Aus Überzeugung

Elias Baumgarten | 21. März 2025
Im neuen Innenhof treffen Öko-Architekturen aus zwei Jahrzehnten aufeinander. (Foto: Patrick Johannsen)

Noch sind muffige Büros für viele Menschen eine Realität. Doch mit wachsendem Klimabewusstsein bauen Unternehmen immer öfter umweltfreundlich – aus Überzeugung, aber auch weil Menschen in behaglichen, gesunden Räumen lieber arbeiten und mehr Leistung bringen. Als besonders zukunftsweisend gilt das Bürohaus Hortus der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron in der Nähe von Basel, an dem auch Martin Rauchs Firma Lehm Ton Erde mitbaut. Obwohl der Bau noch gar nicht vollendet ist und erst im Sommer eröffnet wird, erhält er schon jetzt viel Aufmerksamkeit und wird von der Kritik gelobt. Verdientermaßen: Bis ins kleinste Detail wurde der Holz-Lehm-Verbundbau der Immobilienentwicklerin Senn nachhaltig durchgeplant, um eine möglichst gute Umweltbilanz zu erzielen, selbst Einrichtungsgegenstände wie die kreislauffähigen Energiesparleuchten sind extra für das Projekt entwickelt. Doch auch in Österreich entstehen beispielgebende Öko-Bürobauten – etwa in Ernstbrunn, nördlich von Wien. Dort hat das Unternehmen Windkraft Simonsfeld, das im niederösterreichischen Weinviertel, in Bulgarien und der Slowakei Windräder und Solarkraftwerke betreibt und Strom für 185'000 Haushalte produziert, seinen Firmensitz mit einem Vorzeige-Neubau vergrößert. In wenigen Tagen wird das von Juri Troy und seinem Team entworfene Haus feierlich eröffnet.

Das Erdgeschoss ist zu drei Seiten zurückversetzt, sodass eine umlaufende Terrasse entsteht. Auf der Südseite öffnet sich das Obergeschoss zudem mit einer großen Loggia. (Foto: Patrick Johannsen)
Foto: Patrick Johannsen
Ansätze aus zwei Dekaden

Der Erweiterungsbau war nötig geworden, nachdem die Firma in den letzten Jahren kräftig wuchs: In der Unternehmenszentrale waren Büroarbeitsplätze plötzlich Mangelware und auch für Veranstaltungen und Kundengespräche fehlte der Platz. Selbst gemeinsame Mittagspausen in der Mensa waren nicht mehr für alle der mittlerweile 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich. Auf der Suche nach einer Lösung für sein Platzproblem veranstaltete der Energieversorger einen Architekturwettbewerb, wobei die Teilnehmenden auf die Wünsche und Bedürfnisse seines Teams eingehen sollten. juri troy architects gewannen. Sie hatten einen zweistöckigen Neubau mit U-förmigem Fußabdruck entwickelt. Er dockt mit zwei Verbindungstrakten an die nach außen gewölbte Straßenfassade des technoiden Bestandsgebäudes von Wolfgang Reinberg aus dem Jahr 2014 an, sodass Alt- und Neubau einen Innenhof umschließen. Die Erweiterung nach Süden hat viele Vorteile – sie erlaubt zum Beispiel helle, freundliche Büros. Allerdings verschwindet die elegante Bestandsfassade mit ihren großen Glasflächen und der filigranen Stahlkonstruktion, die auf drei Ebenen Solarpaneele trägt, leider gänzlich hinter dem Neubau. Immerhin: Mitarbeiter und Kunden können das reizvolle Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Öko-Architekturen – Technikbegeisterung hier, Naturbaustoffe dort – im begrünten Hof erleben, wo verschiedene Sitzgelegenheiten zum Verweilen einladen.

Der neue Empfangsbereich im Erdgeschoss (Foto: Patrick Johannsen)
Ein Gemeinschaftsraum entlang des Innenhofs verbindet Eingangsbereich und Mensa. (Foto: Patrick Johannsen)
In der neuen Küche des Mitarbeiterrestaurants (Foto: Patrick Johannsen)
Umweltfreundliche Behaglichkeit

Das Erdgeschoss des Holzskelettbaus ist auf drei Seiten zurückversetzt, sodass eine umlaufende wettergeschützte Terrasse entsteht. Im Bereich der Mensa weitet sie sich durch einen zusätzlichen Rücksprung des Gebäudes, so können die Mitarbeitenden an warmen Tagen ihre Mittagspause draußen genießen. Betreten wird der Erweiterungsbau durch den neuen Haupteingang auf der Westseite. Links vom Empfang, also auf der Seite des Innenhofs, verbindet ein gemütlicher Gemeinschaftsbereich den Eingang mit dem Mitarbeiterrestaurant und einem Veranstaltungsraum im östlichen Verbindungstrakt zum Altbau. Rechts vom Empfang an der Südfassade befinden sich verschiedene Besprechungsräume, die teils zusammengeschaltet werden können. Der Gebäudekern mit Treppen, Aufzug und Sanitärräumen ist aus Stampflehm gebaut. Innovativ ist dabei die Idee der Architekten, die Lehmwände für die Bauteilaktivierung zu nutzen, um das Haus zu erwärmen oder zu kühlen. Einmal mehr sorgt die Kombination aus Lehm- und Holzoberflächen für ein behagliches und gesundes Raumklima. Und auch ästhetisch ist sie ein Gewinn: Texturen und Farbigkeit der beiden Naturbaustoffe harmonieren hervorragend. 

Über die beiden Treppen erreicht man einen weiteren großen Aufenthaltsbereich auf der Südseite des Obergeschosses, dem eine Loggia vorgelagert ist – Unternehmen und Mitarbeitende hatten sich von den Architekten viel Platz für Austausch und Gemeinschaftsleben gewünscht. Die Büroarbeitsplätze sind im ersten Stock entlang der Ost- und Westfassade angeordnet, wobei die Skelettkonstruktion jederzeit Umgestaltungen zulässt. Für das Arbeiten in Gruppen oder Besprechungen stehen Sitzungszimmer auf der Nordseite zur Verfügung, die in den Hof blicken. Auch abgetrennte Rückzugsräume für konzentriertes Arbeiten sind vorhanden.

Im östlichen der beiden Verbindungstrakte zum Altbau ist ein Veranstaltungsraum mit Bühne untergebracht. (Foto: Patrick Johannsen)
Besprechungsraum im Erdgeschoss (Foto: Patrick Johannsen)
Im Treppenhaus aus Stampflehm (Foto: Patrick Johannsen)
Vorbildliche Energiebilanz

Juri Troy beschäftigt sich schon sehr lange mit umweltfreundlicher Architektur: Fünfzehn Jahre ist es im Herbst her, dass er mit dem Sunlighthouse Österreichs erstes CO2-neutrales Einfamilienhaus baute. Nach dreißig Jahren werden seine Erdwärmepumpe und die Solaranlage mehr Energie produziert haben, als für die Erstellung, den Transport des Baumaterials und den Betrieb bis dahin nötig war. Für das Projekt wurde der Architekt, der seit 2023 an der TU Wien Holzbau unterrichtet, mit gleich mehreren wichtigen Architekturpreisen ausgezeichnet. Wie viel sich seither getan hat, zeigt er jetzt mit seinem Neubau für Windkraft Simonsfeld: Der Holz-Lehm-Hybridbau mit 11 Tiefensonden (insgesamt verfügt das Gebäudeensemble sogar über 28), Erdwärmepumpe und großer Solaranlage auf dem Dach weise, so erklärt er stolz, schon in der Errichtungsphase eine positive CO2-Bilanz auf. Tatsächlich erreichte die neue Firmenzentrale das Öko-Zertifikat Klimaaktiv-Gold mit der Maximalpunktzahl 1000. Möglich wird dieser Fortschritt durch die Energieerzeugung und die Konsequenz bei der Auswahl der Baumaterialien – das Sunlighthouse wurde zwar auch aus Holz gebaut und produziert grüne Energie, besitzt aber beispielsweise noch einen betonierten Keller.

Noch reiht sich die Windkraft-Simonsfeld-Zentrale unter erfreuliche Einzelprojekte haltungsstarker Bauherrschaften ein, die aufzeigen, was Umwelt und Klima zuliebe machbar wäre. Hoffentlich werden bald mehr Unternehmen solche architektonischen Ausrufezeichen setzen. Die Wünsche, vielleicht auch die Erwartungshaltung jüngerer Mitarbeitender könnten der nötige Antrieb dafür sein.  

Gemeinschaftsbereich mit Bar im Obergeschoss (Foto: Patrick Johannsen)
Lageplan (© juri troy architects)
Grundriss Erdgeschoss (© juri troy architects)
Grundriss Obergeschoss (© juri troy architects)

Projektinformationen Erweiterung Firmensitz Windkraft Simonsfeld
 
Standort
Ernstbrunn, Niederösterreich, Österreich
 
Bauherrschaft
Windkraft Simonsfeld
 
Architektur
juri troy architects, Wien

Fachplanung und Statik
KPPK ZT, Wien

Bauleitung
M2 Architekten, Wien

Landschaftsarchitektur
outside landschaftsarchitektur, Wien

Bauökologie
Larix Engineering, Wien

Holzbau
Strobl Bau - Holzbau, Preding

Lehmbau
pro Lehm Frauwallner, Fehring
 
Vergabe
Wettbewerb 2022, 1. Preis

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