Flurfunk

Ulf Meyer
3. April 2020
Foto: Wolfgang Thaler

Viele Banken ziehen sich aus den Einkaufsstraßen der Städte zurück und schließen ihre Filialen. Geschäfte werden dann nur mehr online abgewickelt. In Wien war die Volksbank in einem Bau aus den 1970er-Jahren untergebracht, der beidseitig von langen, schmalen Parzellen mit historischen Gebäuden gerahmt ist. Das Erdgeschoss in der Siebensterngasse mit einer Tiefe von 40 Metern öffnet sich rückwärtig zu einem Garten. Geblieben ist von der ehemaligen Schalterhalle heute allein der mächtige Tresorraum. Um ihn herum haben Berger+Parkkinen Architekten einen modernen Raum für ein Redaktionsteam geschaffen: Addendum ist eine österreichische Zeitung und »Rechercheplattform« mit hauseigenem Buchverlag und wurde 2017 gegründet. Inhaber ist die Privatstiftung Quo Vadis Veritas von Dietrich Mateschitz, dem Eigner von Red Bull. So passt, dass sich das Foyer der Addendum-Redaktion in knalligem Rot präsentiert. Es dient nicht nur dem Empfang von Gästen, sondern wird auch für Besprechungen und Events genutzt. Dafür wurde eine Küchenzeile zur Bewirtung eingebaut. 

Schon von der Straße aus fällt der Blick durch die Bürolandschaft der Redaktion hindurch bis zum Garten. »Journalismus ist Quatschen auf dem Flur« – dieses Bonmot des Hamburger Verlegers Henri Nannen (1913–1996) scheint beim Wiener Umbau in Innenarchitektur übersetzt worden zu sein. Die Ansprüche an einen Raum für journalistisches Arbeiten sind tatsächlich durchaus widersprüchlich: Einerseits sollen sie Möglichkeiten für Rückzug und Konzentration bieten, andererseits muss auch ungeplante Kommunikation stattfinden können, ja stimuliert werden. Die Architekten haben daher einen großen Arbeitsraum mit kleinen Telefonboxen und Besprechungsräumen sowie einer Teeküche mit Lounge eingerichtet. 

Der Geschäftsführer der Stiftung, Niko Alm, ist vom neuen Arbeitsplatz für seine rund 40 Mitarbeiter*innen höchst angetan. Alm schätzt halbdunkle Interieurs, und die Tageslichtsituation in der Redaktion kommt diesem Geschmack entgegen. Die Möbel sind farblich gedeckt: Die langen Arbeitstische aus Eiche haben Intarsien aus dunklem Linoleum und die Bezüge der Stühle ähneln grauen Anzugstoffen. Hinzu kommen gespachtelte Betonböden, dunkler Rohstahl und geölte, mattschwarze Holzoberflächen. Wegen der fensterlosen Seitenwände kommt die Belichtung von oben: Lichtpyramiden aus Stahlblech bringen Tageslicht in die Tiefe des Raums. Die weißen Innenseiten dieser Oberlicht-Trichter dehnen die Eintrittsfläche des Sonnenlichts und schaffen einen Horizont, über dem alle Haustechnik-Installationen im dunklen Schatten zurücktreten. 

Foto: Wolfgang Thaler
Foto: Wolfgang Thaler

Optisch herausgestellt wird der Tresorraum mit seinen meterdicken Betonwänden. Der massive Sichtbeton ist fühl- und alle Details seiner manuellen Verarbeitung ablesbar. Das rohe Material zeigt seine sinnliche Qualität. 

Nicht immer wollen alle Mitarbeiter*innen und Gäste zugleich in einem großen Raum akustisch und visuell miteinander verbunden sein. Die Architekten haben deshalb ein Schienensystem entwickelt, mit dessen Hilfe der Großraum mit Vorhängen untergegliedert werden kann. Eine Raumhälfte kann beispielsweise zu einem Vortragsraum für 60 Personen werden oder als Besprechungsraum dienen. Textile Wandbekleidungen verbessern die Raumakustik zusätzlich. 

Die große Glasfassade schafft einen fließenden Übergang von den Schreibtischen zum Hofgarten, der an schönen Tagen als 300 Quadratmeter großes Freiluftbüro genutzt wird. Die Landschaftsarchitekten vom Büro Lindle+Bukor haben den Garten mit Sträuchern, Gräsern und Holzterrassen gestaltet, die den Innenraum nach außen verlängern. 

Berger+Parkkinen ist mit ihrer Gestaltung für die Addendum-Redaktion selbst ein »Addendum« (das Hinzuzufügende) gelungen, das moderne journalistische Arbeit und den informellen Austausch, auf dem er fußt, befördert. 

Grundriss Erdgeschoss

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