Stadtleben im Kaufhaus

Elias Baumgarten | 24. Januar 2025
Aus dem Eingangsbereich wird eine Treppenanlage mit Sitzstufen in den ersten Stock führen. Sie kann als Bühne für Veranstaltungen und Kunst-Performances genutzt werden. (Visualisierung: © ATP architekten ingenieure, Silisight Frankfurt)

Viele Kaufhäuser in Deutschlands Innenstädten stehen leer. Sie in ihrer klassischen Form wiederzubeleben sei unmöglich, ist Gevelsbergs Bürgermeister Claus Jacobi überzeugt. Dem Lokalradio Ennepe Ruhr sagte er, man müsse stattdessen neue Wege gehen und die in ihrer ursprünglichen Funktion nicht mehr gebrauchten Bauten umnutzen. Das gilt auch für das Rupprecht-Haus in seiner Stadt: In den nächsten Jahren soll das leerstehende Gebäude der Kaufring-Handelskette zu einem Kulturzentrum umgestaltet werden. 20 Millionen Euro möchte die Ruhrgebietsstadt dafür in die Hand nehmen und schlüpft selbst in die Rolle der Bauherrin. Die Zukunft des wichtigen Baus dürfe nicht einem privaten Investor überlassen werden, meint Claus Jacobi dazu. »Das Herz der Stadt gehört in die Hand ihrer Bürger«, sagt der SPD-Politiker.

Bevor also ein Architekturwettbewerb für den geplanten Umbau ausgeschrieben wurde, waren die Bürgerinnen und Bürger gefragt: In einem Beteiligungs-Workshop und einer Online-Befragung konnten sie ihre Wünsche für die künftige Nutzung des Kaufhauses einbringen. Am anschließenden Wettbewerb wollten sich über 120 Architekturbüros aus ganz Europa beteiligen. 15 durften nach einer Vorauswahlrunde mitmachen, 12 gaben schließlich zum Ende des vergangenen Jahres ihre Entwürfe ab. Die Jury entschied sich für das Projekt des Frankfurter Teams des Innsbrucker Großbüros ATP architekten ingenieure. Der zweite Platz ging an die Berliner Büros studioinges und welter+welter, Dritter wurden anderswo studio Unger Haxhi Architekten aus Köln.

Die Kaufhausfassade weicht einer Glashülle, gegliedert durch Holzlamellen und Metallprofile. Der Parkplatz auf dem Gebäude wird durch einen öffentlichen Dachgarten ersetzt. (Visualisierung: © ATP architekten ingenieure/Silisight Frankfurt)
Vom Konsumtempel zum Ort der Kultur

Das 1960er-Jahre-Kaufhaus, ein zeittypischer Stahlbeton-Skelettbau, wird zum Mittelpunkt des Stadtlebens werden: Eine Musikschule, die Stadtbücherei, eine Beratungsstelle für Familien, der Heimatverein und das Stadtarchiv sollen in dem fünfstöckigen Bau Platz finden. Geplant sind auch ein Veranstaltungssaal, Co-Working-Spaces und ein Café. Im Erdgeschoss möchten die Architekten ein großzügiges Entrée einrichten. Von dort wird eine skulpturale Treppenanlage mit Sitzstufen in den ersten Stock führen, die auch als Bühne für Events und Kunst-Performances genutzt werden kann. Weiter oben wird sie zweiläufig entlang einer begrünten Innenwand weitergeführt, bevor sie auf der öffentlichen Dachterrasse endet: Der Parkplatz auf dem Ex-Kaufhaus wird einem Dachgarten weichen.

Außen wollen die Architekten die geschlossene Kaufhausfassade abbauen. Viel Glas soll stattdessen den Blick ins lebhafte Innere freigeben. Gegliedert wird die neue Fassade durch vertikale Holzlamellen und horizontale Metallprofile. Die Architekten möchten ihre Gestaltung als Bild verstanden wissen: Sie soll die Menschen an ein Bücherregal oder eine Partitur erinnern – und so auf die Musikschule und die Bibliothek im Inneren verweisen. Die neu hinzugefügten Dachschrägen sind außerdem als Referenz an die Blockrandbauten ringsherum gedacht. Und an der Südfassade sollen in Zukunft Pflanzen hochwachsen – der Biodiversität zuliebe und gegen die sommerliche Überhitzung. Die Jury überzeugte das: Neben dem Eingangsbereich und der Dachterrasse lobte sie die Umgestaltung und Öffnung der Fassaden besonders.

Illustration des neuen Nutzungskonzepts mit der Erschließung als Herzstück des zukünftigen Kulturzentrums (© ATP architekten ingenieure)
Ökologische Verbesserungen

Den im kollektiven Gedächtnis fest verankerten Bau zu erhalten, ist städtebaulich und für Klima und Umwelt eine gute Entscheidung. Um den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, hat die ATP-Forschungsabteilung Zero ein Konzept entwickelt, das den Einbau einer Photovoltaikanlage und einer Wärmepumpe zur Energieproduktion vorsieht. Die gut isolierte Gebäudehülle soll den Energiebedarf zudem drücken. Im Auge behalten werden muss allerdings sicherlich die sommerliche Aufheizung der Räume hinter der Glasfassade – gerade in den Städten ein immer dringlicheres Thema. Das Nachhaltigkeitskonzept der Architekten und ihres Expertenteams sieht ferner vor, kreislauffähige Materialien und Naturbaustoffe wie Holz zu verwenden. Jetzt müssen die noch groben Pläne weiter ausgefeilt werden. In drei Jahren könnten dann die Bauarbeiten beginnen.

Situation (© ATP architekten ingenieure)
Ansicht Mauerstraße (© ATP architekten ingenieure)
Ansicht Mittelstraße (© ATP architekten ingenieure)

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