Design am Puls der Zeit
Blick in die Ausstellung »AUT NOW. 100 × Österreichisches Design für das 21. Jahrhundert« im MAK (Foto: © kunst-dokumentation.com/MAK)
Die Schau »AUT NOW. 100 × Österreichisches Design für das 21. Jahrhundert« zeigt zeitgenössische Objekte aus der Sammlung des MAK Wien. Der Fokus liegt auf der Vermittlung der Rolle von Design. Vier Objekte illustrieren je eine von 25 thematischen Kategorien.
Wie zeigt man in einer Ausstellung 100 Objekte, ohne durch die Präsentation einer solchen Menge zu überfordern? Welche Form der Ordnung wählt man dafür? Solche Fragen der Vermittlung, die sich Kuratorinnen und Kuratoren im Vorfeld stellen, sind wichtig. Denn eine Museumsausstellung hat den Anspruch – oder sollte ihn zumindest haben –, auch für ein breites Publikum zugänglich zu sein. Vielleicht sind diese Fragestellungen gerade im Bereich des zeitgenössischen Designs umso zentraler; dies gerade, weil Designobjekte so stark in unserem Alltag verankert sind. Wir interagieren täglich mit gestalteten Objekten. Aber weshalb gehören solche Artefakte ins Museum? Oder anders gefragt: Was kann die Botschaft einer Ausstellung zu modernem Design sein? Die Ausstellung »AUT NOW. 100 × Österreichisches Design für das 21. Jahrhundert« möchte sich der Frage stellen, was Design heute ausmacht.
Dass sie dabei auf zeitgenössisches österreichisches Design fokussiert, hat verschiedene Gründe. Der offensichtlichste: Die Schau findet im MAK Wien statt. Das 1863 gegründete Museum hat es sich auch unter der Führung der heutigen Direktorin Lilli Hollein zur Aufgabe gemacht, Design in all seinen Facetten – also als Schnittstelle von Kunst, Kunsthandwerk, industrieller Fertigung und neuen Technologien – zu kommunizieren. Und dazu gehören eben auch Entwürfe einer jüngeren Generation von Designschaffenden aus Österreich. Der Designbegriff hat sich seit dem Aufkommen dieser Benennung stark gewandelt. Denn Design ist immer am Puls der Zeit und widerspiegelt aktuelle gesellschaftliche Fragen sowie die mannigfaltigen Herausforderungen unserer Zeit ganz allgemein. Häufig sind diese an lokale Gegebenheiten gebunden, das vergisst man vor lauter Globalisierung manchmal. Deswegen reflektieren nationale Präsentationen diese spezifischen Umstände. Sie sind so gesehen durchaus aussagekräftig und relevant.
»AUT NOW. 100 × Österreichisches Design für das 21. Jahrhundert« im MAK Wien (Foto: © kunst-dokumentation.com/MAK)
Die Ausstellung schafft beides: eine Art Spiegel des österreichischen Designschaffens zu sein und dabei zugleich grundlegende Fragen der Gestaltung zu adressieren und neu zu formulieren. Zu definieren, was sogenanntes »gutes« Design – jenseits von Maximen wie der »Guten Form« – heutzutage ausmacht, ist keine einfache Aufgabe. Das kuratorische Team von »AUT NOW«, bestehend aus den MAK-Kuratoren Sebastian Hackenschmidt und Marlies Wirth sowie den beiden Gründern des Designbüros Vandasye, Georg Schnitzer und Peter Umgeher, beantwortet diese Frage direkt mit den ausgestellten Artefakten sowie mit den von ihnen entwickelten 25 Kategorien. Auf den Punkt bringen sie ihr Anliegen und ihre kuratorische Haltung folgendermaßen: »Im Idealfall steht zeitgenössisches Produktdesign für einen dynamischen und ganzheitlichen Ansatz, der die Bedürfnisse der modernen Gesellschaft und Umwelt in den Mittelpunkt stellt«.
Kategorie »Halbfabrikat«: Klemens Schillinger, Beistelltisch M24, 2020. Herstellung: Klemens Schillinger, Andreas Speiser und Becker Guss (Foto: © L. Hilzensauer)
Seit 2017 zeigt das Design-Duo Vandasye jeweils während der Vienna Design Week unter dem Titel »Design Everyday« Produkte aus Österreich. Diese Präsentation sensibilisiert mitunter auch für Designprozesse. Es ist nämlich ein Irrglaube zu meinen, Design bestehe lediglich aus solitären Entwürfen, die bloß ästhetischen oder formalen Kriterien folgen. Wie der Schweizer Soziologe und Designtheoretiker Lucius Burckhardt 1980 in seinem Aufsatz »Design ist unsichtbar« zeigte, ist Design stets Teil eines ganzen Systems oder Beziehungsnetzwerkes. Dazu gehören eben auch Faktoren wie Politik, Wirtschaft, Technik, Arbeit, Mobilität oder Freizeit, um nur einige zu nennen.
Diesen Beziehungsraum verdeutlicht das Kuratorenteam durch eine offene Szenografie, die multiple Bezüge schafft und ermöglicht. Die 25 Kategorien von »Alpin« bis »Zirkulär« – auch »Unsichtbar« gehört übrigens dazu – sind der Versuch, aktuelle Designansätze und die daraus hervorgehenden Produkte thematisch zu gliedern. Viele der Entwürfe der Vierergruppen hätten auch in eine andere Kategorie gepasst, betonen Wirth und Hackenschmidt beim Rundgang durch die Ausstellung. Die ausgewählten Objekte werden auf diese Weise zu Zeichensystemen, die Besuchende je nach Neigung und Interesse individuell lesen können. Die Schau erbringt damit auch den Beweis, dass Gestaltung keine Lifetsyle-Disziplin ist: Design ist primär ein Medium der Kommunikation.