Die Sieger von Freiburg

Elias Baumgarten
28. Mai 2019
Dietrich | Untertrifaller Architekten und Ramboll Studio Dreiseitl haben den Wettbewerb um die Gestaltung eines neuen Quartiers im deutschen Freiburg gewonnen. (Visualisierung © Dietrich | Untertrifaller Architekten)

Freiburg im Breisgau gilt als eine der attraktivsten Städte Deutschlands. Zwischen sanften Hügeln und Weinbergen wunderbar eingebettet, liegt sie im Südwesten der Bundesrepublik, nur wenige Kilometer ostwärts des Rheins. Man sagt, sie erfreue sich dem mildesten und trockensten Klima des Landes. Und Freiburg wächst schnell: Mit derzeit 230'000 Einwohner*innen ist die Stadt bereits die drittgrößte im Bundesland Baden-Württemberg. Wie vielerorten in Mitteleuropa herrscht auch in Freiburg große Wohnungsknappheit. Insbesondere günstiger Wohnraum ist Mangelware. Mit einer konsequenten Innenverdichtung soll dem in den nächsten Jahren jedoch Abhilfe geschaffen werden. Eines der ehrgeizigen Projekte ist eine neue Siedlung auf dem Areal einer Kleingartenanlage im Stadtteil Stühlinger, der westlich der Altstadt liegt. 1'000 Wohnungen sollen dort gebaut werden. An einem zweistufigen Wettbewerb um die Gestaltung des neuen Quartiers konnten Dietrich | Untertrifaller den Sieg erringen. Sie waren gemeinsam mit dem deutschen Büro Ramboll Studio Dreiseitl angetreten, denn es war Vorschrift, Teams aus je einem Architektur- und einem Landschaftsarchitekturbüro zu bilden. Ihr Entwurf überzeugte die Jury so sehr, dass kein zweiter, sondern lediglich zwei dritte Plätze vergeben wurden. Diese gingen an Studio Wessendorf und Atelier LOIDL aus Berlin beziehungsweise 03 Architekten und studio B Landschaftsarchitektur aus München. Insgesamt 18 Teams waren zum Wettbewerb eingeladen worden. 15 von ihnen gaben ab und fünf durften an der zweiten Stufe des Konkurrenzverfahrens teilnehmen. Aktuell sind die Sieger an der Weiterbearbeitung ihres Entwurfs.

Visualisierung © Dietrich | Untertrifaller Architekten
Große Herausforderung

Obschon der Wettbewerb überaus gut vorbereitet war – beiden Stufen gingen Bürgerdialoge voraus, deren Ergebnisse je in die Auslobung einflossen –, stellte er die Teilnehmer vor eine knifflige Aufgabe. Gefordert war, ein städtebauliches und landschaftsplanerisches Konzept vorzulegen und überdies Überlegungen zur künftigen Verkehrsführung anzustellen. Auch der Umweltschutz und die Nachhaltigkeit sollten nicht vergessen gehen. 

Bisher wird das Areal von der gekurvten Sundgauallee durchschnitten. Zudem befinden sich in der Grünanlage zwei dominante Verwaltungsbauten: Das Y-förmige Haus der Bundesagentur für Arbeit, welches in den 1990er-Jahren errichtet wurde, und das ovale Rathaus, das noch durch zwei weitere Bauten ergänzt wird. Diese großen Kubaturen harmonisch in ein kleinteiliges Wohnquartier zu integrieren, stellt eine Herausforderung für sich dar.

Wohnlich

Dietrich | Untertrifaller und Ramboll Studio Dreiseitl entschieden, gebührenden Abstand zu den Verwaltungsbauten zu halten, um deren architektonische Wirkung nicht zu schmälern. Ein Park soll sie als grünes Herz des Quartiers umspülen. Der Großteil der Wohngebäude wird sich unterdessen entlang der Bahnlinie befinden, welche die westliche Grenze des Neubaugebiets bildet. Noch rollen hier nur zu den Nachtstunden Güterzüge, doch ist eine Nutzung als S-Bahntrasse mit eigener Haltestelle geplant. Hinsichtlich der Wohnbauten schlagen die Architekten eine Mischung aus Punkthäusern, Zeilenbauten und »Townhouses« vor. Diese sollen geschützte Wohnhöfe bilden. Vorgabe seitens der Stadt ist, dass 50 Prozent der Wohnungen staatlich gefördert sein sollen. 

Geplant ist, dass die Häuser in den Erdgeschossen über größere Raumhöhen verfügen als sonst. Dies, so hoffen die Gestalter, wird die Ansiedlung von Kleingewerbe, Nahversorgern und Gastronomie erleichtern und die funktionale Durchmischung des Quartiers begünstigen. Auch Wohnen im Hochparterre in Verbindung mit einer Arbeitsstätte soll so möglich werden. 

Als Reminiszenz an die ehemalige Kleingartenanlage sind Gewächshäuschen auf einigen Gebäuden vorgesehen. Das Planungsteam spricht von einer »Stadt der Gärten und der Gärtner«.

Visualisierung © Dietrich | Untertrifaller Architekten
Verkehrsplanung

Die Sundgauallee soll erhalten bleiben, jedoch nicht länger für Autos, sondern für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen. Sie wird Teil des Quartierparks. Für den Verkehr erschlossen werden soll die Anlage indes mit einer neuen Quartierstraße. Sie wird von der Sundgauallee abzweigen und zur Lehener Straße im Norden führen. Anschluss erhält sie gemäß den vorliegenden Plänen an eine verkehrsberuhigte Wohnstraße, die sich zwischen den Häusern hindurch schlängelt, ein Parkhaus am südlichen Quartiereingang sowie eine große Sammelgarage im Norden. So werden einerseits verkehrsberuhigte Bereiche geschaffen und andererseits wird eine gewisse Frequentierung sichergestellt, der es etwa für die gewünschten Geschäfte und Restaurants in den Erdgeschossen bedarf.

Stadtökologie

Ein hoher Holzbau-Anteil und ein ausgeklügeltes Regenwassermanagement sollen die Nachhaltigkeit des Quartiers befördern. Dabei ist geplant, die im Gelände vorhandenen Runzen zu nutzen. Ziel ist eine positive CO2-Bilanz. Dafür sollen Baustoffe zum Einsatz kommen, die aus der Region stammen und haltbar sowie frei von Schadstoffen sind. Viele Bäume, Sträucher und Hecken sollen genügend Lebensraum für Kleintiere und Insekten bieten und die Biodiversität sicherstellen. Außerdem werden die Bewohner*innen die Wohnhöfe und den Quartierrand mit Beeten bespielen und dort ihr eigenes Gemüse anbauen, so hofft das Gestaltungsteam. Auch begrünte Fassaden und Dächer sind vorgesehen.

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