Mitten im Dorf

Molter Linnemann Architekten BDA
7. März 2018
Foto: Volkhard Gabriel
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Eine große Halle mitten in einem kleinen Dorf zu bauen, fordert heraus. Die Maßstäblichkeit entspricht so gar nicht der Struktur des Orts, die man zunächst als gewachsene Häufung kleinteiliger Gebäude erfährt. Nähert man sich dem Weingut Gälweiler, so empfängt nun eine kellerwirtschaftliche Mehrzweckhalle den Kunden. Das eigentliche Weingut liegt versteckt hinter der neuen Halle. Die Inszenierung der Zufahrt zum Weingut war Teil der Aufgabe. Für ein dreiseitig an Bestand anschließendes Gebäude musste also ein Konzept entwickelt werden, das die funktionalen sowie die repräsentativen Anforderungen erfüllt und den Maßstäben des Ortes sowie den Ansprüchen der Bauherren gerecht wurde.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Der Wunsch der Bauherren, mit dem Ort verwurzelt zu bleiben und auch zur wirtschaftlichen Stärkung des Dorfes beizutragen, waren die stärksten Inspirationen. Selbstverständlich verwebt sich der Neubau mit den Bestandsgebäuden. In Kontinuität mit der Vergangenheit hat die Familie Gälweiler ganz ihrer Philosophie folgend weitergebaut.

Foto: Molter Linnemann
Foto: Molter Linnemann
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Hinter der hohen, elegant geschwungen Wand aus Ziegelsteinen verbirgt sich das Volumen der Halle. Die Wand fließt - alle Richtungsänderungen sind gerundet ausgeformt – und spannt sich zwischen den anliegenden Bestandsgebäuden auf. Die zur Straße gewandte Ecke ist überhöht, von dort aus fällt die Wand genau wie die Straße sanft ab und lenkt auf das bestehende Weingut. Der Schwung der Ziegelsteinwand bildet einen (Arbeits-)Hof, der einen nahezu öffentlichen Charakter hat. Das Gebäude verbindet die bestehenden Gebäude, bildet zugleich Entrée und Fokussierung auf den Bestand. Hinter der Halle schließt die auf höherem Geländeniveau liegende Marienkapelle (Baujahr ca. 1835) des Dorfes mit Sakristei an. Der Wunsch der Bauherren nach Verbundenheit mit dem Ort findet hier massiven Ausdruck. Ein raumgroßes Fundament zur Unterfangung der Sakristei (1,8m x 6,1m x 2,7m) nimmt in der Halle Raum ein.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Die Bauherren waren sehr aufmerksam und sorgfältig. Wir haben uns viel Zeit zusammen mit den Bauherren genommen, um für diese und für St. Katharinen die richtige Antwort zu finden. Die Brüder hatten entsprechend ihrer Aufgaben im Weingut auch Verantwortlichkeiten übernommen. Andreas Gälweiler lenkte in funktionalen Fragen, Leo Gälweiler in gestalterischen und Vermarktungsfragen.

Foto: Molter Linnemann
Foto: Molter Linnemann
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Schon von Beginn an hat die Fassung des Aussenraums die Konzeption bestimmt. Verändert hat sich doch der Gebäudeausdruck. Zunächst wirkte das Gebäude wie gebaute Kubatur, heute wie eine gebaute Fläche. Die ausgerundeten Ecken unterstützen den flächenhaften Charakter. Diese Vorgehensweise hat den Entwurf aus dem Typus des Hallenbaus herausgelöst.

Foto: Molter Linnemann
Foto: Molter Linnemann
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerksbeigetragen?

Prägend ist ganz deutlich der Ziegelstein. Hier haben wir intensiv bemustert. Bei Klinkers in Maastricht sind wir fündig geworden. Klinkers stellt eine kleine Anzahl unterschiedlicher Handform-Ziegel her, die man beliebig mischen kann. Mit den Bauherren haben wir uns dorthin auf den Weg gemacht, um die richtige Mischung zusammenzustellen. Im Weingut haben wir Musterflächen aufgebaut, die in der Zusammensetzung auch die gelb verputzen Bestandsgebäude berücksichtigten. Die Halle steht auf dem Grundstück eines ehemaligen kleinbäuerlichen Gehöfts, das aus Ziegelsteinen gebaut war. Nach Abbruch des baufälligen Gehöfts wollten wir auch hinsichtlich der Materialität einen starken kontextuellen Bezug schaffen.

Schwarzplan (Zeichnung: Molter Linnemann)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Molter Linnemann)
Schnitt (Zeichnung: Molter Linnemann)
Mehrzweckhalle Weingut Gälweiler
2017
Mühlenstraße 6
55955 St. Katharinen

Nutzung
Weingut Produktion und Weinlager

Auftragsart
direkte Beauftragung

Bauherrschaft
Weingut Gläweiler, Andreas und Dr. Leo Gälweiler

Architektur
Molter Linnemann Architekten BDA, Kaiserslautern

Fachplaner
Tragwerk Ingenieurbüro Feller

Ausführende Firmen
Rohbau: R.K. Piroth Bau GmbH,Laudert
Zimmerarbeiten: Komplettdach Walter Graeff GmbH, Wiebelsheim
Dacharbeiten: Komplettdach Walter Graeff GmbH, Wiebelsheim
Fliesenarbeiten: Köbau Fliesen GmbH & Co. KG, Mainz
Vorsatzschale: Klinker-Forum GmbH & Co. KG, Morsbach

Hersteller
Ziegelsteine: Steenfabriek Klinkers BV, Maastricht, Mischung aus Ziegelsteinen
Fliesen: Vollklinkerplatte Argelith, Feinsteinzeug Feinkorn Classic 198x98x15 mm anthrazit
Filigranwände: Romey Baustoffwerke, Plaidt
Dacheindeckung: Kingspan Sandwichpaneele

Bruttogeschossfläche
600 m²

Gebäudevolumen
3.600 m³

Gesamtkosten
k.A.

Fotos
Volkhard Gabriel
​Mark Linnemann