Notwendiger Ersatzneubau?
Aus der Grazer Volksschule Bertha von Suttner und der benachbarten Albert-Schweitzer-Mittelschule soll ein moderner Bildungscampus werden. Der siegreiche Wettbewerbsentwurf von Markus Pernthaler überzeugt. Doch dass ihm eines der ältesten Schulhäuser der Stadt weichen soll, geht darüber vergessen.
Schon heute bilden die Volksschule Bertha von Suttner und die benachbarte Mittelschule Albert Schweitzer einen kleinen Campus. Doch die Anlage im Grazer Stadtbezirk Gries, die im Osten vom Grieskai und im Westen von der Lagergasse gefasst wird, soll größer und moderner werden. Auf der Suche nach einem passenden Architekturentwurf veranstaltete die Stadt einen EU-weiten, offenen Wettbewerb mit anschließendem Verhandlungsverfahren. Die Teilnehmenden sollten ein Projekt für die Erweiterung, Sanierung und Umgestaltung der Schulbauten entwickeln. Außerdem bestand ihre Aufgabe darin, neue Freiflächen zu planen.
Vorab hatten Martin Bukovski, der Chef des städtischen Hochbaureferats, und Projektkoordinator Johannes Jagersbacher eine Machbarkeitsstudie vorgelegt. In Zukunft soll der neue Campus auf dem 6500 Quadratmeter großen Areal Platz für acht Volksschul- und zwölf Mittelschulklassen sowie zwei Züge der Polytechnischen Schule bieten – oder anders formuliert: 550 Kinder und Jugendliche sollen hier dereinst die Schulbank drücken.
37 Architektenteams schickten ihre Entwürfe ins Rennen. Durchsetzen konnte sich der Grazer Architekt Markus Pernthaler. Sein Vorschlag sieht vor, die alte Volksschule durch einen Neubau zu ersetzen. Ein neuer Verbindungstrakt wird diesen mit der Albert-Schweitzer-Mittelschule zusammenschließen, die erhalten bleibt. Der Volksschulneubau wird die bestehende Zeilenbebauung an der Lagergasse fortsetzt – anders als sein Vorgänger, der orthogonal zu dieser ausgerichtet war. Das neue Schulhaus knickt dem Straßenverlauf folgend ab und ist so entworfen, dass auf dem Baugrundstück vorhandene Bäume nicht gefällt werden müssen. Auf seinem Dach ist ein Freiluft-Unterrichtsraum geplant.
Der erwähnte Verbindungsbau wird so zwischen altem und neuem Schulhaus positioniert, dass er die bestehenden Grünflächen in einen geschlossenen Ruhehof und einen Spielhof unterteilt. Diesen Gebäudeteil sollen beide Schulen gemeinsam nutzen: Das Erdgeschoss mit zwei separaten Eingängen nimmt eine große Doppelaula auf, die das neue »Herzstück« des Komplexes werden soll. Darüber ist der Turnsaal eingehängt, und das Dach dient als Sportfläche.
Die von der Architektin Sandra Gnigler geleitete Jury lobt, das Siegerprojekt löse »eine Vielzahl an Aufgabenstellungen und Problemen mit Weitsicht und Mehrwert für Nutzer*innen und Umgebung«. Der Entwurf, so das Gremium weiter, stelle eine hohe Aufenthaltsqualität in Aussicht. Diesem Lob lässt sich noch hinzufügen, dass es sich um eine ausgesprochen innerstädtische Schulanlage handelt, die die bestehende bauliche Struktur auf zurückhaltende Weise ergänzt.
Dass jedoch der Abriss des Volksschulhauses nur mit einem Nebensatz erwähnt wird, überrascht. Der monumentale, symmetrisch gegliederte Solitärbau, der an einen Palast erinnert, ist in Graz durchaus beliebt. »Unsere Schule ist eine der ältesten Volksschulen in Graz«, heißt es auf der Website der Volksschule Bertha von Suttner. »Stell dir vor, es gibt die Schule seit zirka 150 Jahren. Und das Haus ist gleich wie damals.« Bauhistorisch und ökologisch hätte ein Umbau ein Gewinn sein können. MEGATABS architekten, die mit ihrem Entwurf auf dem dritten Rang landeten, hatten vorgeschlagen, den Altbau zu behalten und mit einem Verbindungstrakt und einem Neubau zu ergänzen. »Im Vergleich zu denjenigen Projekten, welche die Bauaufgabe mit Neubauten lösen, stellt sich jedoch heraus, dass diese die Anforderungen an zeitgemäße Bildungsbauten wesentlich besser bedienen können, da die räumlichen Zwänge der Bestandsbauten entfallen«, kommentierte die Jury dieses Entwurfsziel lakonisch. Ist diese Haltung noch zeitgemäß? Nachhaltigkeits-Erwägungen konnte die Jury jedenfalls nicht umstimmen – vielleicht auch, weil das Siegerprojekt in Holztafelbauweise alle geforderten Klimastandards gut erfüllt und mit einem niedrigen Energieverbrauch im Betrieb sowie dem Verzicht auf eine Unterkellerung punkten kann.