Heidi Hortens privates Museum – Architektur als Bühne für die Kunst

Ulf Meyer, Elias Baumgarten
15. Juli 2022
Das Heidi-Horten-Palais in der Wiener Innenstadt ist der Umbau eines Kanzleigebäudes aus dem Jahr 1914. (Foto: Rupert Steiner, Heidi Horten Collection)

Am 3. Juni wurde in Wien das Privatmuseum von Heidi Goëss-Horten eröffnet. Die Kunstsammlerin hatte den Feierlichkeiten aus gesundheitlichen Gründen fernbleiben müssen. Wenige Tage später, am 12. Juni, verstarb die Erbin des deutschen »Kaufhauskönigs« Helmut Horten. 

Schon in den 1970er-Jahren begann das Ehepaar Horten mit dem intensiven Sammeln bedeutender Kunstwerke, nachdem Helmut Horten, der ein Faible für die Werke deutscher Expressionisten hegte, sein Kaufhausimperium verkauft hatte und die beiden sich ins Tessin zurückzogen. Heidi Horten führte die gemeinsame Leidenschaft auch nach dem Tod ihres 32 Jahre älteren Mannes im Jahr 1987 fort. Gerne umgab sie sich in ihrer Schlossvilla am Wörthersee und in ihren Wohnsitzen in New York, in London, Kitzbühel und auf den Bahamas mit Kunst. Doch der Öffentlichkeit präsentierte sie größere Teile ihrer beeindruckenden Sammlung erst 2018 im Rahmen der Schau »WOW! The Heidi Horten Collection«. Die Ausstellung mit 175 Werken bewirkte ein Umdenken bei der Kunstliebhaberin: Aufgrund der großen Resonanz beschloss sie, ein Museum aufzubauen.

Die Ausstellungsebenen sind über eine spektakuläre Treppenanlage miteinander verbunden. (Foto: Rupert Steiner, Heidi Horten Collection)
Foto: Rupert Steiner, Heidi Horten Collection
Vom historischen Stadtpalais zum modernen Museum

Als Standort für ihr Museum wählte Heidi Horten schließlich ein Nebengebäude der Albertina aus, das um 1914 von Erzherzog Friedrich als Kanzlei erbaut wurde. Dieses Bauwerk an prominentester Stelle in ein Museum für zeitgenössische Kunst umzubauen, stellte architektonisch eine große Herausforderung dar. 

Den Auftrag erhielt das Wiener Architekturbüro The Next Enterprise, das 2019 den Wettbewerb gegen Kuehn Malvezzi und O&O Baukunst gewann. Ihm ist die Aufgabe gelungen: Hinter den gelben Putzfassaden hat das Team um Ernst J. Fuchs und Marie-Therese Harnoncourt-Fuchs den Bau komplett entkernt. Auf drei Ebenen sind 1500 Quadratmeter Ausstellungsfläche entstanden. Dafür standen 13 Millionen Euro zur Verfügung. Zwei große Säle scheinen über dem weitläufigen Parterre-Raum zu schweben. Es entstehen dadurch überraschende Raumeindrücke. Und weil die Preziosen sparsam positioniert sind, kommen die Licht- und Raumverhältnisse gut zur Geltung. 

Der Eingang wurde von beiden Hofzugängen aus sichtbar gestaltet. In einem Seitenflügel wurde dafür ein raumhohes Eckstück in den Maßen des darüber befindlichen Kabinetts aus dem Gebäude herausgeschnitten. Dieser neue Eingang gewährt Einblicke ins Foyer. Die kleine Grünfläche im Hof wurde angehoben, mit Bäumen bepflanzt und mit einer Sitzbank eingefasst. Die Fassaden werden sukzessive von Wein und Glyzinien bewachsen.

Die Räumlichkeiten sind nicht mit Kunstwerken überfrachtet. So kommt auch die architektonische Qualität des neuen Museums schön zur Geltung. (Foto: Manuel Carreon Lopez, Kunst-Dokumentation.com)

Doch zurück ins Gebäude: Die Ausstellungsplattformen fungieren auch als Aussichtsbalkone zu den anderen Ebenen. Bei Bedarf können mobile Wände eingebaut werden. Diese Plattformen aus geschweißten Stahlträgern tragen Lichtdecken, die für gleichmäßiges Raumlicht in den Galerien sorgen. In die Stromschienen können zusätzlich Strahler montiert werden. Zwei glasperlengestrahlte und elegant detaillierte Treppen kragen von den Etagen aus. Die Brüstungen der Plateaus und die Treppenwangen aus Edelstahl bilden ein Raumkontinuum.

Die Innenwände hinter den Fassaden wurden mit Textil bespannt. Nur im Bereich der Fenster dringt Tageslicht gedämpft hinein. Zu den Sonderräumen gehören ein Kabinett für die Präsentation von Medienkunst und ein kleiner Vortragsraum, die Büroräume im Dachgeschoss sind über zwei Aufzüge zu erreichen. Die Wände und Decken sind in Blütenweiß gehalten, während der Eingang, die Innenflächen der Treppen sowie die Sanitärräume mit Gelbgold, Cremegelb und Apricot akzentuiert sind. Der Boden aus rotem Terrazzo wird als eingefärbter Beton am Eingang und im Skulpturengarten sowie auf der Terrasse in den Außenraum fortsetzt. Rot gebeizte Eichenböden der Kabinette strahlen »höfische Eleganz aus«, wie die Architekten sagen.

Lichtdecken sorgen für eine angenehme Atmosphäre in den Ausstellungsräumen. (Foto: Manuel Carreon Lopez, Kunst-Dokumentation.com)
Schwieriges Erbe

Die Sammlung der Milliarden-Erbin Heidi Horten umfasst über 700 Gemälde, Skulpturen und Grafiken. Darunter sind Arbeiten von so bekannten Künstlern wie Cy Twombly, Mark Rothko, Andy Warhol und Damien Hirst. Doch das Vermächtnis ist nicht unbelastet: Helmut Horten legte den Grundstock für sein Imperium während des Zweiten Weltkrieges und in den 1930er-Jahren: Er kaufte die Geschäfte jüdischer Kaufhausbesitzer günstig auf und profitierte so von der sogenannten »Arisierung«. 1937 trat er in die NSDAP ein, um seine Chancen als Geschäftsmann zu steigern. Zwar wurde er 1944 aus der Partei ausgeschlossen und kam nach dem Krieg einigen Wiedergutmachungsansprüchen nach, doch er blieb ein Profiteur der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Später kam auch ans Licht, dass er an Rüstungsgeschäften beteiligt war und am Krieg verdiente. 

Nachdem Heidi Horten beschlossen hatte, ein Museum einzurichten, wurde die Vergangenheit ihres Mannes mehr und mehr in die Öffentlichkeit gezerrt und kontrovers diskutiert. Sie gab daraufhin 2020 ein Gutachten in Auftrag, dass die Geschäftspraktiken ihres Mannes zwischen 1933 und 1945 untersuchen sollte, in der Hoffnung, ihn zu rehabilitieren. Dies aber gelang nur zum Teil: Der Juristensohn aus Bonn habe während der NS-Zeit Gelegenheiten genutzt, sei aber immerhin weniger rücksichtslos vorgegangen als andere, heißt es darin. 1936 kaufte er das jüdische Traditionskaufhaus Gebrüder Alsberg in Duisburg. Sechs weitere Geschäfte folgten. Bei seinem Wiederaufstieg ab 1948 konnte er, wie im Gutachten steht, nur auf einen Teil der in der NS-Zeit erworbenen Mittel zurückgreifen.

Auch der Wegzug der Hortens aus Deutschland in die Schweiz war übrigens kontrovers: Horten nutzte eine Lücke im westdeutschen Steuerrecht, um sein kolossales Vermögen zu verschieben. Die BRD antwortete 1972 mit dem Außensteuergesetz, dem »Lex Horten«.

Atmosphäre und Kunstgenuss

Architektonisch betrachtet, ist es dem Büro The Next Enterprise gelungen, die hohen Standards der zeitgenössischen Museumsarchitektur in einem nicht minder anspruchsvollen historischen Gefüge zu erfüllen. Das Wechselspiel von Weite und Enge, Offenheit und Diskretion, das ihr Umbau schafft, verströmt Atmosphäre und motiviert Zirkulation und Kunstgenuss. Noch bis zum 2. Oktober dieses Jahres läuft mit »OPEN« die erste Schau im neuen Museum.

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