Gegensätze – Österreichs Beitrag zur 18. Architekturbiennale ist am Puls der Zeit

Manuel Pestalozzi
24. Februar 2022
Die Grenze zwischen Giardini und Stadt wird 2023 quer durch den österreichischen Pavillon verlaufen. (Foto © Theresa Wey)

 

Das Architektenkollektiv AKT und Hermann Czech haben den Wettbewerb um die Gestaltung des österreichischen Beitrags zur 18. Architekturbiennale von Venedig gewonnen. Sie werden im kommenden Jahr den österreichischen Pavillon bespielen. Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer zeigte sich im Zuge der Bekanntgabe erfreut. Es habe ein hervorragendes und international vernetztes Team gewonnen, das mehrere Generationen umfasse. Das Votum sei einstimmig ausgefallen, denn die Gestalter*innen würden relevante Zukunftsfragen stellen, so Mayer. Sie fuhr in ihrem Lob fort, AKT und Czech stünden für Inklusion und Nachhaltigkeit.

Doch was hat das Siegerteam in der Lagunenstadt vor? Im Zentrum seines Projekts sollen die Gegensatzpaare öffentlich/privat, zugänglich/nicht zugänglich und gemeinschaftlich/individuell stehen. Es ist geplant, diese mit einem »gesellschaftlich wirksamen temporären Umbau« des Pavillons von Josef Hoffmann (1870–1956) zu behandeln. Dazu gehört eine Würdigung der Lage des Baus innerhalb des Areals; der Pavillon befindet sich an der nordöstlichen Grenze der Giardini. Der dahinterliegende Stadtteil Sant’Elena ist eines der letzten Gebiete, die in Venedig noch überwiegend von Einheimischen bewohnten werden. AKT und Hermann Czech wollen mit ihrer Intervention die historische Grenzmauer des Areals durchbrechen und die Trennlinie zwischen Biennale und Stadt in den Pavillon verschieben. Die Schau »Beteiligung / participation« soll einen Teil des Gebäudes dem Stadtteil Sant’Elena zuschlagen. Dieser Bereich wird zum öffentlichen Raum werden.

 

Der Pavillon wird durch eine temporäre Intervention in zwei Bereiche aufgeteilt. Diese können nicht nur aus den Giardini erreicht werden, sondern auch aus dem Nachbarquartier. (Grundrisse © AKT und Hermann Czech)

 

Eine Wand wird den symmetrischen Pavillon schon im Eingangsbereich in zwei Haupträume trennen. Der östliche Teil samt Hof wird über den besagten neuen Zugang erreichbar sein. Der westliche Teil hingegen bleibt vom Biennale-Gelände aus zugänglich. In der Schau wird der eher strukturschwache Stadtteil Sant’Elena eingehend beleuchtet werden. Obwohl die jeweils andere Seite nicht direkt erreicht werden kann, sehen und hören die Besucher*innen beiderseits der neuen Grenzlinie einander dabei. Aus Abschottung soll so Beteiligung werden, aus beziehungsloser Trennung Nachbarschaft.

Die Idee ist interessant und bietet Potenzial. Die Wahl der Jury scheint zunächst gut getroffen. Vielleicht kommt der Beitrag gerade recht in einer Zeit, da die Architekturbiennale immer wieder als entrückte »Nabelschau der Fachwelt« kritisiert wird und manche sie auch aus ökologischen Gründen als nicht mehr zeitgemäß ablehnen. 

Durch den Überfall Putin-Russlands auf die Ukraine erhält der Beitrag eine beklemmende Aktualität. Denn seit heute Morgen ist Europa endgültig in Blöcke zerfallen. Das Unvorstellbare ist Realität: Es ist wieder Krieg.

 

Isometrie © AKT und Hermann Czech

Andere Artikel in dieser Kategorie