Neuer Auftakt am Zoo

Katinka Corts
8. Februar 2017
Alt und Neu grenzen sich voneinander ab und gehören doch zusammen (Bild: Jochen Stüber)

Jeder Leipziger und jede Leipzigerin kann einem irgendeine Geschichte über die Kongreßhalle am Zoo erzählen, ob von einer Stunde in der Tanzschule, von einem Besuch im Kindertheater des Theaters der Jungen Welt, von einem Sportanlass oder von Konzerten des Leipziger Gewandhausorchesters, das hier interimistisch bis 1981 untergebracht war. Bei mir war es ein Kinderfest: Ein Netz an der Decke des Saales hielt die vielen hundert Luftballons, die aufgeblasen über unseren Köpfen hingen und später herabfallen würden. Kinderschminken und Musik, sicher auch ein Clown und eine Theateraufführung. Vage Erinnerungen an einen Ort, den es heute so nicht mehr gibt. Auch, muss man sagen, zum Glück, denn in der Vergangenheit war der Bau nicht nur zu dessen Gewinn umgestaltet worden. Das Leipziger Büro HPP Hentrich-Petschnigg und Partner hat das Objekt in den vergangenen Jahren in mehreren Bauetappen aus dem Tiefschlaf geholt und für die heutigen Anforderungen ausgerüstet. «Das war ein besonderes Projekt für uns, vor allem die Verbindung der historischen Architektur mit den neuen Ergänzungsbauten», erläutert Projektverfasser Gerd Heise. «Ein Teil des Baus aus dem Jugendstil, der Weiße Saal im Stil des Art Déco entstanden – diese Mischung hat das Projekt besonders spannend gemacht.»

Ansicht des Eingangs-Ensembles am Zoo von der Pfaffendorfer Straße aus (Bild: Jochen Stüber)

Verfall unter Betrieb
Die Kongreßhalle am Leipziger Zoo (als Eigenname mit ß) hat seit ihrer Eröffnung 1900 viele Nutzungen erfahren. Ursprünglich als Bürgerliches Gesellschaftshaus von Leipziger Kaufleuten initiiert und von Architekt Heinrich Rust geplant, blieb es auch nach dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Treffpunkt. Einen nachhaltigen Schaden an der Bausubstanz brachten nicht die Fliegerbomben im Krieg, sondern der Umbau zum Konzertsaal für das Leipziger Gewandhausorchester. Ab 1947 begann man mit dem Umbau, bei dem beispielsweise die Jugendstil-Emporen des Großen Saals verbreitert und begradigt wurden und das Tonnengewölbe des Saals unter einer abgehängten Decke verschwand. Letzteres jedoch wirklich zur Verbesserung der Akustik, die schon nach Fertigstellung um 1900 und nach den ersten Veranstaltungen bemängelt worden war. «Im früheren Saal waren alle Emporen verändert, die rückwärtige Empore war zudem vergrößert und man hat von dort aus schlecht gesehen», erklärt Heise. «Alle Emporen haben wir wieder in die alte Form gebracht sowie die abgehängt Decke entfernt und die Gewölbedecke akustisch saniert.»
Nach dem Krieg nutzten Verschiedene das Haus, ob für politische Veranstaltungen, Sportanlässe oder Kongresse. Das Problem: Über Jahre hatten die Betreiber das Haus mit Sondergenehmigungen weiterführen dürfen, zu viele Reparaturen standen aus, und auch hinsichtlich der geltenden Brandschutzbestimmungen war das Gebäude nicht mehr ausreichend sicher.  Nach der baupolizeilichen Sperrung 1988 und einem Brand im Folgejahr konnte das Haus schließlich nicht mehr für öffentliche Veranstaltungen genutzt werden.

Die tragende Betonfassade der Neubauten und die dahinter liegende Vollverglasung im Zusammenspiel (Bild: Jochen Stüber)

Wendezeiten
Dass das Gebäude für das kulturelle Leben in der Stadt wichtig war, sieht man an der Reaktion der Verantwortlichen – erstaunlich schnell sollte saniert werden, auch Geld war vorhanden, und die Neueröffnung wurde für Herbst 1992 anvisiert (1). Durchkreuzt wurden diese ambitionierten Pläne vom Lauf der Geschichte – die aufkommende und schließlich endgültige politische Wende in Deutschland enthob auch die mit der Sanierung Betrauten aus ihren Ämtern, und die Bauarbeiten wurden eingestellt. Im Lauf der nächsten 20 Jahre gründete sich die Bürgerinitiative «Kongreßhalle Leipzig», wurden die Außenfassade und Teile des Daches saniert und das Krystallpalast Varieté-Theater zog als Interimsnutzer ein. Erst 2009, als mit dem 2. Konjunkturpaket der Deutschen Bundesregierung frisches Geld nach Leipzig floss und sich Oberbürgermeister Burkhard Jung für die Sanierung der Kongreßhalle einsetzte, ging es wirklich voran. Nach Projektverhandlungen zwischen der finanzierenden Stadt Leipzig, der betreibenden Messe Leipzig GmbH sowie des fördernden Freistaat Sachsens und der Zoo Leipzig GmbH als Bauherr konnte das Programm für einen deutschlandweiten Architektenwettbewerb formuliert werden.

Das Bühnenportal mit Zoomotiven ziert heute wieder den Großen Saal (Bild: Jochen Stüber)

Förderung und Denkmalpflege
Das Leipziger Büro von HPP Hentrich-Petschnigg und Partner gewann den Wettbewerb, im September 2010 wurde der Grundstein gelegt und fortan in zwei Bauabschnitten und mit Landes- und EU-Förderung gebaut. Dass sich HPP im Wettbewerb durchsetzten, erklärt Heise mit ihrer Herangehensweise: «Wir wollten von Anfang an die alten Schichten wiederherstellen und lesbar machen, soweit es die finanziellen Möglichkeiten erlaubten. So kann heute auch die neue Architektur, die wir hinzugefügt haben, möglichst rein daneben stehen.»
Für die Wiederherstellung der historischen Räume musste viel Archivmaterial gesichtet werden – die Ausschmückungen der Säle waren nicht mehr vorhanden. Man hätte auch alles so lassen können, sagt Heise. «Ohne die Rekonstruktion der ursprünglichen Baustile würde heute aber der Dialog mit den Ergänzungsbauten fehlen.» In Steinbildhauer Andreas Artur Hoferick aus Berlin fanden die Architekten ein ideales Gegenüber, um die Schmuckelemente in den Räume wiederherzustellen. Sowohl die städtische Denkmalpflege als auch die Landesdenkmalpflege in Dresden waren involviert. «Sie haben wohl mehr bekommen, als sie sich erhofft haben, da wir schon von uns aus die Baustile wieder hervorschälen wollten», lacht Heise. Zwar wurde im Großen Saal nicht der komplette Stuck erneuert, aber das große Bühnenportal gibt es heute wieder. A.A. Hoferick erarbeitete es anhand von alten Fotografien und Zeichnungen neu, und heute ziert das prägende Element mit Zoomotiven wie Giraffen, Palmen und Pfauen wieder den Saal. «Manchmal geht es in Projekten sehr konträr zu, und Investoren scheuen die Denkmalpflege oft», so Heise. «Ich meine, man kann sie gut mit einbeziehen, gar für eigene Ideen begeistern – und so einen besonderen, einmaligen Ort schaffen.»

Ansicht aus Zoorichtung – die flankierenden Neubauten mit ihren tragenden Betonfassaden ergänzen den Bestand und heben sich gleichzeitig davon ab (Bild: Jochen Stüber)

Die Kongreßhalle, die den Eingang zum Zoo fasst und gleichzeitig ins Innere des Zoos erweitert wurde, funktioniert als optischer Vermittler zwischen Stadt- und Tierwelt. Sie könnte aber noch besser eingewoben werden, wenn sich Zoo und Kongreßhalle auf eine weichere Schnittstelle einigen könnten. «Die Zoo Leipzig GmbH möchte nicht, dass die Kongressteilnehmer über eine Schlupftür in den Zoo gelangen. Dabei könnte es für beide Seiten eine Bereicherung sein, hier eine intelligente Lösung zu suchen», so Heise. Ursprünglich war die Kongreßhalle nämlich ganz anders gedacht: Der sogenannte Zoogarten, also der Bereich hinter der Halle, war öffentlicher Garten, danach kam erst der Eingang in den Zoo. Als der Zoo den Eingang nach vorne verlegte, wurde der Garten zum internen Bereich. Die Kongreßhalle hat sich bereits «geöffnet», hier finden neben Fachmessen und Tagungen auch öffentliche Konzerte und Ausstellungen wie die Designers' Open. Womöglich bringt ja die Zeit auch eine Lösung für die weitere Öffnung der Anlage zu Stadt und Kongreßhalle.

Anmerkungen