Durchwachsen

Elias Baumgarten
24. Juni 2019
Zusätzliche Windfänge schwächen den Serpentine-Pavillon. (Architektur © Junya Ishigami + Associates, Foto © 2019 Norbert Tukaj)

Am 21. Juni 2019 wurde in London der neue Serpentine-Pavillon eröffnet. Heuer hat den Bau der Japaner Junya Ishigami (*1974) gestaltet. Seit dessen Entwurf im Februar dieses Jahres der Öffentlichkeit präsentiert wurde, lief wenig rund. Fast von Beginn an schien bei dem Projekt Sand im Getriebe zu stecken. Zu allem Überfluss ist der nun fertige Pavillon schwächer als Ishigamis frühere Bauten, die ihm große Bewunderung einbrachten. Es fehlt ihm deren faszinierende Leichtigkeit und Transparenz. So vermag der Bau die Wogen nicht recht zu glätten.

Architektur © Junya Ishigami + Associates, Foto © 2019 Norbert Tukaj

Junya Ishigami sucht die Harmonie zwischen menschgemachten Strukturen und der Natur. Immer wieder gestaltete er daher in der Vergangenheit Gebäude mit fließenden Übergängen zwischen Innen- und Außenraum. Die bekanntesten und stärksten Beispiele hierfür sind der KAIT Workshop des Kanagawa Institute of Technology (2008) und der japanische Pavillon an der Architekturbiennale von Venedig im selben Jahr. Für den Serpentine-Pavillon hat der Architekt ein Schieferdach entwickelt, das scheinbar aus dem Boden emporwächst und eine ähnlich schwebende Anmutung haben sollte. Obwohl aus schweren Steinen zusammengesetzt, sollte das Dach des Pavillons wie ein leichtes Tuch sanft über den Park wogen. 67 Tonnen wiegt die Konstruktion, die auf filigranen, weißen Stützen ruht. Eine kraftvolle und vielversprechende Idee. Doch als Hindernisse erwiesen sich bei der Umsetzung die Statik, der Wind und die behördlichen Auflagen zur Sicherheit. Wie die britische Zeitung The Guardian jüngst berichtete, mussten nach Analysen der Ingenieur*innen des Büros AECOM, mit dem Ishigami zusammenarbeitete, und Sicherheitsbedenken der Behörden zusätzliche Stützen und Windfänge aus Polycarbonat vorgesehen werden. Leider gehen diese Maßnahmen aber zulasten der architektonischen Wirkung des Pavillons. Gerade die Wandelemente muten lieblos umgesetzt und uninspiriert »zusammengedübelt« an; fast dünkt einen, sie seien schnell und trotzig hinzugefügt worden. Und schlimmer noch: Sie stören den von Ishigami beabsichtigten freien Raumfluss.

Architektur © Junya Ishigami + Associates, Foto © 2019 Iwan Baan

Dass der Pavillon am Ende nicht recht durchzustarten vermag und nicht so sehr mitreißt wie andere Bauten Ishigamis, ist für den Architekten besonders schade, weil damit die Negativschlagzeilen um das Projekt hätten zumindest etwas überdeckt werden können. So geriet Ishigami im März 2019 heftig in die Kritik, weil sein Büro Praktikant*innen unentgeltlich beschäftigt und ausgebeutet haben soll. 11-stündige Arbeitstage, eine 6-Tage-Woche und die Nutzung eigener Rechner und Software sollen im Büro an der Tagesordnung sein. Die Eröffnung des Serpentine-Pavillons überschattete ferner der Rücktritt von Yana Peel, ihres Zeichens Direktorin der Serpentine Gallery. Peel hatte ihren Hut nehmen müssen, nachdem ihr Amnesty International vorgeworfen hatte, Teilhaberin eines Unternehmens zu sein, das Spionagesoftware an autoritäre Regime verkauft, welche diese gegen missliebige Privatleute einsetzen. Peel wies die Anschuldigungen übrigens bereits strikt von sich und sieht sich als Opfer einer »konzentrierten Lobbykampagne«.

Bis zum 6. Oktober 2019 können Sie sich selbst ein Bild von Ishigamis Gestaltung machen. Bis dahin bleibt der Pavillon im Hyde Park geöffnet. Er dient als Bühne unter anderem für Kunstausstellungen und Musikdarbietungen. 

Architektur © Junya Ishigami + Associates, Foto © 2019 Norbert Tukaj

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