In Basel entsteht ein neues Bank-Hochhaus – von Alejandro Aravena

Ulf Meyer
23. Dezember 2022
Visualisierung © Elemental / Nissen Wentzlaff Architekten

Als Alejandro Aravena im Jahr 2016 den begehrten Pritzker-Preis verliehen bekam, galt der Architekt aus Chile als »Pionier einer neuen Architekturauffassung« und als »einer der vielversprechendsten Architekten unserer Zeit«. Denn Aravena nahm sich den ungesteuert wachsenden Metropolen an und zeigte überzeugend, wie sich günstiger Wohnraum schaffen lässt. Der charismatische Architekt erlangte mit seinen Haus-Rohlingen weltweit Bekanntheit. Aravena avancierte zum Hoffnungsträger. Er galt als Entdecker des »inkrementellen Bauens« und wurde als »Architektur-Aktivist« gefeiert, der mit seiner kollaborativen und partizipativen Architektur das Leben mittelloser Menschen verbessert.

Dass er dereinst in Basel, einer der reichsten und saturiertesten Städte der Welt, ein Bank-Hochhaus bauen würde, war damals nicht vorauszuahnen. Nun ist der Entwurf von Aravenas Büro Elemental jedoch zum Gewinner des Architektenwettbewerbs für das neue BIZ-Hochhaus gekürt worden. Und Basel debattiert, was von dieser Entscheidung zu halten ist: Die Ausloberin und Bauherrin, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) galt bisher nicht als Treiberin der örtlichen Baukultur. Ihr dunkelbrauner Rundturm aus dem Jahr 1977, den Martin Burckhardt entworfen hat, markiert den Übergang vom Bahnhofs- zum Bankenviertel mit einer metallisch-abweisenden Corporate Architecture.

Visualisierung © Elemental / Nissen Wentzlaff Architekten

Für die Erweiterung des Hauptsitzes der internationalen Staatsbank entschied sich die Wettbewerbsjury, deren Vorsitz der Zürcher Architekt und ETH-Professor Sacha Menz innehatte, für den 107 Meter hohen, eckigen Turm von Aravena, der den bestehenden Rundturm weit überragen wird. Der Entwurf passe gut zu den Entwicklungen in der Umgebung, befand die Jury. Damit spielt sie sowohl auf das nahe Hochhaus des Versicherungskonzerns Bâloise mit dem Mövenpick-Hotel von Miller & Maranta an als auch auf die neuen Roche-Türme auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins – und auf die Tatsache, dass der 2015 genehmigte Bebauungsplan im Osten des neuen Turms weitere Hochhäuser zulässt. 

Visualisierung © Elemental / Nissen Wentzlaff Architekten

Aravena, der seinen Entwurf gemeinsam mit dem einheimischen Büro Nissen Wentzlaff erarbeitet hat, setzte sich in dem Verfahren gegen zehn Konkurrenten durch, darunter die Lokalmatadoren Herzog & de Meuron, aber auch David Chipperfield, Bjarke Ingels, Boltshauser Architekten, Dominique Perrault, Foster + Partners, HHF Architects mit Tatiana Bilbao, Kengo Kuma, Mecanoo und SO-IL. Es wurden keine Preissummen vergeben, aber die Büros erhielten ein Honorar für die Ausarbeitung ihrer Beiträge. Die Projekte wurden nicht in eine Rangfolge gebracht. Es gibt also keinen zweiten oder dritten Preis.

Die Jury lobte das »innovative und nachhaltige Design« von Aravenas Entwurf. Was sie mit diesen abgegriffenen Adjektiven meint, ist wohl vor allem die Verwendung von Holz, die der Entwurf vorsieht. Hinter dem Begriff Holzbauweise verberge sich eine hybride Struktur aus Holzbalken und Beton, präzisiert die Ausloberin auf Nachfrage. Was das im Detail bedeutet, darüber geben weder die Architekten noch die Bauherrin derzeit Auskunft. Leider wurden (bisher) auch weder Pläne noch der Jurybericht publiziert. Das macht die Einordnung des Vorschlags von Elemental und Nissen Wentzlaff schwierig.

Visualisierung © Elemental / Nissen Wentzlaff Architekten

Wie beim Basler Asklepios-Hochhaus von Herzog & de Meuron auf dem Novartis-Campus aus dem Jahr 2019 sollen Loggien die Büroetagen umgeben. Die Fassaden werden deshalb gar »waldähnlich« genannt. 

Die BIZ hat bereits zweimal Entwürfe von ihr ausgewählter Architekten verworfen: Als Burckhardts ursprünglicher Entwurf vorgestellt wurde, protestierte der Heimatschutz gegen die Höhe des Turms, der Basels Silhouette zu stark dominiert hätte, wie man damals befand. Diese Sorgen hat man heute nicht mehr. Aber als 1997 Toyo Ito auserkoren worden war, das BIZ-Areal umzugestalten, wurde auch sein Entwurf fallengelassen. Stattdessen kaufte die BIZ der privaten UBS ihren Botta-Bau am Aeschenplatz ab und siedelte ihre IT-Abteilung dort an. Der Moderne-Stress, den man in Basel angesichts der aufplatzenden Hochhaus-Cluster auf beiden Seiten des Rheins zu verspüren scheint, steht also einer gewissen Behäbigkeit in den Entscheidungen der Bauherrschaften gegenüber. 

Ob Alejandro Aravena seine gestalterischen Leistungen, die ihn weltberühmt gemacht haben, von den Armensiedlungen Lateinamerikas in die luftigen Höhen der Schweizer Bankenwelt übertragen kann, ist einstweilen eine offene Frage.

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