Die Region mitdenken
Der Beginn des Kulturhauptstadtjahres wurde in Chemnitz groß gefeiert. Abseits der Großstadt tut sich aber auch im Umland und der ganzen Region viel, die mit eigenen Projekten zum Festjahr sichtbarer werden möchte.
Im Westen Sachsens spielt Chemnitz eine wirtschaftliche Schlüsselrolle, haben sich hier doch in den letzten Jahrzehnten große Unternehmen wie Siemens, VW und IBM angesiedelt. Waren Stadt und Region zu Zeiten der Industrialisierung besonders für ihre Maschinenfabriken bekannt, sind es heute ihre Hochschulstandorte und Forschungszentren, die sie als Wirtschafts- und Produktionsstandort attraktiv machen. Doch so lebendig die Stadt ist, so sehr fehlt es im ländlichen Raum ringsherum oft an übergreifenden Ansätzen, die die örtlichen Traditionen aufnehmen und in die Zukunft tragen könnten. Im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres beziehen die Veranstalter deshalb auch die ganze Region mit ein und haben bereits 2022 acht Standorte außerhalb der Stadt ausgewählt, an denen nun neue Kulturräume entstehen, sogenannte »Makerhubs«.
Diese offenen Werkstätten und Begegnungsorte sind Teil des Programms »Makers, Business & Arts«. Finanziert werden sie mit Steuermitteln, die der Sächsische Landtag in seinem Haushalt dafür eingeplant hat, durch Bundesmittel der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie mit Geld der Stadt Chemnitz. Die Hubs sind kulturelle Anlaufpunkte und bieten zentrale Veranstaltungs- und Arbeitsräume für Kreative, Handwerksfirmen und Unternehmen. Geschaffen werden sollen vor allem feste Standorte für die Kultur- und Kreativwirtschaft, die bislang noch deutlich unterrepräsentiert sind, sowie neue wirtschaftliche Perspektiven. Im Norden und Osten der Stadt werden dafür Räume und Flächen in Mittweida, Augustusburg und Striegistal umgenutzt. Im Westen und Süden von Chemnitz befinden sich Makerhubs in Limbach-Oberfrohna, Neukirchen, Zwönitz, Lößnitz und Schneeberg.
Als Makerhubs gewählt wurden prägnante Gebäude, mit denen die jeweiligen Orte geschichtlich verbunden sind und die zugleich groß genug sind, um einer Vielzahl von Kulturveranstaltungen Platz zu bieten. Meist standen die Objekte in jüngster Zeit leer und es fand sich keine geeignete Nutzung. So wurde zum Beispiel ein Neukirchner Autohaus komplett umgebaut und ist nun ganz der Kulinarik gewidmet: Seit der Eröffnung des Hubs treffen sich hier Bürgerinnen und Bürger mit europäischen Spitzenköchen, um regionale Spezialitäten neu zu interpretiert. Unweit davon entsteht in Limbach-Oberfrohna ein »Textile Hub« im Esche-Museum. Das textile Handwerk hat eine große Tradition in der Region, und das neue Kompetenzzentrum, in dem der Schwerpunkt auf Strickerei und Konfektion liegt, verbindet Geschichte mit Forschung, spricht Designerinnen und Produzenten an und heißt Studierenden genauso wie Start-ups willkommen. Künftig kann man aus Limbach-Oberfrohna nebst kunstvollen Produkten auch neue Prototypen erwarten, die traditionelle Techniken mit neuesten Technologien verknüpfen.
Die Hubs in Mittweida (Werkbank 32) und Zwönitz sind hingegen vor allem auf Co-Working ausgerichtet. Beide sind in historischen Gebäuden eingerichtet, wobei der ehemalige Kornspeicher (vormals Weberei) in Zwönitz nach seiner denkmalgerechten Sanierung ein attraktiver Standort für Klein- und Jungunternehmen werden dürfte, ähnlich wie die revitalisierte Maschinenfabrik in Chemnitz.
In Schneeberg wird ein historisches Gebäude am Fürstenplatz für das Kulturhauptstadtjahr umgenutzt. Für die in der Stadt ansässige Fakultät für angewandte Kunst ist diese neue Schnittstelle im Ortszentrum auch eine Möglichkeit, sich besser mit Schulen, Bevölkerung und Wirtschaft zu vernetzen. Auf die aktive Einbindung der Bevölkerung zielt auch die Station im Alten Lehngericht in Augustusburg ab. Inmitten der Stadt ist das historische Gebäude schon seit Jahren ein wichtiger kultureller Anlaufpunkt, der nun auch im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres genutzt wird. Kultur und Tourismus sind Themen, die ebenso in den Hubs in Lößnitz und Striegistal zu finden sein werden. Im ehemaligen Umspannwerk Etzdorf stehen der Bevölkerung und international tätigen Künstlerinnen und Künstlern rund 3000 Quadratmeter bespielbare Fläche für gemeinsame Aktionen zur Verfügung.
Es ist das erklärte Ziel des Programms Chemnitz 25, »die Regionen auf die Landkarte der internationalen Makerszene« zu bringen. Inwieweit die einzelnen Aktionen und Neuaneignungen ein Zukunftspotenzial auch nach dem Kulturhauptstadtjahr haben, wird sich zeigen müssen – ähnlich, wie es bei Bundesgartenschau, der BUGA, und der Internationalen Bauausstellung, kurz IBA, jeweils der Fall ist. Erst in Rückschau auf das Themenjahr und mit Blick auf die Konzepte für die Zeit danach wird sich erweisen, inwieweit die erreichte Strahlkraft auch erhalten bleibt und damit der Kultur- und Wirtschaftsszene rund um Chemnitzer langfristig zugutekommt. Erste Erfolge sind jedoch bereits zu verzeichnen, denn die Anlässe werden rege besucht. Es wäre wünschenswert für die Bevölkerung, wenn die im Jahr 2025 erlebte Resonanz auch nachhaltig positive Auswirkungen auf das eigene Erleben der Region hat.