Einfach schwierig

Ulf Meyer
1. Februar 2018
Niklas Maak im Gespräch mit Reinier de Graaf (Bild: Eric-Jan Overkerk)

Die Rolle des Architekten ähnelt der einer Geisel, die von ihrem Entführer dazu gezwungen wird, bei der Familie anzurufen und zu lügen, dass alles in bester Ordnung ist – so hat Rem Koolhaas es einmal in seinem weltberühmt gewordenen eloquent-cool-zynischen Duktus formuliert. Koolhaas‘ Weggefährte, der niederländische Architekt Reinier de Graaf, hat den Blick auf den Berufsstand der Architekten jüngst in einem Buch weiter ausgeführt, das „Four Walls and a Roof. The Complex Nature of a Simple Profession“ heißt und im Verlag der Hochschule erschienen ist, an der de Graaf unterrichtet hat – Harvard.

Die „Rolle des Architektenberufs“ zu de-mystifizieren ist de Graaf angetreten, um der „Architecture with a capital A” – wie man es in Amerika nennt – die Maske herunterzuziehen. Drei Typen hat der Autor dabei identifiziert: Oligarchen, die ihre Ambitionen in Beton gießen wollen, Immobilien-Developer, für die Architektur allein eine monetäre Investition ist und „Politiker, Bürokraten und Berater, die zwischen Idee und ihrer Umsetzung im Weg herumstehen“ – soweit, so un-überraschend. De Graafs Befund, dass Architekten stärker „externen Kräften ausgesetzt sind“ als allgemein bekannt, verrät viel über die politische Sicht seiner Generation auf die Welt und die Entwurfsauffassung, die im Büro OMA gepflegt wird. „Architekten dienen den Mächten, die sie vorgeben zu kritisieren und befinden sich deshalb in einem perpetuierten Interessenskonflikt“, schreibt de Graaf. Dass ihn dieser Konflikt ebenso quält wie der Abschied von den „linken“ Idealen seiner Jugend, war in de Graafs über-nervöser Rhetorik deutlich zu spüren. Dem Architekturkritiker Niklas Maak (FAZ) fiel es leicht, entspannter und rhetorisch gekonnter seinem Gegenüber die richtigen Stichworte zu geben. „Architekten, Immobilien-Haie und Politiker formen gemeinsam eine improvisierte Welt des Kompromisses, die keiner alleine mehr kontrollieren kann" – so das Resümee de Graafs schließlich. Maak attestierte de Graaf nicht nur eine „an Balzac erinnernde Gemeinheit“, sondern auch, das wichtigste „Anti-Establishment-Buch in der Architekturwelt seit Tom Wolfe“ geschrieben zu haben.


Reinier de Graaf: Four Walls and a Roof. The Complex Nature of a Simple Profession, Harvard University Press, 2017