Das Hohe Haus erstrahlt in neuem Glanz

Ulf Meyer
3. März 2023
Foto: © Parlamentsdirektion, Thomas Topf

Seit seiner Einweihung im Jahr 1883 dominiert das neo-klassizistische Parlamentsgebäude des dänischen-österreichischen Architekten Theophil von Hansen (1813–1891) einen Abschnitt der Wiener Ringstraße. Die Architektur des Monumentalbaus ist geprägt vom Einfluss des deutschen Baumeisters Karl Friedrich Schinkel und greift Formen griechischer Tempel auf: Von Hansens acht Jahre währender Aufenthalt in Athen hatte ihn als Gestalter maßgeblich geprägt. Die Wahl des Stils, der an attische Tempel der Antike erinnert, sollte aber auch auf Griechenland als den Geburtsort der Demokratie verweisen. Von Hansen bediente sich indes nicht nur in der Baugeschichte: Er setzte innen auf weitgespannte Fachwerke aus Stahl und moderne Oberlichter. 

Foto: © Parlamentsdirektion, Marcus Sies
Foto: © Parlamentsdirektion, Marcus Sies
Foto: © Parlamentsdirektion, Marcus Sies
Jabornegg & Pàlffy bauten das Parlament um, Atelier Brückner gestaltete ein Besucherzentrum

Fünf Jahre lang wurde das Parlamentsgebäude umgebaut. 2017 wurde dafür der komplette parlamentarische Betrieb abgesiedelt. Im Jahr 2018 begannen dann die Baumaßnahmen. Seit Jänner kann die Bevölkerung erstaunlich und erfreulich tief ins Zentrum der Macht vordringen und dabei das Werk von zwei Architekturbüros kennenlernen: Das Büro Jabornegg & Pàlffy aus Wien hat das Parlament umgestaltet und sensibel modernisiert. Instand gesetzt wurden rund 55'000 Quadratmeter Netto-Geschossfläche, 740 alte Fenster und 600 historische Türen sowie 500 Luster und Leuchten. Die Nutzfläche wurde um rund 10'000 Quadratmeter vergrößert. Der repräsentative Zugang von der Ringstraße her führt nun in ein elegantes Foyer für Besucher, das unterhalb der großen Säulenhalle in einem ehemaligen Stuhllager angeordnet wurde. 

Die Halle und ihre beiden Nebenräume, die allein für Besucher gedacht sind, hat das Atelier Brückner aus Stuttgart zu einem »Demokratikum« genannten Besucherzentrum umgestaltet. Dort vermittelt eine Ausstellung Grundwissen rund um unsere Demokratie.

Foto: © Parlamentsdirektion, Marcus Sies
Foto: © Parlamentsdirektion, Marcus Sies
Klare Abgrenzung zwischen Alt und Neu

Gerahmt von zwei massiven Stützenreihen steht mittig die Info-Station im fensterlosen Raum. An der Längswand sind Einblicke in die Geschichte der Demokratie zu erleben. Links und rechts dieser »Agora« liegen die »Forum« und »Auditorium« genannten Säle. Von diesem Ankunftsbereich führt die Route hinauf zu den beiden Plenarsälen von National- und Bundesrat. Vier neue Treppenhäuser haben die Architekten in den Innenhöfen angeordnet. Dies soll zu einer klaren Differenzierung zwischen Bestand und Ergänzung führen. 

Jabornegg & Pàlffy nutzten geschickt allein Hof- und Hohlräume, um neue Nutzungen einzufügen. Die Kombination von mineralischen Oberflächen wie Stein und Putz in Beigetönen mit Metall und Glas erinnert unterdessen an die Ästhetik von Norman Fosters Umbau des Berliner Reichstags.

Foto: © Parlamentsdirektion, Marcus Sies
Foto: © Parlamentsdirektion, Marcus Sies
Das politische Geschehen im Blick

In den oberen Etagen ist die Gestaltung hingegen weniger erdig. Ein neuer Umgang entlang des Nationalratssitzungssaales ermöglicht es, einen Blick von oben auf das politische Geschehen zu werfen. Das Herrenhaus war 1945 teilweise zerstört worden. Nach dem Krieg wurde es von den Architekten Fellerer und Wörle im Stil der 1950er-Jahre wiederaufgebaut, heute steht es unter Denkmalschutz. 

Der »Plenarium« genannte Umlauf führt die Architektur der Wiederaufbaujahre fort, die dem imperialen Pathos und der Monumentalität des Bestandes schlichte Linien entgegensetzte. Die originale Lichtdecke des Saales wurde durch ein sanft gewölbtes Glasdach ersetzt – eine der wichtigen architektonischen Neuerungen. Auf der obersten Ebene liegt ein neues Restaurant. Zudem kann man von vier Dachterrassen aus einen herrlichen Blick über die ganze Wiener Innenstadt genießen.

Übersicht zu den neuen Stationen des Besucherzentrums (© Atelier Brückner)
Grundriss (© Atelier Brückner)

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