkovsky, Jakub Lech, Andreas Metz und Christina Sellner
 
Generalplaner-Team
Generalplanung-Management: Arch. DI Robert Haider, Wien
Freianlagen: EGKK, Wien
Tragwerksplanung und Bauphysik: RWT Plus, Wien
Technische Gebäudeausrüstung: Woschitz Group, Wien
Brandschutz: Kunz, Mödling
 
Ausführende Firmen
Generalunternehmer: Handler Bau GmbH, Wien
Subunternehmer Fassade: Handler Bau GmbH, Wien
Vorgehängte Fassade und Innenportale: Ing. A. Sauritschnig Alu-Stahl Glas GmbH, Sankt Veit an der Glan
Schlosser: Rudolf Metallbau GmbH, Wien
Innenmöblierung, Planungsmöbel und Grafikwände: Fürst Möbel GmbH, Golling an der Erlauf
Schulmöbel und Ausstattung der Sonderunterrichtsräume: Mayr Schulmöbel GmbH, Scharnstein
Großküchen und Kühlzellen: Stierlen Großküchengeräte Vertriebs GmbH, Wien
Trockenbau und abgehängte Deckensysteme: Lieb Bau Weiz, Weiz
Sanitärtrennwände: Schindl Sanitärtrennwände Nfg. GmbH&CoKG, Münchendorf
Holz-Glas-Portale: Mitsch GmbH, Spannberg
Holz-Innentüren: R&R Objekttischlerei, Linz
Kautschuk-Böden: GPT GmbH, Markt Allhau
Holzfußböden: GPT GmbH, Markt Allhau
Fliesen und Terrazzofliesen: Olida Ceramic GmbH, Wien
 
Bruttogeschossfläche
18'982 m²
 
Fotos
David Schreyer und Ninoslav Ilic

Vorgestelltes Projekt 

schneider+schumacher

Mathildenhöhe

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